Klassifizierung einer Hörtest-App

KG Berlin, Urteil v. 03.12.2019 – 5 U 143/18

Gegenstand der Entscheidung ist die Frage der konkreten Klassifizierung einer für die Anwendung durch Laien ausgelegten Hörtest-App als aktiv-diagnostisches Medizinprodukt. Ausschlaggebend für die Frage einer Klassifizierung der App als Medizinprodukt der Risikoklasse IIa sind insoweit die in Anhang IX der Richtlinie 93/42/EWG in Regel 10, 3. Spielgelstrich genannten Vorgaben. Die Bezeichnung “vitale Körperfunktion” dient hierin der Abgrenzung von lebenserhaltenden zu anderen, nicht unbedingt lebenswichtigen Körperfunktionen. Da der Hörsinn als solcher nicht zu den vitalen Körperfunktionen gehört, hat das Gericht die von der Beklagten vorgenommene Einstufung als Medizinprodukt der Risikoklasse I nach Regel 12 im oben genannten Anhang IX bestätigt.

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Kostenlose Abgabe von Serviceartikeln zu Impfstoffen keine verbotene Werbegabe

OLG Köln, Urteil v. 07.12.2018 – 6 U 95/18

Die an die Bestellung von Impfstoffen gekoppelte kostenlose Abgabe von “Serviceartikeln” (Kanülen, Injektionspflaster, Alkoholtupfer, Kanülensammler) an Ärzte durch einen Apotheker verstößt nicht gegen das heilmittelwerberechtliche Zuwendungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 HWG und begründet daher keinen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 2; 3; 3a UWG. Dies gilt zumindest dann, wenn – wie im entschiedenen Fall – aufgrund des Warenwertes der Werbegaben von lediglich 0,8 % in Relation zum Wert der bestellten Impfstoffe nach der Lebenserfahrung ein relevanter Einfluss auf das Verordnungs- und Abgabeverhalten der Ärzte ausgeschlossen erscheint.

Darüber hinaus stellen die den Impfstoffen beigefügten Applikationshilfen auch handelsübliches Zubehör zur Ware dar und erfüllen daher die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG. Bei der Bestellung von Impfstoffen im Wert von insgesamt mindestens 1.553,00 EUR ist die Zugabe von Impf-Zubehör im Wert von maximal 13,00 EUR, d. h. von unter 1 % des Einkaufwertes, handelsüblich und liegt im Rahmen der Entwicklung vernünftiger kaufmännischer Gepflogenheiten.

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Haftung für erhöhtes Versagensrisiko: Hüft-Totalendoprothese

LG Freiburg i Br., Urteil v. 02.08.2019 – 1 O 266/12

Eine Hüftendoprothese (hier Großkopfprothese) ist fehlerhaft, wenn sie ein erhöhtes Versagensrisiko hat. Das erhöhte Versagensrisiko beruht hier auf Konstruktions- und Instruktionsfehlern, die bei jedem Teil der Implantatserie in der Konussteckverbindung zu erhöhtem Metallabrieb führen kann, der die Gefahr schwerer Gesundheitsschäden birgt und daher eine Reoperation nötig machen kann.

