LG Hamburg: Übersetzungserfordernisse bei Parallelimport von In-vitro-Diagnostika

Es liegt kein Wettbewerbsverstoß beim Parallelimport und Vertrieb von In-vitro-Diagnostika vor, wenn auf diese Produkte zusätzlich zur Originalkennzeichnung Kennzeichnungen auf der Verpackung in deutscher Sprache angebracht werden und eine deutschsprachige Gebrauchsanleitung beigefügt wird. Eines auf den Umpackvorgang reduziertes Konformitätsbewertungsverfahren ist nicht möglich und würde dem Gedanken des freien Warenverkehrs zuwiderlaufen. Die Kontrolle, ob die Übersetzung korrekt erfolgt ist, ist den einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden überlassen.

LG Hamburg, Urteil v. 29.11.2011 – 407 HKO 17/11
§ 3 Nr. 15 Satz 1 u. 2 MPG, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, Richtlinie 98/79/EG (IVD)


Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatzfeststellung und Leistung von Schadensersatz im Zusammenhang mit durch die Beklagte parallel importierten … in Anspruch.

Das amerikanische Unternehmen L. Inc. ist Herstellerin von Teststreifen zur Blutzuckeruntersuchung in Selbstanwendung. Sie hat das für den Vertrieb in der EU erforderliche Konformitätsbewertungsverfahren durch ihre Bevollmächtigte, die Firma O., bei der T., später K., jetzt D., in den Niederlanden durchführen lassen. Die Teststreifen dürfen das CE-Kennzeichen führen.

Das Konformitätsbewertungsverfahren ist in englischer Sprache durchgeführt worden.

Die L. lässt ihre Produkte unter der Bezeichnung "C." und "O." in verschiedenen europäischen Ländern vertreiben. Die Produkte tragen jeweils die Kennzeichnung in der Landessprache; ihnen ist eine Gebrauchsanleitung in der jeweiligen Landessprache beigefügt.

Die Klägerin vertreibt "C." und "O." für die L. in Deutschland.

Die Beklagte importiert die Produkte "O." und "O." aus anderen EU-Staaten nach Deutschland und bringt sie hier mit einer deutschsprachigen Kennzeichnung und einer deutschsprachigen Gebrauchsanleitung auf den Markt. Sie orientiert sich bei den deutschen Texten an den von der Klägerin vertriebenen Produkten. Zum Zwecke der Anbringung der deutschen Kennzeichnung öffnet die Beklagte die Verpackungen. Sie bringt die Kennzeichnung auf den Röhrchen an, in denen sich die Teststreifen befinden, ferner auf der Umverpackung. Sie legt zusätzlich eine deutschsprachige Gebrauchsanleitung bei. Auf die Anlagen B 15a und b wird Bezug genommen.

Die Beklagte wendet seit spätestens 2008 ein Qualitätssicherungssystem an, für das sie am 24.4.2008 von der "m. GmbH", einer benannten Stelle im Sinne des Medizinproduktegesetzes, gemäß DIN ISO 13485 zertifiziert worden ist. Auf die Anlagen B 7 - B 10 wird Bezug genommen, ferner auf den Audit-Bericht gemäß Anlage B 12 vom 10.05.2011. Das Audit umfasste die Bereiche "Import, Vertrieb und Umverpackung von Medizinprodukten und IVD's, Handel mit Medizinprodukten, IVD's und Arzt- und Praxisbedarf". Der Audit-Bericht gibt die Empfehlung:

"DIN EN ISO 13485

Geltungsbereich

Import, Vertrieb und Umverpackung von Medizinprodukten und IVD's, Handel mit Medizinprodukten IVD's und Arzt- und Praxisbedarf".

Die Klägerin vertritt unter Berufung auf die den Parteien bekannte Entscheidung des BGH vom 12.5.2010, PharmR 2010, 485, die Ansicht, die Beklagte handele wettbewerbswidrig, da sie die parallel importierten Produkte vertreibt, ohne ein erneutes oder ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren bezogen auf die umgestaltete Packung und Gebrauchsanleitung sowie die Beschriftung der Röhrchen für die Teststreifen durchgeführt zu haben. Sie ist der Ansicht, das Qualitätssicherungssystem der Beklagten reiche nicht aus, um ein Konformitätsbewertungsverfahren zu ersetzen. Eine eigene Konformitätserklärung der Beklagten sei nicht statthaft.

