FG Brandenburg: Zolltarifliche Einreihung von Mikrotomklingen

1. Einmalklingen, die aus Edelstahl bestehen, Ausstanzungen für die Befestigung am Mikrotomhalter haben und erkennbar für den Einsatz in Mikrotomen bestimmt sind (sog. Mikrotomklingen), sind in die Unterposition 9027 9080 und nicht in die Unterposition 9018 9085 der Kombinierten Nomenklatur einzutarifieren.

2. Die Begriffsbestimmung in Art. 1 Abs. 2 b der Richtlinie 93/42/EWG, wonach Zubehör ein Gegenstand ist, der selbst kein “Medizin-“Produkt ist, hat für die zolltarifliche Einreihung von Waren keine Bedeutung.

3. Bei der Einreihung von Waren ist nach der Allgemeinen Vorschrift (AV) 1 und 6 zunächst die zutreffende vierstellige Position unter Zuhilfenahme der Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln, hilfsweise unter Anwendung der AV 2 bis 5, zu ermitteln. Erst danach kann nach AV 1 Satz 2 i.V.m. AV 6 die zutreffende fünfstellige Unterposition, danach die sechsstellige Unterposition und erst dann die Unterposition der Kombinierten Nomenklatur ermittelt werden.

FG Brandenburg, Urteil v. 14.03.2001 – 4 K 678/00
KN Unterposition 9027 9080
KN Unterposition 9018 9085
Allgemeine Vorschriften (AV) 1
AV 2
AV 3
AV 4
AV 5
AV 6
MPG § 2 Abs. 1 S. 2
MPG § 8
Richtlinie 93/42/EWG Art 1 Abs 2 b


Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Die Beteiligten streiten über die Eintarifierung von Mikrotomklingen.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die verbindliche Zolltarifauskunft des Beklagten vom 23.11.1999, mit der sogenannte Mikrotomklingen als „Teile für Mikrotome” der Unterposition 9027 9080 der Kombinierten Nomenklatur zugewiesen wurden. Die Klägerin begehrt wie bereits im Einspruchsverfahren die Einreihung der Klingen als „andere medizinische Instrumente, Apparate und Geräte” in die Unterposition 9018 9085 der Kombinierten Nomenklatur.

Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren fristgerecht erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass die von ihr importierten Mikrotomklingen von einem japanischen Unternehmen hergestellt und als „knife for medical use” auf dem Etikett identifiziert und in den Verkehr gebracht würden. Die Klingen würden für Gewebeschnitte in der Humanmedizin eingesetzt, dabei würden die Klingen entweder in sogenannte Mikrotome oder in spezielle Handgriffe für den manuellen Einsatz ähnlich einem Seziermesser eingelegt. Es handele sich bei den Klingen um ein Medizinprodukt im Sinne von Art. 1 der Richtlinie 93/42/EWG vom 14.6.1993 als auch im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2. der diese Richtlinie in deutsches Recht umsetzenden Medizinproduktegesetzes vom 2.8.1994. Dies wiederum habe zur Folge, dass die „grundlegenden Anforderung” an die Sicherheit und Leistungsfähigkeit, die im Anhang I der Medizinproduktrichtlinie niedergelegt seien, zu erfüllen seien, wenn diese Klingen in den Verkehr gebracht würden. Außerdem müssten sie mit einer CE-Kennzeichen versehen werden (§ 8 Abs. 1 Medizinproduktegesetz). Voraussetzung für das Anbringen der CE-Kennzeichnung sei wiederum, dass der Hersteller die Konformität seines Medizinproduktes mit den grundlegenden Anforderungen nachgewiesen hätte. Vorliegend habe die TÜV-Rheinland-Product-Safety GmbH als benannte Stelle die notwendige Konformitätsprüfung vorgenommen und das CE-Zeichen vergeben. Das Bundesministerium für Gesundheit habe die deutschsprachige Fassung der Nomenklatur für Medizinprodukte (Universal Medical Device Nomenclature System) herausgegeben. Inzwischen habe das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information in Köln eine erweiterte Version der deutschsprachlichen Fassung dieser Nomenklatur herausgegeben. Auch diese Nomenklatur führe Mikrotomklingen unter dem Begriff „Messer, Mikrotome” unter der Nr. 12–249 als Medizinprodukte auf.