  • Die für die Annahme eines Produktfehlers maßgebliche berechtigte Sicherheitserwartung bestimmt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls. Der Hersteller muss die Maßnahmen ergreifen, die zur Vermeidung einer Gefahr objektiv erforderlich und zumutbar sind. Bei erheblichen Gefahren für Leib und Leben sind weitergehende Maßnahmen abzuverlangen. Zudem erweitert sich die Verantwortung des Herstellers gegenüber Risikogruppen, wie etwa älteren und gesundheitlich vorgeschädigten Personen.
  • Der erhöhte, nach Auffassung des Gerichts im gesundheitsgefährdenden Bereich liegende Metallabrieb des betroffenen Implantats beruht im Kern auf galvanischer Korrosion, die wiederum durch zu geringe Fügekräfte an der Konussteckverbindung initiiert worden sei. Die OP-Anleitung des Implantats war durch die Empfehlung zu “einem leichten Schlag” bei der intraoperativen Herstellung der Steckverbindung nicht geeignet, eine ausreichende Fügekraft herzustellen. Hierin liegt ein Instruktionsfehler. Zudem verhält sich die OP-Anleitung nicht dazu, wie die Prothese zu reinigen ist, um jegliche Verunreinigungen praktisch auszuschließen. Hierin liegt ein weiterer Instruktionsfehler, der zu einer Initiierung des erhöhten Metallabriebs führen kann.
  • Auch wenn die Ursachen für den erhöhten Metallabrieb im Einzelnen nicht mit Gewissheit festgestellt werden können, liegen alle möglichen Ursachen, etwa der Materialauswahl und der Auswahl eines Großkopfprothesendesigns, im Verantwortungsbereich des Herstellers.
  • Ein Produktfehler im Sinne von § 3 ProdHaftG liegt zudem auch vor, weil die Hüftendoprothese zu einer Produktserie gehört, der eine erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeit anhaftet, die es rechtfertigt, einen Fehler ohne konkreten Fehlernachweis des konkret betroffenen Produkts anzunehmen. Die Anwendung der Rechtsprechung des EuGH zu Medizinprodukten wie Herzschrittmachern und ICD ist nach Auffassung des LG Freiburg gerechtfertigt, da die Fehlerhaftigkeit nur mit einem größeren Aufwand (hier einer Explantation) festgestellt werden könne und nicht die Möglichkeit des bloßen Nichtgebrauchs (als Gefahrabwendungsmaßnahme) des Implantats besteht. Auch wenn, anders als bei Herzschrittmachern und ICD, bei einer fehlerhaften Hüftendoprothese regelmäßig keine Lebensgefahr besteht, stellen die Gefahren der Entstehung von z.T. Osteolysen, des Knochenverlusts, erhöhten Metallwerten im Gewebe und Blut sowie die Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit nach Auffassung des LG Freiburg “ein ebenfalls hohes Schadenspotenzial” dar.
  • Das mit der gewählten Konstruktion verbundene allgemeine Fehlerrisiko war bereits bei Inverkehrbringen des betroffenen Implantats im Jahr 2005 erkennbar. Ein enthaftender Entwicklungsfehler kommt daher nicht in Betracht.

Zum Schmerzensgeld: Bei der hier im Vordergrund stehenden Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes nach § 8 ProdHaftG hat das Gericht insbesondere die große Osteolyse und den damit einhergehenden Knochenverlust, weiterhin die Notwendigkeit der Reoperation und den Schmerzverlauf bis zur Reoperation berücksichtigt. Insgesamt hat das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 Euro für angemessen erachtet.

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Einstufung eines Medizinprodukts mit homöopathischen Bestandteilen als Arzneimittel

VG Köln, Urteil v. 30.05.2017 – 7 K 2241/14
  1. Die zuständige Bundesoberbehörde entscheidet unabhängig von einem Zulassungsantrag des pharmazeutischen Unternehmers auf Antrag einer zuständigen Landesbehörde über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels.
  2. Ein Produkt [hier: ein als Medizinprodukt in Verkehr gebrachtes Kombinationspräparat] erfüllt die Voraussetzungen eines Präsentationsarzneimittels, wenn beim normal informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher wenn auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass es in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse.
  3. Der Begriff des Präsentationsarzneimittels ist weit zu verstehen und daher ein Mittel, das eine therapeutische Wirkung beansprucht, als Arzneimittel zu behandeln.
  4. Die Entscheidung über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels nach § 21 Abs. 4 AMG umfasst auch die Registrierungspflicht als Homöopathikum nach § 38 Abs. 1 AMG.

(Orientierungssätze 1-3 juris, Orientierungssatz 4 vom Verfasser)

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Anwendung der Übergangsbestimmungen der Verordnung (EU) 2017/745 auf Medizinprodukte (Vaginal-Gel) mit lebensfähigen biologischen Substanzen oder lebensfähigen Organismen

VG Schleswig-Holstein, Urteil v. 21.03.2019 – 1 A 109/18

Besteht für ein Medizinprodukt nach der RL 93/42/EWG, das nicht mehr dem Geltungsbereich der Verordnung (EU) 2017/745 unterliegen wird, ein Zertifikat nach der genannten Richtlinie, dessen Geltung über den Geltungsbeginn der Verordnung hinausgeht, so bleibt dieses gemäß Art. 120 Abs. 3 der Verordnung gleichwohl gültig und die betroffenen Produkte können für die Laufzeit in Verkehr gebracht werden.