Wegen des Produkts "O.", das die Beklagte importiert und in Deutschland weiter vertrieben hat, erwirkte die Klägerin die einstweilige Verfügung des LG Hamburg vom 08.03.2010, mit der der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten worden ist, in der Bundesrepublik Deutschland ein Medizinprodukt (Teststreifen zur Blutzuckermessung) mit der Kennzeichnung "O." und einer fremdsprachigen, d.h. nicht deutschsprachigen, Originalaufmachung mit einer umgestalteten Packung, Gebrauchsanweisung oder Beschriftung der Teststreifenröhrchen in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, ohne für dieses umverpackte Produkt im Hinblick auf vorstehend genannten Umpackvorgang eine ergänzende Konformitätsbewertung nach § 6 Abs. 2 MPG durchgeführt zu haben.

Die Beklagte gab daraufhin die Abschlusserklärung gemäß Anlage K 2 ab. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung bezüglich des Produkts "O." lehnte die Beklagte ab.

Die Klägerin beantragt,

1. der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, in der Bundesrepublik Deutschland ein Medizinprodukt (Teststreifen zur Blutzuckermessung) mit der Kennzeichnung "O." und einer fremdsprachigen, d.h. nicht deutschsprachigen, Originalaufmachung mit einer umgestalteten Packung, Gebrauchsanweisung oder Beschriftung der Teststreifenröhrchen in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, ohne für dieses umverpackte Produkt im Hinblick auf vorstehend genannten Umpackvorgang eine ergänzende Konformitätsbewertung nach § 6 Abs. 2 MPG durchgeführt zu haben;

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über den Umfang der der in Ziff. 1. bezeichneten Handlungen zu erteilen, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses, aus dem sich ergeben:

die jeweils bestellten und bezogenen Waren, aufgeschlüsselt nach Packungsgrößen sowie Nachbestell- und Lieferdaten und unter Angabe der gezahlten Einkaufspreise;

die Menge der hergestellten, von dritter Seite bestellten und ausgelieferten Fertigware, aufgeschlüsselt nach Herstellungs-, Bestell- und Auslieferungsdaten sowie unter Angabe erzielter Verkaufserlöse;

die Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren sowie der erzielte Gewinn,

und zwar unter Vorlage der entsprechenden Bestellschreiben, Einkaufsbelege, Rechnungen und Lieferscheine für den Einkauf und den Absatz, wobei Hinweise auf die Lieferanten und Vorbesitzer geschwärzt werden können;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, der dieser durch die in Ziff. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist;

4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über den Umfang der mit Beschluss vom 08.07.2010 - 327 O 439/10 - in Ziff. I. wie folgt bezeichneten Handlungen

Im Wege einer einstweiligen Verfügung - der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung - wird der Antragsgegnerin bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,-- €; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten, in der Bundesrepublik Deutschland ein Medizinprodukt (Teststreifen zur Blutzuckermessung) mit der Kennzeichnung "O." und einer fremdsprachigen, d.h. nicht deutschsprachigen, Originalaufmachung mit einer umgestalteten Packung, Gebrauchsanweisung oder Beschriftung der Teststreifenröhrchen in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, ohne für dieses umverpackte Produkt im Hinblick auf vorstehend genannten Umpackvorgang eine ergänzende Konformitätsbewertung nach § 6 Abs. 2 MPG durchgeführt zu haben, zu erteilen, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses, aus dem sich ergeben:

die jeweils bestellten und bezogenen Waren, aufgeschlüsselt nach Packungsgrößen sowie Nachbestell- und lieferdaten und unter Angabe der gezahlten Einkaufspreise;

die Menge der hergestellten, von dritter Seite bestellten und ausgelieferten Fertigware, aufgeschlüsselt nach Herstellungs-, Bestell- und Auslieferungsdaten sowie unter Angabe erzielter Verkaufserlöse;

die Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren sowie der erzielte Gewinn,

und zwar unter Vorlage der entsprechenden Bestellschreiben, Einkaufsbelege, Rechnungen und Lieferscheine für den Einkauf und den Absatz, wobei Hinweise auf die Lieferanten und Vorbesitzer geschwärzt werden können;

5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, der dieser durch den in Ziff. 4. zitierten Beschluss vom 08.07.2010 - 327 O 439/10 -, Ziff. I., bezeichneten Handlungen entstanden ist.