Sie habe bisher die importierten Klingen regelmäßig unter der Code Nr. 9018 9085 angemeldet und abgefertigt. Erst im Rahmen einer bei ihr im Jahr 1999 durchgeführten Zollaußenprüfung sei dies beanstandet worden. Gegen die daraufhin ergangenen Steueränderungsbescheide sei Einspruch eingelegt worden. Die Einspruchsverfahren ruhten im Hinblick auf das anhängige Klageverfahren

Die Klägerin meint, dass der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften neben der kombinierten Nomenklatur auch die „Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Nomenklatur des HS” umfasse. Nach AV 1 Satz 2 sei für die Einreihung einer Ware der Wortlaut der Position und der Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln maßgebend. Hilfsweise seien die AV 02 bis 05 heranzuziehen, soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt sei. Zunächst sei festzustellen, dass Mikrotome in der Position 9027 mit der Bezeichnung „Instrumente, Apparate und Geräte für physikalische und chemische Untersuchungen…, Mikrotome” namentlich genannt seien. Es existiere dazu auch eine Unterposition 9027 90 „Mikrotome; Teile und Zubehör” und eine Warengruppe 9027 9000. Es sei nicht streitig, dass die in Frage stehende Mikrotomklingen Teile und Zubehör für Mikrotome seien. Eine Einreihung in die Position 9027 sei also durchaus möglich. Soweit in der verbindlichen Zolltarifauskunft auf die Erläuterung zur Kombinierten Nomenklatur Rz. 65 bis 67 insoweit verwiesen werde, sei festzuhalten, dass in Rz. 65 lediglich Mikrotome näher definiert würden. Die Erläuterungen mit den Rz. 66 und 67 belegten lediglich, was als Teile und Zubehör im Sinne der vorgenannten Unterposition anzusehen sei. Zu beachten sei, dass die Zuweisung der Mikrotomklingen zur Warengruppe 9027 9080 trotz der vorhandenen namentlichen Benennung von Mikrotomen eine Zuweisung nach dem Verwendungszweck sei. Der Mikrotome seien ihrerseits als Geräte beziehungsweise Apparate definiert, die für Zwecke des Schneidens eingesetzt würden.

Es müsse aber auch eine Einreihung der Klingen anhand einer systematischen und teleologischen Auslegung vorgenommen werden. Bei Einordnung anhand dieser Auslegungsmethode, die auch in der Literatur anerkannt sei (Witte, Kommentar zum Zollkodex, 2. Auflage, Art. 20, Rdnr. 13) komme ebenso eine Einordnung in die Position 9018 in Betracht. Die Klingen seien vorliegend ausschließlich für medizinische Zwecke einsetzbar. Zwar seien die Einstufung als Medizinprodukte nach dem MPEG und der Medizinproduktrichtlinie sowie die Einordnung der Mikrotomklingen des DIMDI keine verbindlichen Vorgaben für die Einreihung der Mikrotome beziehungsweise Mikrotomklingen. Sie hätten aber entgegen der von dem Beklagten vertretenen Auffassung für die Einreihung insofern Bedeutung, als sie den Einsatz für medizinische Zwecke bestätigten. Zum andern seien sowohl die Kombinierten Nomenklatur als auch die Medizinproduktrichtlinie europarechtliche Bestimmungen, die nach dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung grundsätzlich einheitlich ausgelegt werden müssten.