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Herstellerdefinition eines Medizinproduktes (Gehhilfe) und verantwortlicher Adressat einer behördlichen Anordnung zum Rückruf

VG München, Urteil v. 20.03.2019 – M 18 K 17.2194
1. Zur Bestimmung des Herstellers ist jeweils auf das konkrete Medizinprodukt abzustellen und nicht auf das Inverkehrbringen einer Serie von Medizinprodukten.
2. Für das Inverkehrbringen gemäß § 3 Nr. 11 S. 1 MPG ist nicht abstrakt auf eine Produktserie abzustellen, sondern das jeweilige konkrete Warenstück zu betrachten.
3. Wer als Hersteller verantwortlich ist, richtet sich nach dem tatsächlichen Auftreten am Markt aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers mit Bezug auf die konkreten Warenstücke.
4. Entscheidend für die Herstellerdefinition ist die Kennzeichnung mit dem Unternehmensnamen und der willentlichen Position, als Hersteller nach außen in Erscheinung zu treten.
5. Wird ein Produkt in so veränderter Beschaffenheit in den Verkehr gebracht, dass es von der ursprünglichen CE-Kennzeichnung nicht mehr erfasst wird, handelt es sich um eine wesentliche Veränderung, so dass entsprechend dem Rechtsgedanken in § 3 Nr. 11 S. 1 lit. c) MPG zumindest ab dieser Veränderung von einem erneuten erstmaligen Inverkehrbringen auszugehen ist.

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Weiterbenutzung des Markennamens eines Medizinproduktes durch einen Lizenznehmer führt nicht zur “Hersteller”eigenschaft des Lizenzgebers, wenn der Lizenznehmer das Produkt selbst produziert und unter eigenem Firmennamen vertreibt und bewirbt

VG München, Urteil v. 20.03.2019 – M 18 K 17.2194

Werden Medizinprodukte (hier: Gehhilfen) von einem Unternehmen (Lizenznehmer) aufgrund einer Lizenzvereinbarung mit dem ursprünglichen Entwickler und Vertreiber der Produkte (Lizenzgeber) selbst produziert und auf eigene Rechnung mit Kennzeichnung des eigenen Firmennamens vertrieben und beworben, dann handelt der Lizenznehmer als “Hersteller” i.S.d. § 3 Nr. 15 MPG. Dies gilt auch dann, wenn zuvor der Lizenzgeber selbst das Produkt unter eigenem Firmennamen mit dem gleichen Markennamen (“Brand”) vertrieben hatte. Alleine durch die Kennzeichnung der Produkte mit der für die ursprüngliche Vertreiberin eingetragenen Marke (Produktbezeichnung), deren Nutzung dem Lizenznehmer vertraglich gestattet war, wird die ursprüngliche Vertreiberin nicht zur Herstellerin im Sinne des MPG. Entscheidend ist insoweit allein die Kennzeichnung mit dem Firmennamen des Lizenznehmers und dessen willentliche Position, als Hersteller nach außen in Erscheinung zu treten.

Werden Medizinprodukte von einem Lizenznehmer, der zur eigenen Herstellung dieser Produkte (lizenzvertraglich) berechtigt ist, in ihrer Beschaffenheit bei der Produktion wesentlich verändert (vorliegend: Nutzung veränderter Produktionswerkzeuge und nicht zertifizierter Rohre, Änderung der vorgesehenen Kunststoffmischung mit der Folge erhöhter Bruchgefahr der Gehhilfen), so werden diese veränderten Medizinprodukte von der ursprünglichen CE-Kennzeichnung nicht mehr erfasst. Es handelt sich um eine wesentliche Veränderung, so dass entsprechend dem Rechtsgedanken in § 3 Nr. 11 S. 1 Buchst. c) MPG von einem erneuten erstmaligen Inverkehrbringen auszugehen ist.