Den Klagantrag zu 6., die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die dieser entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.114,95 € zu erstatten, haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte die Kosten erstattet hat.

Die Beklagte beantragt bezüglich der Klaganträge zu 1.-5. Klageabweisung.

Sie trägt vor, sie habe stets in Übereinstimmung mit den nationalen Behörden und Institutionen gehandelt. Ein ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren für den Umpackvorgang, speziell für die Übersetzung der Produktinformation und der Gebrauchsanleitung sei nicht vorgesehen. Die D. habe mitgeteilt, dass auch für die deutschsprachigen von der Klägerin vertriebenen Produkte "O." und "O." keine auf die Übersetzungen bezogenen (ergänzenden) Konformitätsbewertungsverfahren stattgefunden hätten. Der Hersteller habe im Bewertungsverfahren auch keine Angaben zu den Staaten gemacht, in denen ein Vertrieb beabsichtigt gewesen sei. Bezüglich der streitgegenständlichen Produkte verhalte es sich so, dass der Beklagte den importierten Produkten deutsche Texte beifüge, die identisch seien mit den Texten der von der Klägerin im Inland vertriebenen Produkte.

Die Beklagte unterhalte ein Qualitätssicherungssystem, das die Anforderungen der IVD-Richtlinie erfülle. Sie wende das in Anhang III der IVD-Richtlinie geregelte Verfahren an, mit dem sie selbst sicherstelle, dass die von ihr vertriebenen Produkte den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen.

Wegen der Sachdarstellung im Übrigen, wegen der Rechtsausführungen und Beweisangebote der Parteien wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte nicht zu. Die Beklagte verstößt mit dem Import und dem Vertrieb der Produkte "O." und "O." im Inland nicht gegen Wettbewerbsrecht.

Die Anbringung von (zusätzlichen) Kennzeichnungen auf der Verpackung in deutscher Sprache und die Beifügung einer deutschsprachigen Gebrauchsanleitung stellt nach Auffassung des Gerichts im Streitfall kein Herrichten eines vorgefertigten Medizinprodukts zum Zwecke des erstmaligen Inverkehrbringens im Sinne von § 3 Nr. 15 Satz 2 MPG dar. § 3 Nr. 15 Satz 1 MPG beschreibt, wer Hersteller eines Medizinproduktes ist, nämlich die natürliche oder juristische Person, die für die Auslegung, Herstellung, Verpackung und Kennzeichnung eines Medizinproduktes im Hinblick auf das erstmalige Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich ist. Satz 2 legt fest, wen die Pflichten eines Herstellers treffen, ohne Hersteller zu sein. Dazu gehört derjenige, der ein vorgefertigtes Medizinprodukt zum erstmaligen Vertrieb herrichtet.

Diese Voraussetzungen treffen auf die Beklagte nicht zu.

Die Beklagte importiert ein bereits innerhalb der EU in den Verkehr gebrachtes, mit dem CE-Zeichen versehenes Medizinprodukt und vertreibt dieses innerhalb der EU weiter. Der erstmalige Vertrieb innerhalb der EU erfolgt bereits durch die L. bzw. durch ein von ihr beauftragtes Unternehmen.

Die Beklagte verändert das Medizinprodukt (die Teststreifen) nicht, packt es nicht (erstmalig) ab und kennzeichnet das Medizinprodukt auch nicht in eigener Zuständigkeit.

Ein Abpacken von Medizinprodukten liegt dann vor, wenn das Medizinprodukt (hier die Teststreifen) vom Hersteller oder einem Dritten mit Umhüllungen oder Verpackungen zum Zwecke der Abgabe an Endverbraucher versehen werden. Entsprechende Handlungen nimmt die Beklagte nicht vor; sie verpackt keine Medizinprodukte, sie bringt lediglich deutschsprachige Übersetzungen auf den Originalverpackungen an.