Es sei daher fest zu halten, dass im ersten Schritt eine Einreihung als medizinischer Apparat möglich und im zweiten Schritt einer Einordnung der Mikrotome in die Unterposition „andere Instrumente, Apparate und Geräte” und dort in die Warengruppe „andere” möglich sei. Im dritten Schritt ergebe sich eine Einordnung der Klingen als Teile oder anderes Zubehör von Mikrotomen aus der Anmerkung 2 b) zu Kapitel 90. Danach seien Teile und anderes Zubehör, wenn zu erkennen sei, dass sie ausschließlich oder hauptsächlich für eine bestimmte Maschine, einen bestimmten Apparat oder ein bestimmtes Gerät oder Instrument oder für mehrere Maschinen, Apparate, Geräte oder Instrumente dergleichen Position bestimmt seien, der Position für diese Maschine, Apparate, Geräte oder Instrumente zuzuweisen. Schließlich würden weder Mikrotome noch Mikrotomklingen durch die Anmerkung zu Kapiteln 90 der kombinierten Nomenklatur noch durch die Erläuterung zu Position 9027 der kombinierten Nomenklatur von der Position 9027 ausgenommen. Mithin würden die in Rede stehenden Klingen, die ausschließlich für medizinische Zwecke verwendet würden, aufgrund der systematischen beziehungsweise teleologischen Einordnung vom Wortlaut der Position 9018 und dort als Waren mit der Code Nr. 9018 90 erfasst. Dies werde auch durch die Erläuterung zu der Position 9018 der kombinierten Nomenklatur bestätigt. Dort hieße es unter Rz. 1 unter anderem, dass in fast allen Fällen diese Instrumente die Handhabung durch Ärzte etc. verlangten. In den weiteren Erläuterung zu Position 9018 der kombinierten Nomenklatur, Rz. 2 bis 17, werde eine Reihe von Waren von dieser Position ausgenommen. Die streitigen Klingen gehörten nicht dazu. Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, dass unter Rz. 16 (gemeint wohl Anmerkung o)) eine Abgrenzung zur Position 9027 vorgenommen werde. Dies geschehe in der Weise, dass Instrumente, Apparate usw. zur Untersuchung des Blutes als nicht zu Position 9018 zugehörig, sondern als der Position 9027 zugehörig qualifiziert würden. Im Umkehrschluss ergebe sich daraus, das dies für Instrumente, Apparate und Vorrichtungen zu Untersuchung von Körperbestandteilen nicht gelte, diese also der Position 9018 zugeordnet seien.

Da vorliegend eine systematische beziehungsweise teleologische Auslegung eine Einreihung in die Warengruppe 90189085 ermögliche, bestehe ein Konkurrenzverhältnis zwischen der erstrebten Einreihung in diese Codenummer und der vom Beklagten vorgenommenen Eintarifierung. In einem solchen Fall sei die endgültige Einreihung grundsätzlich nach AV 3 a) Satz 1 vorzunehmen. Danach gehe die Position mit der genauen Warenbezeichnung der Position der allgemeineren Warenbezeichnung vor. Im vorliegenden Fall bezeichne sowohl die Position 9018 als auch die Position 9027 die von ihr erfassten Waren jeweils nach ihrem Zweck. Dann aber sei für die Einreihung auf den Hauptverwendungszweck, der zugleich die genauere Warenbezeichnung beinhalte, abzustellen (Witte a.a.O. Rz. 19). Der Hauptverwendungszweck der Klingen sei aber der medizinische Einsatz. Daher sei deren Einreihung in die Position 9018 zwingend.