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Haftung für Metall-auf-Metall Hüftendoprothesen

KG, Urteil v. 27.05.2019 – 20 U 115/17
  1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus dem deliktischen Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO knüpft für den Ort des schädigenden Ereignisses sowohl an den Handlungsort als auch an den Erfolgsort an. Handlungsort ist dabei nicht der Ort der Inverkehrgabe, sondern der Ort der Herstellung des schädigenden Produkts (hier: Großbritannien). Der Erfolgsort ist der Ort, an dem der behauptete Körperschaden eingetreten ist, hier der Wohnort des Klägers.
  2. Im hiesigen Fall waren etwaige Ansprüche aus § 1 Abs. 1 ProdHaftG bereits nach § 13 ProdHaftG ausgeschlossen. Die danach geltende 10-jährige Erlöschensfrist für Produkthaftungsansprüche beginnt mit dem Inverkehrbringen des konkret betroffenen Produkts und nicht mit der Implantation dieses Produkts. Bei mehrteiligen Hüftendoprothesen ist das Inverkehrbringen der einzelnen Prothesenkomponenten maßgeblich, wofür der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet ist.
  3. Im konkreten Fall stellt sich damit auch nicht mehr die Frage nach einem “potentiellen Fehler” (im Sinne der Urteile des BGH vom 09.06.2015 – VI ZR 327/12 und VI ZR 284/12) für die betroffene Hüftendoprothese, die noch im Körper des Klägers verbaut ist. Das Erlöschen nach § 13 ProdHaftG erfasst auch Ansprüche aus “potentiellen Fehlern”. Der Senat weist aber in einem obiter dictum darauf hin, dass ein (gegebenenfalls auch erhöhter) Metallabrieb bei einer Prothese mit Metall-auf-Metall Konstruktionsform nach seiner Auffassung bereits keinen “potentiellen Fehler” darstellt. Denn es gebe keine Kunstgelenke ohne Abrieb, zudem sei nach den umfassenden Ausführungen des Gerichtssachverständigen bislang unbekannt, ob ein durch Abrieb erhöhter Wert von Metallionen im Körper überhaupt zu Schäden führt und es insoweit keine medizinisch belastbaren Grenzwerte gibt, nach denen eine Körperschädigung zu erwarten ist. Daher wäre allein wegen der möglichen Erhöhung der Metallwerte im Körper eine Explantation nicht notwendig.
  4. Zudem läge wegen des möglichen Metallabriebs kein Instruktionsfehler der Prothese vor, da eine haftungsbegründende Kausalität eines unterlassenen Hinweises nicht vorgetragen und nicht ersichtlich ist.
  5. Ein Fabrikationsfehler wäre im hiesigen Fall ebenfalls nicht beweisbar, da sich die Prothese noch im Körper des Klägers befindet und er auch konkrete Fehler der einzelnen Prothesenteile nicht vorgetragen hat.
  6. Ein Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB scheidet ebenfalls aus. Zwar gilt hierfür nicht die Erlöschensfrist gemäß § 13 ProdHaftG. Es ist aber nicht mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit dargelegt, dass die Prothese verwertbar zu einem Körperschaden bei Kläger geführt hat. Maßgeblich ist, dass Metallabrieb bei allen Metall/Metall-Gleitpaarungen vorkommt, der Metallabrieb ausweislich des Sachverständigengutachtens beim Kläger keinerlei Körperreaktion außerhalb des Gelenks hervorgerufen hat. Die im linken Hüftgelenk vorgefundene Metallose ist keine schuldhaft gesetzte Körperverletzung: Der bekannte Abrieb werde im Sinne einer Risikoabwägung bzw. Schaden-Nutzen-Relation der Implantation eines Kunstgelenks in Kauf genommen. Dass sich die Erwartungen an eine – gegenüber Kleinkopfprothesen – bessere Luxationssicherheit und natürlichere Statik im Gelenk bei erwartbar höherem Abrieb von Großkopfprothesen im Laufe der Zeit nicht erfüllt hätten, war nach den sachverständigen Feststellungen zum Zeitpunkt der Einführung der Prothese und der Implantation beim Kläger nicht zu erwarten.

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Auslegung der Regel 13 des Anhang IX der Richtlinie 93/42/EWG bezogen auf die erforderliche Quantität und Qualität des zusätzlichen Stoffes.

VG Köln, Urteil v. 31.07.2018 – 7 K 5603/15

Dem Verfahren lag eine klassische Abgrenzungsentscheidung des BfArM auf Antrag der zuständigen Aufsichtsbehörde gemäß § 13 Abs. 3 MPG zugrunde. Zwischen dem Hersteller und der Aufsichtsbehörde bestand Uneinigkeit über die korrekte Klassifizierung eines stofflichen Medizinproduktes, das zusätzlich Aromastoffe aus mehreren Pflanzenstoffen enthielt.

