VG Köln: Die nationalen Behörden sind durch die Einstufung eines Produktes als Medizinprodukt durch benannte Stellen anderer Mitgliedstaaten nicht daran gehindert, dieses Produkt anders (hier: als Arzneimittel) zu qualifizieren.

In den Mitgliedstaaten sind unterschiedliche Qualifikationen desselben Produktes gemeinschaftsrechtlich möglich.

Die Untersagung des Inverkehrbringens eines als Medizinprodukt gekennzeichneten Arzneimittels (hier: wirkstoffhaltiges Pflaster) erfolgt nach Arzneimittelrecht.

Der Vorrang arzneimittelrechtlicher Vorschriften für Produkte, die zumindest auch die Definition eines “Arzneimittels” erfüllen, folgt aus Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG

Die Untersagung des Inverkehrbringens eines Arzneimittels kann auch gegenüber einem nationalen Vertriebsunternehmen erfolgen.

Ein Pflaster mit bestimmten Wirkstoffen (hier: Kampfer, L-Menthol, Minzöl und Eukalyptusöl) ist als Arzneimittel zu qualifizieren, wenn es seine bestimmungsgemäße Hauptwirkung auf pharmakologischem oder immunologischem Weg oder durch Metabolismus erreicht.

VG Köln, Urteil v. 25.08.2006 – 18 K 1232/06
Instanzen:
OVG Nordrhein-Westfalen - 13 A 3903/06
AMG § 69 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
AMG § 21 Abs. 1
AMG § 2 Abs. 1
AMG § 4 Abs. 1
MPG § 36
MPG § 27 Abs. 2
MPG § 27 Abs. 1 S. 3
MPG § 5
MPG § 27 Abs. 2
MPG § 2 Abs. 3


Erledigungsvermerk: nicht rechtskräftig (s. Nachinstanz)

Tatbestand:

Das Verfahren betrifft die Frage, ob die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 15.12.2005, mit der der Klägerin das Inverkehrbringen des Produkts "U.C. Medizinisches Pflaster" untersagt wurde, rechtmäßig ist.

Herstellerin des Produkts ist die Firma I. in Singapur. Unter dem 8.9.1999 zeigte sie der Beklagten das Inverkehrbringen des Pflasters in Deutschland als Medizinprodukt an. Als Bevollmächtigter war Dr. K.I1. angegeben, ein Mitarbeiter der Klägerin. Die Kurzbeschreibung des Produkts lautet: "U.C. Pflaster wird gezielt zur lokalen Therapie von Muskel- und Gelenkschmerzen angewendet wie überanstrengten und schmerzenden Muskeln, steifer Schulter, Rückenschmerzen und Schmerzen aufgrund von Prellungen, Zerrungen und Arthritis." 100 g der auf ein Pflaster aufgebrachten Paste enthalten 1 % Kampfer, 0,3 % L-Menthol, 0,6 % Minzöl sowie 0,5 % Eukalyptusöl. Unter dem 16.2.2000 erklärte Dr. I1., das Produkt entspreche der serienmäßigen Ausführung gem. der EG-Richtlinie 93/42/EWG Anhang 1 und es werde die Klassifizierung "Klasse I" angewendet. Unter dem 31.7.2000 bestätigte die TÜV-Rheinland Product Safety GmbH der Klägerin diese Einstufung.

Im August 2000 übersandte Dr. 11. der Beklagten eine Stellungnahme zur Einstufung des Pflasters als Medizinprodukt und berief sich zum Wirkmechanismus von Menthol und Minzöl auf eine Arbeit von Eccles aus dem Jahr 1994 (Menthol and Related Cooling Compounds). Ein Produkt mit Kampfer, Menthol und ätherischen Ölen sei nicht automatisch ein Arzneimittel. Es könne nicht nur ein Kosmetikum, sondern auch ein Medizinprodukt sein. Der genaue Wirkmechanismus für ätherische Öle sei nicht bekannt. Die Inhaltsstoffe des Pflasters und deren Konzentration übten wie bei den Medizinprodukten "U.C. weiß" und "U.C. rot" eine elektrophysiologische Beeinflussung im physikalischen Sinne der Wärme-/Kälterezeptoren der Haut aus, ohne dass eine Resorption von Menthol, Kampfer oder ätherischen Ölen hierfür erforderlich sei. Eine pharmakologische Wirkung im klassischen Sinne liege nicht vor.

Die Produkte "U.C. weiß" und "U.C. rot" sind mittlerweile als Arzneimittel unter den Zulassungsnummern 3110.00.00 und 6608.00.00 zugelassen.