Der Beklagte setze sich in seiner Klageerwiderung nicht mit einer ebenfalls möglichen Einreihung in die Unterposition 9018 9085 systematisch auseinander. Auf diese Weise umgehe er die notwendige Abgrenzung der beiden genannten Tarifpositionen. Den Bestimmungen der Richtlinie 93/42/EWG und des Medizinproduktegesetzes komme jedenfalls indizielle Bedeutung insoweit zu, als es sich um Medizinprodukte handele. Darüber hinaus sei zu beachten, dass sowohl die Kombinierte Nomenklatur als auch die Medizinproduktrichtlinie europarechtliche Bestimmungen seien, die nach dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung grundsätzlich einheitlich ausgelegt werden müssten. Die von ihr zitierte Literatur (Witte, Kommentar zum Zollkodex, Art. 20, Rz. 13,) hätte nicht die Abgrenzung des Wortlauts der Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel zu dem Wortlaut der Position zum Gegenstand, sondern die Bedeutung der Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel einerseits sowie des Wortlauts der Position und der Anmerkung zu den Abschnitten oder Kapiteln der Kombinierten Nomenklatur andererseits. Dabei werde von der Literatur die systematische oder teleologische Auslegung ausdrücklich für zulässig erachtet.

Die Klägerin beantragt,

  • die verbindliche Zolltarifauskunft des Beklagten vom 23.11.1999 und die Einspruchsentscheidung vom 22.02.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Mikrotomklingen in die Code Nr. 9018.9085 einzureihen, hilfsweise die Revision zuzulassen;
  • sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bringt vor, dass Mikrotome in der Unterposition 9027 9010 namentlich genannt seien. Bei den Klingen handele es sich, wie auch die Klägerin einräume, um erkennbare Teile für Mikrotome. Diese Teile seien, weil sie sich nicht als Waren einer Position des Kapitels 90 oder das Kapitel 84, 85 oder 91 darstellten (so Anmerkung 2 a zu Kapitel 90), zu der Position für das Gerät zuzuweisen, für das sie bestimmt seien (so Anmerkung 2 b zu Kapitel 90). Für Teile von Mikrotomen sei die Unterposition 90279080 zutreffend. Die von der Klägerin eingeführte Einstufung von Waren in die Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte beziehungsweise die daraus resultierende nationale Gesetzgebung in Form des Medizinproduktegesetzes könne für Fragen der Tarifierung nicht herangezogen werden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.

Die Klage ist unbegründet. Die vom Beklagten vorgenommene Tarifierung ist nicht zu beanstanden.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH wie auch des BFH (vgl. EuGH-Urteil vom 20. Juli 1996 Rechtssache C-121/95 – Vobis–, EUGHE 1996 I-3047, Rz. 13; Urteil des BFH vom 15. November 1994 VII R 36/94, BFH/NV 1995, 846) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind. Dazu gibt es auch Erläuterungen, die für die Kombinierten Nomenklatur von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden und ein wichtiges, wenn auch nicht rechtsverbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen. Auf den Verwendungszweck darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterung dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. Urteil des BFH vom 8. Juni 1993 VII K 16/92, BFHE 172, 244).

2. Zutreffend hat der Beklagte daher auf AV 1 für das Harmonisierte System hingewiesen, wonach für die Einreihung der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln maßgebend ist. In die Position 9027 gehören nach dem eindeutigen Wortlaut der Position auch Mikrotome. Denn sie sind im Wortlaut der Position ausdrücklich aufgeführt. Weder die Anmerkung zu Kapiteln 90 noch die als Erkenntnismittel für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur heranzuziehenden Erläuterungen zu Position 9027 weisen Mikrotome für bestimmte Verwendungszwecke aus dieser Position aus.

Auch die Anmerkungen zu Kapitel 90 stützen dieses Ergebnis. Denn die Anmerkung 2 b) schreibt vorbehaltlich der Anmerkung 1, die hier nicht einschlägig ist, die Zuordnung von Teilen und Zubehör für Maschinen, Apparate etc. des Kapitels 90 zu dieser Position vor, wenn zu erkennen ist, dass sie ausschließlich oder hauptsächlich für eine bestimmte Maschine, einen bestimmten Apparat oder ein bestimmtes Gerät oder Instrument oder für mehrere Maschinen, Apparate, Geräte, oder Instrumente der gleichen Position bestimmt sind.