Das Verwaltungsgericht hatte zu entscheiden, ob eine Substanz, wenn sie abstrakt auch pharmakologische Wirkungen erzeugen kann, in der konkreten Situation aber nicht nachweislich pharmakologisch wirkt, als ausreichend für die Anwendung der Regel 13 anzusehen ist. Im Rahmen der Beurteilung hat das Gericht zunächst festgestellt, dass für die Anwendung der Regel 13 allein die objektive Wirkmöglichkeit und nicht, wie zuweilen in der Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Medizinprodukten vom selben Gericht angenommen, die Art der Präsentation bereits ausreiche. Bei der weiteren Frage der Möglichkeit der Wirkung auf den menschlichen Körper soll es nach Ansicht des Gerichtes aber nicht auf die abstrakte Verwendungsmöglichkeit der beigefügten Hilfssubstanz ankommen, sondern nur auf die Wirkungen, die von dem streitgegenständlichen Produkt in seiner konkreten Zusammensetzung und bestimmungsgemäßen Anwendung erzielt werden können. Zwar setze die ergänzende Wirkung der verwendeten Zusatzstoffe auf den menschlichen Körper im Sinne der Regel 13 nicht die Feststellung einer Funktionsarzneimitteleigenschaft des betreffenden Stoffes im Sinne der Arzneimittelgesetze voraus, gleichwohl müsse aber bei der Prüfung der möglichen Wirkung die konkrete Dosierung des Stoffes berücksichtigt und klare Erkenntnisse zu einer diesbezüglichen pharmakologischen Wirkung in der entsprechenden Konzentration vorliegen. Stoffe, die in niedriger, nicht pharmakologisch wirkender Dosierung, zu dem Zweck eingesetzt würden, andere Eigenschaften des Medizinproduktes zu erzeugen oder zu sichern, wie z.B. Duftstoffe, seien daher nicht in der Lage, eine Wirkung auf den menschlichen Körper zu erzeugen und könnten so nicht als Zusatzstoff im Sinne der Regel 13 gelten.

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Definition und Feststellung der pharmakologischen Wirkung eines Erzeugnisses

VG München, Urteil v. 17. 10. 2018 – M 18 K 15.4632

Die pharmakologische Wirkung eines Erzeugnisses ist zwar ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium für die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Funktionsarzneimittels gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 a AMG fällt. Eingriffe in die Körperfunktionen, die völlig unerheblich sind, können die Zuordnung zu den Arzneimitteln nicht rechtfertigen; die erhebliche Beeinflussung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers und das Vorliegen erheblicher pharmakologischer Wirkungen müssen vielmehr durch belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse belegt sein. Die Einstufung eines Produktes als Funktionsarzneimittel verlangt positiv die Feststellung einer pharmakologischen Wirkung in nicht unerheblichem Maß; lediglich ein entsprechender Verdacht reicht nicht aus. Zur Beweislast stellt das VG München ausdrücklich fest, dass die Behörde den plausiblen Nachweis einer pharmakologischen Wirkung schuldet, wenn sie die Behauptung eines (Funktions-)Arzneimittels aufstellt und grenzt sich deutlich von der Rechtsprechung des VG Köln ab.

Zum Bestehen arzneimittelrechtlich relevanter pharmakologischer Wirkungen hat das VG München festgestellt, dass die Definition der pharmakologischen Wirkung in der Pharmakologie und Toxikologie von dem in der Rechtsprechung verwendeten Begriff abweicht. So spreche die Pharmakologie wertneutral von einer Wechselwirkung zwischen Stoff und Lebewesen. Für eine Wirkung im Körper sei eine Wechselwirkung im Körper Voraussetzung.

Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Definition soll aber gerade nicht jede beliebige und noch so geringfügige Veränderung, die sich innerhalb der Spannweite des Normalen abspielt, erfasst sein, sondern nur eine, die außerhalb der normalen im menschlichen Körper ablaufenden Lebensvorgänge liegt. Verlangt wird vielmehr eine wirkliche Veränderung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers und eine nennenswerte Auswirkung auf den Stoffwechsel, die wiederum durch belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse belegt sein müssen.

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