Mit Schreiben vom 13.10.2000 teilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) der Beklagten auf deren Ersuchen mit, es handele sich bei den Inhaltsstoffen des Pflasters um Arzneistoffe, weil sie pharmakologisch wirkten. Das Produkt werde daher als Arzneimittel-/Medizinprodukt-Kombination i.S.d. § 2 Abs. 3 MPG eingestuft.

Im April 2001 wies die Klägerin darauf hin, dass sowohl die Medical Devices Agency (MDA) in London als auch der TÜV Rheinland und der TÜV Österreich das Pflaster aufgrund ihrer Angaben als Medizinprodukt eingestuft hätten. Im Juni 2001 übermittelte das BfArM der Beklagten die E-Mail einer griechischen Behörde, die zu dem Pflaster die Auffassung vertrat, es handele sich nicht um ein Medizinprodukt. Das Produkt befinde sich im griechischen Markt und trage ein CE-Zeichen der "Klasse I", ausgestellt von einer deutschen Stelle.

Mit einer weiteren Stellungnahme vom 4.7.2001 teilte das BfArM der Beklagten mit, alle vier Bestandteile des Produkts seien arzneilich wirksam. Minzöl und Menthol wirkten kühlend über eine Erregung der Kaltrezeptoren der Haut und nicht physikalisch. Ebenso wiesen Kampfer und Eukalyptusöl pharmakologische Wirkungen auf, die therapeutisch genutzt werden könnten. Allerdings wirkten diese Bestandteile, wie den entsprechenden Aufbereitungsmonographien der Kommission E zu entnehmen sei, primär hyperämisierend. Zwar lägen die Konzentrationen von Kampfer und Eukalyptusöl unter den rechnerisch für Salben geltenden Konzentrationen von 5 % für Kampfer und 2,5 % für Eukalyptusöl. Eine pharmakologische Wirkung sei trotzdem zu vermuten. Hierfür spreche insb., dass die Wirkstoffe wegen der Anwendungsart "Pflaster" über die gesamte Zeit über die Haut aufgenommen und nicht versehentlich durch Abwischen entfernt werden könnten.

Mit Anhörungsschreiben vom 7.1.2002 teilte die Beklagte der Klägerin ihre Absicht mit, den Vertrieb des Produkts gem. § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 21, § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 AMG zu untersagen, den Rückruf des Produkts anzuordnen sowie ein Zwangsgeld gem. §§ 55, 60 und 63 VwVG NRW i.H.v. 10.000 DM für den Fall der Zuwiderhandlung anzudrohen. Zur Begründung gab sie an: Das Präparat sei ein Arzneimittel und kein Medizinprodukt. Von ihm gehe eine pharmakologische Wirkung aus. Diese Auffassung stützten die Stellungnahmen des BfArM sowie veröffentlichte Studien. Die Einstufungen des TÜV-Rheinland und des TÜV-Österreich als Medizinprodukt seien nicht haltbar, weil sie auf den eigenen Angaben der Klägerin beruhten. Die griechische Behörde habe dieses Produkt hingegen wegen seiner pharmakologischen Wirkung als Arzneimittel eingestuft.

Mit Schreiben vom 25.2.2002 vertrat die Klägerin die Auffassung, von dem Produkt gehe keine pharmakologische, sondern eine physikalische Wirkung aus. Der Temperatursinn befähige Menschen, unterschiedliche Temperaturen physikalisch wahrzunehmen. Das Pflaster besitze bereits wegen der neutralen Pastengrundlage einen kühlenden Effekt, der durch die geringe Konzentration ätherischer Öle über Verdunstungskälte unterstützt werde. Die topische Wirkung ätherischer Öle sei konzentrationsabhängig. Die Erregung der Kälterezeptoren könne nur durch thermische Reize ausgelöst werden. Hierzu zähle auch die Verdunstungskälte, die durch geringe Konzentration ätherischer Öle auf der intakten Haut ausgelöst werde. Da die Paste des Produkts über einen längeren Zeitraum auf Kälterezeptoren einwirke, seien graduell abgeschwächte, aber durchaus vergleichbare Effekte wie bei der Eistherapie zu erzielen.

Das BfArM gab unter dem 23.4.2002 eine weitere Stellungnahme ab, in der es heißt: Minzöl und Menthol führten über eine Erregung der Kaltrezeptoren in Haut und Schleimhäuten zu einer vorrübergehenden Kontraktion peripherer Gefäße; dabei komme es zu einer nachfolgenden Auslösung eines langanhaltenden Kältegefühls im Bereich der Applikation. Die Erregung der Kälterezeptoren sowie die auftretende Hyperämie durch Kampfer und Eukalyptusöl seien eine pharmakologische Wirkung, die das Pflaster allein nicht hervorzurufen vermöge.