Bei der insoweit geforderten Verwendungseignung kommt es nicht auf den Verwendungszweck an, den der Zollbeteiligte der Ware beimisst, sondern auf die objektive Beschaffenheit der Ware (vgl. BFH, Urteil vom 21. April 1997 VII R 91/97, BFH/NV 1999, 234–236). Die Klingen sind nach dem Vortrag der Klägerin Einmalklingen, die aus Edelstahl bestehen, Ausstanzungen für die Befestigung am Mikrotomhalter haben und in Einheiten á 50 Stück geliefert werden. Damit sind die Klingen erkennbar für den Einsatz in Mikrotomen bestimmt. Unerheblich ist dagegen, ob ein Etikett „knife für medical use” auf der Verpackung der Ware oder anderweitig angebracht ist. Denn es kommt gerade auf die objektiven Eigenschaften der Ware an und nicht auf die bloße Etikettierung.

Auch der Verweis der Klägerin auf die Erläuterungen zu Position 9018 vermag nicht zu überzeugen. Wenn in den Erläuterungen zur Position 9018 bestimmte Waren in o) ausdrücklich als nicht zur Position 9018 gehörig bezeichnet werden, heißt dies nicht, dass ein Umkehrschluss möglich wäre, dass alle Vorrichtungen zur Untersuchung von Körperbestandteilen zu Position 9018 gehörten.

Zum einen ist bereits der Wortlaut der Anmerkungen nicht klar. Die Erläuterung stellt auf die Untersuchung von Blut, Urin usw. ab. Unter dem Begriff „usw.” kann aufgrund des systematischen Zusammenhangs in der Erläuterung auch Gewebe verstanden werden, für die die Mikrotome verwendet werden. Die Erläuterung stellen einen amtlichen Kommentar dar, kein Gesetz. Diese „Kommentierung” ist auch nicht wie ein Gesetz auslegbar. Der von der Klägerin insoweit vorgenommene Umkehrschluss hat daher keine Grundlage.

3. Auch unter Heranziehung der AV 3 ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Zunächst einmal ist bereits die Anwendbarkeit der AV 3 fraglich. Vor einer Anwendung der allgemeinen Vorschriften 2–5 ist immer zu prüfen, ob die vorliegende Ware mit all ihren tariflich relevanten Spezifika durch den Wortlaut einer Position erfasst wird, oder ob eine Anmerkung spezielle Anweisungen für die Einreihung gibt. Ein striktes Verbot der Anwendung dieser Allgemeinen Vorschriften besteht indessen, wenn der Wortlaut der betreffenden Positionen sowie gegebenenfalls Anmerkungen allein schon die Einreihung ermöglichen (vgl. Witte, Lehrbuch des europäischen Zollrechts, 2. Aufl., Rdnr. 1408). Bei der Einreihung ist nach AV 1 und 6 zunächst die zutreffende vierstellige Position unter Zuhilfenahme der Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln, hilfsweise unter Anwendung der AV 2 bis 5, zu ermitteln. Erst danach kann nach AV 1 Satz 2 i. V. m. AV 6 die zutreffende fünfstellige Unterposition, danach die sechsstellige Unterposition und erst dann die Unterposition der KN ermittelt werden (vgl. Alexander in Witte, Kommentar zum Zollkodex, 2. Aufl., Art. 20 Randziffer 13). Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich eine Einreihung in die vierstellige Nummer 9027, in die gerade ausdrücklich auch Mikrotome gehören. In der Position 9018 sind dagegen medizinische, chirurgische, zahnärztliche oder tierärztliche Instrumente. Apparate und Geräte einschließlich Szintigraphen und andere elektromedizinische Apparate und Geräte, sowie Apparate und Geräte zum Prüfen der Sehschärfe genannt. Während die Mikrotome in der Position 9027 ausdrücklich genannt sind, käme eine Einordnung in die von der Klägerin angestrebte Tarifpositionen nur als ungenauere Subsumtion unter den Begriff „ärztliches Instrument” in Betracht.