Hierin liegt auch keine Kennzeichnung des Medizinproduktes. Kennzeichnung im Sinne von § 3 Ziff. 15 MPG sind die originären Produktangaben des Herstellers einschließlich der Zweckbestimmung. Diese werden von der Beklagten nicht verändert. Dabei sieht es das Gericht als nicht weiter ausführungsbedürftig an, dass es lediglich um inhaltliche Veränderungen gehen kann, nicht um solche, die keinen Einfluss auf den Aussagegehalt haben. Solange dieser, insbesondere in Bezug auf die Zweckbestimmung, unverändert ist, ist auch das vertriebene Medizinprodukt mit dem ursprünglich in den Verkehr gebrachten identisch. Es verbleibt bei der Kennzeichnung durch den Hersteller; eine (eigene) Kennzeichnung durch die Beklagte gibt es nicht. Eine Übersetzung in die Sprache des Landes, in dem das importierte Medizinprodukt weiter vertrieben wird, stellt keine inhaltliche Veränderung dar, sondern nur die Übertragung der vom Hersteller vorgegebenen Aussagen in eine andere Sprache, ohne inhaltliche, insbesondere auf die Zweckbestimmung gerichtete Veränderung.

Soweit die Klägerin u.a. ausführt, die Angaben in der von der Beklagten angebrachten deutschsprachigen Kennzeichnung sei in zwei Fällen von denen der Klägerin abgewichen, so ist dieser Vortrag nicht relevant. Soweit es um das abweichende "Verfalldatum" geht, ist darauf hinzuweisen, dass es insoweit auf eine Übereinstimmung der Angaben auf den importierten Produkten mit der deutschen Fassung ankommt, nicht aber auf eine Übereinstimmung mit der von der Klägerin auf den von ihr vertriebenen Produkten verwendeten Information. Dass das von der Beklagten seinerzeit angegebene Verfalldatum nicht mit dem originär angegeben übereingestimmt habe, trägt die Klägerin nicht vor.

Entsprechendes gilt für die semantische Unterscheidung der Klägerin zwischen den Aussagen "Zum Selbsttest" und "Zur Selbstanwendung geeignet". Hierbei ist zusätzlich darauf hinzuweisen, dass die Teststreifen nicht ausschließlich zum Selbsttest in dem Sinne bestimmt sein dürften, dass allein der Patient sie benutzen dürfte, nicht aber beispielsweise ein Arzt, sei es auch nur zu Demonstrationszwecken, oder eine Pflegekraft.

Nach allem ist dieser Vortrag der Klägerin unbeachtlich.

Auch darüber hinaus kann nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe ein neues Medizinprodukt geschaffen, so dass sie zur Durchführung eines (neuen) Konformitätsbewertungsverfahrens verpflichtet sei. Was Produkt im Sinne des MPG ist, ist beschrieben in § 3 Ziff. 1 MPG (Medizinprodukt) und § 3 Ziff. 4 MPG (In-Vito-Diagnostikum). Nach der Definition des Gesetzes gehören hierzu weder die Verpackung noch die Gebrauchsanleitung.

Allerdings kommt der Gebrauchsanleitung bei In-Vitro-Diagnostika zur Selbstanwendung eine hohe Bedeutung zu. Eine exakte, leicht verständliche Gebrauchsanleitung ist für die sinnvolle Nutzung eines IVD zur Selbstanwendung unverzichtbar. Missverständnisse können fatale Folgen haben. Dies ist der Grund dafür, dass die IVD-Richtlinie für IVD zur Selbstanwendung eine Übersetzung in die Amtssprache desjenigen Landes zwingend vorsieht, in dem das IVD in den Verkehr gebracht wird.

Daraus ist allerdings nicht der Schluss zu ziehen, im Konformitätsbewertungsverfahren sei außer der Gebrauchsanleitung in der Verfahrenssprache auch die Übersetzung in die Amtssprachen derjenigen Länder zur Prüfung vorzulegen, in denen ein Vertrieb geplant ist.

Gegen eine solche Auslegung spricht, dass die Richtlinie in diesem Zusammenhang von Übersetzungen spricht, was nicht erforderlich wäre, wenn bereits originäre landessprachige Gebrauchsanweisungen vorlägen. Es ist die Rede davon, dass Produkte zur Eigenanwendung Übersetzungen der Gebrauchsanweisungen und der Etikettierung in der Amtssprache des Staates enthalten müssen, in denen die Endverbraucher das Produkt zur Eigenanwendung erhalten.