Unter dem 29.5.2002 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass von ihr kein Medizinprodukt mehr als "Verantwortliche für das erstmalige Inverkehrbringen" in den Verkehr gebracht werde. Zwischenzeitlich sei die Firma O. in den Niederlanden von der Herstellerin als Verantwortliche für das erstmalige Inverkehrbringen benannt worden.

Unter dem 4.4.2004 übersandte das Ministerium für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen der Beklagten die Kopie eines an die Firma O. gerichteten Schreibens der niederländischen Behörde Staatstoezicht op de Volksgozondheid vom 20.5.2003. Mit diesem Schreiben teilte die niederländische Behörde mit, dass das Produkt als Medizinprodukt der "Klasse I" der Gesundheitsbehörde angemeldet worden sei und sie dies zur Kenntnis nehme. In einem Schreiben der niederländischen Behörde an das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherheit vom 15.1.2004 heißt es, das Pflaster werde als Medizinprodukt der "Klasse I" eingestuft; es sei im Rahmen einer Überprüfung festgestellt worden, dass das Pflaster keine pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Wirkungen habe.

Mit Schreiben vom 20.9.2005 stufte das BfArM das Produkt wiederum als Arzneimittel ein. Es handele sich bei den Effekten der Inhaltsstoffe eindeutig um rezeptorvermittelte pharmakologische Wirkungen. Aufgrund der okklusiven Anwendung als Pflaster sei mit einem wesentlich verstärkten Effekt ggü. dem Effekt der Salbe zu rechnen.

Mit Ordnungsverfügung vom 20.12.2005 untersagte die Beklagte der Klägerin das Inverkehrbringen des Produkts, ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an und führte zur Begründung aus: Ermächtigungsgrundlage für die Maßnahme sei § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 AMG. Das Produkt sei auf Grund seiner pharmakologischen Wirkung ein Fertigarzneimittel. Da das Arzneimittel ohne erforderliche Zulassung in den Verkehr gebracht werde, liege ein Verstoß gegen § 21 AMG vor. Die Untersagungsverfügung sei verhältnismäßig.

Die Klägerin erhob gegen die Ordnungsverfügung Widerspruch und beantragte die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (18 L 2075/05). Nachdem die Beklagte die sofortige Vollziehung aufgehoben hatte, erklärten die Beteiligten das einstweilige Rechtsschutzverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3.2.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus: In Fällen, in denen die Abgrenzung zwischen einem Arzneimittel und einem Medizinprodukt streitig sei, bestehe gem. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 EG i.V.m. der Richtlinie 2004/27/EG ein Vorrang der arzneimittelrechtlichen Vorschriften.

Die Klägerin hat am 1.3.2006 Klage erhoben und trägt zur Begründung der Klage vor:

Die Beklagte sei für den Erlass der Ordnungsverfügung nicht zuständig. Allein das niederländische Gesundheitsministerium sei befugt, das Inverkehrbringen des Produkts nach Art. 18 i.V.m. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 93/42/EWG zu untersagen. Werde ein Nicht-Medizinprodukt fälschlicherweise als Medizinprodukt mit einer CE-Kennzeichnung in den Verkehr gebracht, sei der Hersteller oder sein in der Gemeinschaft ansässiger Bevollmächtigter verpflichtet, diesen Verstoß zu verhindern. Anderenfalls würden ihm ggü. als derjenigen Person, die die CE-Kennzeichnung angebracht habe, die erforderlichen Maßnahmen ergriffen. Es sei grundsätzlich nur die Behörde zum Einschreiten ermächtigt, in deren Hoheitsgebiet die für das erstmalige Inverkehrbringen verantwortliche Person ihren Sitz habe. Die Beklagte hätte in diesem Verfahren nach Maßgabe des § 36 MPG mit der niederländischen Behörde zusammenarbeiten müssen, um eine einheitliche Anwendung der Vorschriften über Medizinprodukte zu erreichen. Die Beklagte hätte auch nach § 27 Abs. 2 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 3 MPG die zuständigen nationalen Behörden und die Behörden der anderen Vertragsstaaten sowie die Kommission der EG unterrichten müssen. Die Klägerin sei zudem die falsche Adressatin der Ordnungsverfügung. Sie sei nicht die Verantwortliche für das erstmalige Inverkehrbringen in Sinne von § 5 MPG, sondern die Firma O.