Selbst wenn AV 3 angewendet würde, würde daraus kein anderes Ergebnis folgen. Nach AV 3 geht die Position mit der genaueren Warenbezeichnung der Position mit der allgemeineren Warenbezeichnung vor, wenn bei der Einreihung von Waren mehrere Positionen in Betracht kommen. Die Bezeichnung Mikrotom jedoch ist jedenfalls genauer als „ärztliches Instrument”.

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass bei mehreren in Betracht kommenden Positionen, der Verwendungszweck massgeblich sei, wenn in einer Position auf die stoffliche Beschaffenheit und in einer anderen auf den Verwendungszweck abgestellt werde. Zum einen kommen nicht mehrere Positionen in Betracht, zum anderen stellen beide von der Klägerin für möglich gehaltenen Positionen auch auf den Zweck und nicht etwa auf die stoffliche Beschaffenheit der Klingen ab. Denn die Klingen sind Teile eines Mikrotoms und wurden als solche eintarifiert nicht etwa als Gegenstände aus Metall oder ähnliches. Damit wurde gerade eben nicht auf die stoffliche Beschaffenheit der Klingen abgestellt.

4. Unbeachtlich sind die von der Klägerin zitierten Regelungen des Medizinproduktegesetzes und die von der Klägerin zitierte Richtlinie 93/42/EWG vom 14. Juni 1993, in der Anforderungen an Medizinprodukte hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz aufgestellt worden sind. Die von der Klägerin zitierte Richtlinie soll eine Verbesserung der gemeinschaftsrechtlichen Standards bei der Anwendung von Medizinprodukten gewährleisten. Zu diesem Zweck war es erforderlich, den Anwendungsbereich der Harmonisierung festzulegen und sowohl den Produkt- als auch den Zubehörbegriff zu definieren. Die Begriffsbestimmung in Art. 1 Abs. 2 b dieser Richtlinie, wonach Zubehör ein Gegenstand ist, der selbst kein „Medizin-” Produkt ist, hat für die zolltarifliche Einreihung von Waren ersichtlich keine Bedeutung (vgl. insbesondere auch BFH Urteil vom 23. Juli 1998 VII R 91/97 BFH/NV 1999, 234–236). Dies belegt u. a. Anmerkung 2 a zu Kapitel 90 KN, wonach Zubehör, das sich als Ware einer Position der Kapitel 84, 85, 90 oder 91 KN darstellt, als eigenständige Ware einzureihen ist. Schon dies macht deutlich, dass die Richtlinie für Medizinprodukte für die Zuweisung zur KN nicht einschlägig ist (BFH a.a.O.).

Auch kann die Klägerin sich nicht auf den Grundsatz der Einheitlichkeit in der Rechtsordnung berufen, weil das Harmonisierte System ein internationales System ist und nicht erkennbar ist, dass der Richtliniengeber mit einer Richtlinie, die eine völlig andere Zielrichtung –die der Gesundheitsfürsorge– hat, in dieses System hat eingreifen wollen. In der Kombinierten Nomenklatur hat die Gemeinschaft alle Unterpositionen des Harmonisierten Systems übernommen. Nehmen Kommission oder Rat Anpassungen an den Text des HS vor oder ergänzen den Text um zusätzliche Anmerkungen, haben sie die dafür gesetzten Grenzen nach Art. 3 (1) des Übereinkommens über das Harmonisierte System zu beachten. Auch dieser Umstand spricht entscheidend dagegen, Richtlinien und Verordnungen, die sich nicht ausdrücklich mit dem Zolltarif beschäftigen, zur Interpretation des Zolltarifs heranzuziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Einer Entscheidung über die Notwendigkeit einer Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren bedurfte es nicht, da die Klägerin mit Ihrer Klage unterlegen ist.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

FG Brandenburg vom 14.03.2001
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