LG Hamburg: Bedeutung der CE-Zertifizierung im Wettbewerbsprozess

Das Landgericht hatte über die Zulässigkeit von Werbeaussagen für ein Klasse II Medizinprodukt zu entscheiden. Der Wettbewerbsverband als Kläger hielt die Aussagen für irreführend, während der Hersteller argumentierte, im Rahmen der Zertifizierung eines Klasse II Medizinproduktes würden von der Benannten Stelle auch die Aussagen der Kennzeichnung und Gebrauchsinformation bezüglich der Zweckbestimmung des Medizinproduktes, die vorliegend in Streit standen, geprüft und könnten nicht parallel in wettbewerbsrechtlichen Verfahren in Frage gestellt werden.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das in Artikel 4 Abs. 1 der Medizinprodukterichtlinie verankerte Behinderungsverbot für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten müsse beachtet werden. Dieses Behinderungsverbot führe dazu, dass dem Hersteller der Vertrieb seines Medizinproduktes nicht von den nationalen Gerichten wegen medizinprodukterechtlich geforderter Pflichtangaben auf der Umverpackung und in den Gebrauchsinformationen untersagt werden dürfe. Eben diese Angaben seien aber Gegenstand der hier verfolgten Unterlassungsanträge, die die Zweckbestimmung des Medizinproduktes betreffen. Dieses sei aber im Konformitätsverfahren anzugeben und würde nach den dafür geltenden Regeln von der Benannten Stelle überprüft. Dementsprechend stehe Artikel 4 Abs. 1 der Medizinprodukterichtlinie mit dem dort statuierten Verbot einer Bewertung nationaler Gerichte entgegen. Ein Verbot die Zweckbestimmung auf der Verpackung und in der Gebrauchsinformation zu nennen führe dazu, dass das Medizinprodukt auch nicht mehr in Verkehr gebracht werden könne.

Dieser Beurteilung stünden auch die Irreführungsverbote aus § 4 MPG und § 3 HWG nicht entgegen. Nach Auffassung des Landgerichts sind diese Bestimmungen bei richtlinienkonformer Auslegung dahin auszulegen, dass sie sich nicht auf die im Konformitätsverfahren geprüfte Zweckbestimmung des Medizinproduktes beziehen, sondern nur auf darüberhinausgehende oder andere Leistungen oder Wirkaussagen.

Das Landgericht ist der Auffassung, dass bei richtlinienkonformer Auslegung die Angabe der Zweckbestimmung auf der Umverpackung und in der Gebrauchsinformation des Medizinproduktes keine Werbung i. S. v. § 4 MPG und § 3 HWG darstellen kann. Die Zweckbestimmung eines Medizinproduktes wird im Konformitätsverfahren geprüft, ist Voraussetzung für die Erteilung des CE-Kennzeichens und kann daher nicht erneut in Gerichtsverfahren überprüft werden.

Dieses Ergebnis war nach Auffassung der Kammer bei der gebotenen Berücksichtigung der Medizinprodukterichtlinie so klar, dass es dazu keiner Vorlage an den EuGH bedurfte.

LG Hamburg, Urteil v. 19.09.2019 – 403 HKO 43/19
§ 4 Abs. 2 MPG
§ 3 HWG
§ 5 UWG
§ 28 AEUV
Art. 4, 11, 17, Anhang I, RL 93/42/EWG

Andere Fundstellen: Veröffentlicht in MPR 1/2020, Seite 25 bis 27; Anmerkung für die Praxis MPR 2020, Seite 14 ff.


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