Werde der - fehlerhafte - Ansatz der Beklagten als zutreffend unterstellt, sei § 27 Abs. 2 MPG als Ermächtigungsgrundlage maßgeblich. § 27 Abs. 2 MPG betreffe Fälle, in denen die CE-Kennzeichnung als Medizinprodukt auf einem Produkt angebracht sei, das kein Medizinprodukt sei. So liege es hier. Das medizinische Pflaster sei ein Medizinprodukt und kein Arzneimittel. Die Grenzziehung auf der Grundlage einer pharmakologischen Wirkung sei schwierig. Die Inhaltsstoffe des Produkts seien in mehreren verschiedenen Produktkategorien vorhanden. Menthol und Minzöl fänden sich in Hustenbonbons und Tees; auch dürften Erfrischungstüchern, die als Kosmetika vertrieben würden, bis zu 2 % Parfümöle zugesetzt werden. Die von der Beklagten als Vergleich herangezogenen Arzneimittel "U.C. rot" und "U.C. weiß" seien Salben, die eine andere Zusammensetzung aufwiesen. Die Annahme der Beklagten, die in dem Pflaster enthaltene erheblich niedrigere Wirkstoffmenge sei nicht erheblich, sei unzutreffend. Ihre Argumentation, der geringe Gehalt an Inhaltsstoffen werde kompensiert, weil bei dem Pflaster ein Abwischen nicht möglich sei, werde in der medizinisch- pharmakologischen Wissenschaft nicht vertreten. Ebenso sei die Auffassung unzutreffend, der niedrigere Gehalt der in dem Pflaster enthaltenen Inhaltsstoffe werde wegen des wesentlich verstärkten Effekts der okklusiven Anwendung als Pflaster sogar noch überkompensiert. Dabei bleibe die Luftdurchlässigkeit des Baumwollvlieses unberücksichtigt. Die Beklagte verkenne das Wirkprinzip des Pflasters, das auf dem physikalischen Prinzip der Erzeugung von Verdunstungskälte beruhe. Seine Wirkung sei auf die lokale Verstärkung der Durchblutung im Sinne der Reflextherapie zurückzuführen; durch verstärkte Oberflächenreize erfolge eine reflektorische Steigerung der Durchblutung in tieferen Schichten. Auf diesem Mechanismus baue auch das Produkt "Evai japanisches Kältetuch" mit 0,5 % Menthol als Inhaltsstoff auf, das in Deutschland als Medizinprodukt der "Klasse I" vertrieben werde.

Der Bewertung des Pflasters als Medizinprodukt stehe nicht die von der Beklagten herangezogene "Zweifelsfallregelung" des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG i.V.m. der Richtlinie 2004/27/EG entgegen. Ein Zweifelsfall liege hier nicht vor. Die Untersagungsverfügung verstoße auch gegen die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 EG. Der Rechtfertigungsgrund des Art. 30 EG greife nur dann ein, wenn es sich um eine Maßnahme im nicht vollständig harmonisierten Bereich handele. Anderenfalls regelten die Vorschriften des vollharmonisierten Bereichs umfassend und zugleich abschließend die Zulässigkeit eines staatlichen Handelns, das die Wettbewerbs- und Warenverkehrsfreiheit zum Schutze der Gesundheit behindere. Das hier einschlägige Medizinprodukterecht bilde einen gemeinschaftsrechtlich vollständig harmonisierten Rechtsbereich. Schließlich spreche alles für die Pflicht der Kammer, das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof gem. Artikel 234 EG vorzulegen.

Die Klägerin beantragt, die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 15.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.2.2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt ihre bisherigen Erwägungen und trägt ergänzend vor:

Entgegen der Auffassung sei nicht § 27 Abs. 2 MPG Ermächtigungsgrundlage für die Ordnungsverfügung. Es gehe nicht um die Untersagung des Inverkehrbringens des Pflasters wegen unzulässiger Anbringung der CE-Kennzeichnung, sondern um die Untersagung des Inverkehrbringens eines nicht zugelassenen Arzneimittels.