Dagegen spricht weiter, dass etwa eine benannte Stelle in den Niederlanden nicht zwingend in der Lage ist, sämtliche Sprachen der EU aus eigener Kompetenz zu beherrschen, um Etikettierung und Gebrauchsanleitung auf ihre Übereinstimmung mit dem Exemplar in der Verfahrenssprache zu überprüfen - und zwar bei jeder inhaltlichen Änderung. Dem Bedürfnis nach korrekter Übersetzung von Kennzeichnung und Gebrauchsanleitung von zertifizierten Medizinprodukten kann dadurch Rechnung getragen werden, dass Parallelimporteure nachweisen, dass sie die Gewähr dafür bieten, korrekte Übersetzungen anzubringen und ein entsprechendes Qualitätssicherungssystem installieren. Eines auf den Umpackvorgang reduzierten Konformitätsbewertungsverfahrens - das es im Übrigen nicht gibt - bedarf es nicht. Ein vollständiges Konformitätsbewertungsverfahren ist vorliegend nicht möglich, da die Beklagte nicht Herstellerin des Medizinprodukts ist.

Die Kontrolle, ob die Übersetzungen in die Landessprache korrekt erfolgt sind, ist den einzelstaatlichen Aufsichtsbehörden überlassen, die auch in solchen Fällen berufen sind, in denen die Forderung einer Übersetzung den einzelnen Staaten vorbehalten ist.

Die Forderung, ein erneutes Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen, liefe im Übrigen dem Gedanken des freien Warenverkehrs zuwider, der u.a. im Erwägungsgrund 1 der IVD-Richtlinie zum Ausdruck kommt, da hierzu die Beklagte - und andere Parallelimporteure - nicht in der Lage sind und damit vom Import ausgeschlossen wären.

Dieser Gedanke ist auch unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes bei der Frage von adäquaten Lösungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Im konkreten Fall ist, nachdem eine benannte Stelle das Qualitätssicherungssystem der Beklagten zertifiziert hat, davon auszugehen, dass die Beklagte die Gewähr dafür bietet, die Gebrauchsanleitungen und Kennzeichnungen der Klägerin 1:1 zu übernehmen, womit der Sicherheit Genüge getan ist. Dies ist gleichzusetzen mit einem Konformitätsbewertungsverfahren bezüglich des so genannten Umpackvorganges. Die Kammer geht nämlich mangels eines entgegenstehenden Vortrags der Klägerin davon aus, dass ihre deutschen Versionen der Kennzeichnung und Gebrauchsanleitung denjenigen entsprechen, die Gegenstand des Konformitätsbewertungsverfahrens und der CE-Kennzeichnung waren.

Soweit Abweichungen im Text festgestellt worden sind, sind diese - wie oben ausgeführt worden ist - nicht relevant.

Sofern die Klägerin darauf hinweist, das Qualitätssicherungssystem der Beklagten umfasse nicht den Bereich der Herstellung, somit würden die Anforderungen des BGH nicht erfüllt, ist darauf hinzuweisen, dass der BGH die Herstellereigenschaft aus dem konkreten "Umpackvorgang" herleitet. Das hat die Konsequenz, dass bei dieser Betrachtungsweise die Zertifizierung des "Umverpackens" zugleich als Zertifizierung des hieraus abgeleiteten Herstellens anzusehen ist.

Es besteht nach allem kein Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte. Die Annexansprüche stehen der Klägerin daher ebenfalls nicht zu.

Dies gilt auch in Bezug auf das Produkt "O.".

Da die Beklagte im Hinblick auf die Konformitätsbewertung nicht anders betrachtet werden kann als die Herstellerin und die Klägerin, kann die Beklagte keine Auskünfte über vermeintlich wettbewerbswidrig vertriebene IVD machen, Von einem wettbewerbswidrigen, zum Schadensersatz verpflichtenden Verhalten der Beklagten kann nach den obigen Ausführungen schon mangels eines Verschuldens der Beklagten nicht ausgegangen werden. Die Beklagte agierte in Übereinstimmung mit den Aufsichtsbehörden und durfte von der Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens ausgehen. Ihr Vorgehen entsprach allgemeiner Übung. Nach der Gesetzeslage ist kein Konformitätsbewertungsverfahren für Importe von IVD zur Selbstanwendung aus der EU gefordert, sondern lediglich eine Übersetzung der relevanten Informationen in die Landessprache.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Das Unterliegen wegen der im Ergebnis anerkannten Abmahnkosten ist als verhältnismäßig geringfügig anzusehen.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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