Abgrenzungskriterium zwischen Arzneimitteln und Medizinprodukten sei die Wirkweise, mit der die bestimmungsgemäße Hauptwirkung erzielt werde. Medizinprodukte wirkten überwiegend physikalisch und nicht überwiegend pharmakologisch wie Arzneimittel. Der Leitfaden MEDDEV 2.1/3 rev. 2 der Europäischen Kommission, der die Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Medizinprodukten behandele, enthalte zur Abgrenzung der aufgeworfenen Frage eine konkrete Definition. Danach sei unter pharmakologischer Wirkung eine Wechselwirkung zwischen den Molekülen der in Frage stehenden Substanz und einem zellulären Bestandteil, gewöhnlich als Rezeptor bezeichnet, zu verstehen, die entweder in einer direkten Reaktion resultiere oder die die Reaktion eines anderen Agens blockiere. Das Vorhandensein einer Dosis-Wirkung-Beziehung stelle dabei, obwohl sie kein vollständig verlässliches Kriterium sei, einen Hinweis auf einen pharmakologischen Effekt dar. Die in dem Produkt enthaltenen Stoffe entfalteten ihre Wirkung bei Anwendung dieses Maßstabes nur auf pharmakologische Weise. Der kühlende Effekt komme durch eine Wechselwirkung der Stoffe mit dem Rezeptor zustande. Entgegen der Auffassung der Klägerin könne die Medizinprodukteeigenschaft nicht auf einen rein physikalischen Verdunstungseffekt als überwiegende Wirkweise gegründet werden. Der Verdunstungseffekt sei so gering, dass er keinen signifikanten Wirkungsbeitrag leiste. Der kühlende Effekt der Verdunstung der Substanzen entspreche der eines auf der gleichen Hautfläche verteilten verdunstenden Tropfen Wassers.

Das LG Hamburg sei bei einem vergleichbaren Produkt, das unter der Bezeichnung N. in den Verkehr gebracht werde, in dem Urteil vom 25.6.2002 (312 O 255/01) ebenfalls zu der Auffassung gelangt, dass es sich auf Grund seiner pharmakologischen Wirkung um ein Arzneimittel handele. Das dort erstellte Sachverständigengutachten sei auch im vorliegenden Verfahren aussagekräftig.

Letztlich wisse auch die Klägerin um die Eigenschaft des Produktes als Arzneimittel. Sie bringe auch einen als Arzneimittel zugelassenen Franzbranntwein unter der Bezeichnung "H.N1." in den Verkehr. In der eigenen aktuellen Fachinformation würden die pharmakologischen Eigenschaften der arzneilich wirksamen Bestandteile Menthol und Kampfer in der Weise beschrieben, dass Menthol über die Erregung der Kälterezeptoren kühlend wirke und darüber hinaus eine lokal anästhetische Wirkung besitze. Kampfer wirke hyperämisierend.

Auf Grund des Beweisbeschlusses vom 5.5.2006 hat die Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 25.8.2006 Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Gutachtens der Sachverständigen Frau Dr. T. Zu den Beweisfragen im Einzelnen und ihrer Beantwortung wird verwiesen auf den Beweisbeschluss und den Inhalt der Sitzungsniederschrift.

Des Weiteren hat die Klägerin Beweisanträge gestellt, die die Kammer aus den in der Sitzungsniederschrift niedergelegten Gründen, auf die Bezug genommen wird, abgelehnt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtakte in diesem Verfahren und in dem Verfahren 18 L 2075/05 sowie auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Untersagungsverfügung der Beklagten vom 15.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.2.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die angefochtene Ordnungsverfügung hat ihre Rechtsgrundlage in § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes vom 24.8.1976 i.d.F. des Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes - AMG - vom 29.8.2005 i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung des Arzneimittelgesetzes vom 12.12.2005 (BGBl. I S. 3394).

Die Untersagungsverfügung ist formell rechtmäßig. Insbesondere war die Beklagte nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. 11. und 6. Spiegelstrich der Verordnung über Zuständigkeiten im Arzneimittelwesen und nach dem Medizinproduktegesetz vom 11.12.1990 (GV. NW. 1990 S. 659, zuletzt geändert durch VO v. 30.11.2004, GV. NRW, S. 746) für den Erlass der auf das Arzneimittelgesetz gestützten Untersagungsverfügung sachlich zuständig.

Die Beklagte durfte das Arzneimittelgesetz auch anwenden und musste die Ordnungsverfügung nicht auf das Gesetz über Medizinprodukte - MPG - vom 2.8.1994 i.d.F. der Bekanntmachung vom 7.8.2002 (BGBl. I S. 3146), geändert durch die achte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 25.11.2003 (BGBl. I S. 2304, 2316) stützen. Die Kammer braucht daher nicht zu entscheiden, ob die Untersagungsverfügung ihre Rechtfertigung im Zusammenhang mit der Durchführung der Überwachung von Medizinprodukten auch in § 26 Abs. 2 oder bezogen auf ein Verfahren bei unzulässiger Anbringung der CE-Kennzeichnung in § 27 Abs. 2 oder schließlich anlässlich eines Verfahrens zum Schutze vor Risiken, weil das Pflaster ein zulassungspflichtiges, aber nicht zugelassenes Arzneimittel ist, in § 28 Abs. 1 und 2 MPG hätte finden können. Diese Bestimmungen des Gesetzes über Medizinprodukte sind Umsetzungen der Vorgaben der Art. 8 Abs. 1 Satz 1, Art. 14b und Art. 18 der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14.6.1993 über Medizinprodukte (ABl. EG Nr. L 169, S. 1: aktuelle Fassung unter http://europa.eu.int/eurlex/de/consleg/pdf/19937de_1993L0042_do_001.pdf). Die Beklagte wäre für den Erlass von entsprechenden Maßnahmen nach § 27 Abs. 2 MPG auch zuständig gewesen (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 6 der Verordnung über Zuständigkeiten im Arzneimittelwesen und nach dem Medizinproduktegesetz). Zu all diesen Fragen muss sich die Kammer allerdings wegen des hier gegebenen Vorrangs der arzneimittelrechtlichen Vorschriften nicht abschließend verhalten.

Die Anwendbarkeit und der Vorrang arzneimittelrechtlicher Vorschriften folgt aus Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG i.d.F., die er durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel vom 31.3.2004 erhalten hat. Danach gilt in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von "Arzneimittel" als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist, diese Richtlinie (2001/83/EG).

Vgl. EuGH, Urt. v. 9.6.2005 - C-211/03 u.a. - (HLH und Orthica), LRE 50, 331 ff., Rz. 44; OVG NRW, Urt. v. 10.11.2005 - 13 A 463/03 -, LRE 51, 287 und Urteile vom 17.3.2006 - 13 A 2098/02, 13 A 2095/02 und 13 A 1977/02 -, JURIS.

Der sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebende Vorrang der arzneimittelrechtlichen Vorschriften ist nicht willkürlich. Er entspricht dem Zweck des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, da die Bestimmungen für Arzneimittel in Anbetracht der besonderen Gefahren, die diese Erzeugnisse für die öffentliche Gesundheit mit sich bringen können, strenger sind als für andere Erzeugnisse, von denen solche Gefahren im Allgemeinen nicht ausgehen. Dementsprechend wird in Satz 1 der 4. Begründungserwägung der Richtlinie 2004/27/EG ausdrücklich hervorgehoben, dass alle Vorschriften auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Humanarzneimitteln in erster Linie dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienen (sollen), und eingangs der 7. Begründungserwägung wird u.a. der hohe Standard bei der Sicherheit von Humanarzneimitteln betont. Etwa betroffene Wirtschafts- und Handelsinteressen sind demgegenüber grundsätzlich nachrangig.

Vgl. OVG NRW, Urt. v. 10.11.2005 - 13 A 463/03 -, LRE 51, 287 und Urteile vom 17.3.2006 - 13 A 2098/02, 13 A 2095/02 und 13 A 1977/02 -, JURIS, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH.

Außerdem folgt aus dem 6. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte, dass in dem Fall der Einheit eines Medizinproduktes mit einem Arzneimittel, das ausschließlich zur Verwendung in der vorgegebenen Kombination bestimmt und nicht wiederverwendbar ist, diese feste Einheit der Richtlinie 65/65 EWG zum Arzneimittelrecht unterliegt. Art. 1 Abs. 5c der Richtlinie 93/42/EWG bestimmt ferner, dass diese Richtlinie schließlich nicht für Arzneimittel gilt. Die Rückausnahme nach dem 6. Erwägungsgrund und Art. 1 Abs. 4 ist nicht einschlägig. Danach findet die Richtlinie 93/42/EWG gleichwohl Anwendung, wenn das Medizinprodukt als Bestandteil einen Stoff enthält, der - gesondert verwendet - als Arzneimittel ... betrachtet werden kann und in Ergänzung zu dem Medizinprodukt eine Wirkung auf den menschlichen Körper entfalten kann. So liegt es hier nicht, weil das Pflaster ohne seine Inhaltsstoffe auf den menschlichen Körper keine Wirkung entfaltet. Die in ihrer Wirkung hier umstrittenen Inhaltsstoffe des Pflasters können daher keine (lediglich) ergänzende Wirkung auf den Körper haben.

Das Gesetz über Medizinprodukte strebt zwar ebenso wie das Arzneimittelgesetz den Schutz für Patienten, Anwender und Dritte an (vgl. den 5. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/42/EWG). Die Schutzintensität ist wegen des bloßen Konformitätsbewertungsverfahrens geringer als die nach Maßgabe des Arzneimittelgesetzes. Für Produkte der "Klasse I" kann jedes Verfahren generell unter der alleinigen Verantwortung des Herstellers erfolgen, weil der Grad der Verletzbarkeit durch diese Produkte gering ist (vgl. den 15. Erwägungsgrund der Richtlinie). Die Frage, ob es sich um ein Medizinprodukt i.S.d. Gesetzes über Medizinprodukte handelt, wird in erster Linie sogar vom Hersteller durch den von ihm festgelegten Zweck auf der Grundlage der Definition in § 3 MPG beantwortet.

Vgl. Schorn, Medizinprodukterecht, Kommentar, Band 3, Stand: Februar 2004, § 2 Rz. 6.

Aus der Vorrangregelung ergibt sich auch, dass der Zuständigkeit der Beklagten zum Erlass der streitigen arzneimittelrechtlichen Ordnungsverfügung nicht der Umstand entgegensteht, dass die Firma O. in den Niederlanden von der Herstellerin als Verantwortliche für das erstmalige Inverkehrbringen benannt worden ist und die Firma O. der niederländischen Behörde Staatstoezicht op de Volksgozondheid das Pflaster als Medizinprodukt angezeigt hat. Hieraus folgt nicht eine ausschließliche Zuständigkeit einer niederländischen Behörde zum Einschreiten im Wege der Untersagung des Inverkehrbringens des Produkts. Für eine solche Zuständigkeitskonzentration gibt es im geltenden nationalen und im Gemeinschaftsrecht keine Grundlage.

Das CE-Kennzeichen gilt rechtlich als ein Verwaltungszeichen, das deklaratorisch den zuständigen Überwachungsbehörden die EG-Konformität und Verkehrsfähigkeit des so gekennzeichneten Produkts im Europäischen Wirtschaftsraum anzeigt.

Vgl. OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 21.1.1999 - 6 U 71/98 -, Pharma Recht 2000, 17, 20.

Bei dem gegebenen Stand des Gemeinschaftsrechts sind unterschiedliche Qualifikationen von Produkten in den Nationalstaaten gemeinschaftsrechtlich möglich. Sogar in den Fällen, in denen nach Maßgabe des § 13 Abs. 2 MPG die zuständige Stelle über die Frage der Klassifizierung des Medizinproduktes entscheidet, ist eine anderslautende Klassifizierung in einem Mitgliedstaat zulässig. Die Entscheidung der Behörde ist für Hersteller und benannte Stelle bindend und von dieser der Konformitätsbescheinigung zugrundezulegen. Zwar entfaltet die Entscheidung der Überwachungsbehörde über die Entscheidung der Konformitätsbewertung und die anschließende CE-Kennzeichnung Wirkung auch in den Mitglied- und Vertragsstaaten, in denen das Medizinprodukt in den Verkehr gebracht werden darf. Dies gilt indessen nur solange, wie nicht das gleiche oder ein vergleichbares Medizinprodukt in einem dieser Staaten anders klassifiziert ist oder wird. Deutsche Stellen sind an Entscheidungen ausländischer Behörden in einem dem § 13 Abs. 2 MPG entsprechenden Verfahren nicht gebunden. Diese Entscheidungen können ohne zwischenstaatliche Anerkennungsabkommen im deutschen Rechtskreis keine Wirkung entfalten. Für Fälle der unterschiedlichen Klassifizierung des Produktes in den EU-Mitgliedstaaten oder der Zuweisung zu unterschiedlichen Rechtsbereichen sieht das Europäische Medizinprodukterecht keine Regelung vor.

Vgl. Schorn, a.a.O., § 13 Rz. 10 ff.

Demgegenüber sieht § 25b AMG in Umsetzung der Art. 28 und 29 der Richtlinie 2001/83/EG i.d.F. der Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ein Verfahren der gegenseitigen Anerkennung von arzneimittelrechtlichen Zulassungen vor, die in einem anderen Mitgliedstaat ausgesprochen worden sind. Eine Ausnahme gilt dann, wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass die Zulassung des Arzneimittels eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Gesundheit, bei Arzneimitteln zur Anwendung bei Tieren einer schwerwiegenden Gefahr der Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt darstellt. Eine vergleichbare Vorschrift existiert im Medizinprodukterecht aber nicht.

Das Gemeinschaftsrecht über Medizinprodukte führt daher nicht zu einer Harmonisierung in der Weise, dass Einstufungen und Entscheidungen von Mitgliedstaaten Maßnahmen anderer Mitgliedstaaten ausschließen und etwa allein das so genannte Schutzklauselverfahren nach § 28 Abs. 3 MPG und Art. 8 der Richtlinie 93/42/EWG in Betracht kommt, das der Kommission die Feststellung ermöglichen soll, ob nationale Maßnahmen zur Beschränkung des freien Verkehrs der mit CE-Kennzeichnung versehenen Produkte gerechtfertigt sind.

Vgl. zum Schutzklauselverfahren Schorn, Medizinprodukterecht, Kommentar, Band 3, Stand: Februar 2004, § 28 Rz. 17 ff.

Vielmehr ermöglicht die Richtlinie 93/42/EWG bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Art. 8, Art. 14b und Art. 18 das Ergehen nationaler ordnungsrechtlicher Maßnahmen und relativiert deshalb den Grundsatz des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie, dass Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet nicht das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Produkten behindern, die die CE-Kennzeichnung nach Art. 17 tragen, aus der hervorgeht, dass sie einer Konformitätsbewertung nach Art. 11 unterzogen worden sind.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 69 Abs. 1 Satz 2 AMG sind gegeben. Hiernach können die zuständigen Behörden das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn die erforderliche Zulassung für das Arzneimittel nicht vorliegt. Das Erfordernis der Zulassungspflicht für Fertigarzneimittel (vgl. § 4 Abs. 1 AMG) folgt aus § 21 Abs. 1 AMG. Danach dürfen Fertigarzneimittel im Geltungsbereich dieses Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und der Rat der Europäischen Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der einschlägigen Verordnung erteilt hat.

Das Pflaster ist ein zulassungspflichtiges, aber nicht zugelassenes Arzneimittel, das von der Klägerin in den Verkehr gebracht wird. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt kein Medizinprodukt i.S.d. Gesetzes über Medizinprodukte vor.

Der Arzneimittelbegriff wird in § 2 AMG bestimmt. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind Arzneimittel u.a. Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 AMG gelten Gegenstände als Arzneimittel, die ein Arzneimittel nach Abs. 1 enthalten oder auf die ein Arzneimittel nach Abs. 1 aufgebracht ist und die dazu bestimmt sind, dauernd oder vorübergehend mit dem menschlichen oder tierischen Körper in Berührung gebracht zu werden. Der Arzneimittelbegriff wird allerdings u.a. nach § 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG eingeschränkt. Hiernach sind Arzneimittel nicht Medizinprodukte. Das Arzneimittelgesetz definiert das Medizinprodukt allerdings nicht. Die Begriffsbestimmungen enthält indes § 3 MPG.

Entscheidend für die Einordnung eines Produktes als Arzneimittel oder Medizinprodukt ist die Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Arzneimittelgesetzes und des Gesetzes über Medizinprodukte. Denn für die Bestimmung eines Produktes als Arzneimittel oder Medizinprodukt ist es ohne Bedeutung, ob das Gesetz über Medizinprodukte die speziellere Regelung ist. Die Regelungen in beiden Gesetzen sind so aufeinander abgestimmt, dass die Einordnung immer zu gleichen Ergebnissen kommen muss, unabhängig davon ob die Prüfung mit der arzneimittelrechtlichen oder der medizinprodukterechtlichen Regelung beginnt.

Vgl. auch Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Band 1, Stand: August 2005, § 2 Rz. 92.

Es ist daher sichergestellt, dass es kein Produkt mit einer doppelten Einordnung gibt.

Vgl. KG Berlin, abgedruckt in: Schorn, Medizinprodukterecht, Kommentar, Band 4, Rz. 1.

§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG und § 3 Nr. 1 MPG drücken bezogen auf die Anwendungszwecke das Gleiche aus. Da sich die Anwendungszwecke der stofflichen Erzeugnisse im Arzneimittelgesetz und im Gesetz über Medizinprodukte in den Feldern der Erkennung, Verhütung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten daher decken, kommt es für die Abgrenzung nach Maßgabe des Zusatzes in § 3 Nr. 1 MPG allein auf die Frage an, ob die bestimmungsgemäße Hauptwirkung des Produktes auf pharmakologischem oder immunologischem Wege oder durch Metabolismus erreicht wird.

Vgl. auch Klösel/Cyran, a.a.O., Rz. 92 und KG Berlin, a.a.O.

Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig und die Kammer hat auch keine Zweifel, dass das Produkt dazu bestimmt ist, der Behandlung oder Linderung von Krankheiten zu dienen. Ebenso steht eine immunologische oder metabolische Wirkung des Pflasters mangels entsprechender Anhaltspunkte nicht in Rede. Die Kammer musste daher allein der Frage nachgehen, ob von dem Produkt eine pharmakologische Wirkung ausgeht und diese die bestimmungsgemäße Hauptwirkung ist.

Die Kammer ist auf Grund der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass das Produkt "U.C. Medizinisches Pflaster" pharmakologisch wirkt. Die Kammer hat ihren Feststellungen folgenden Maßstab zu Grunde gelegt:

Der Begriff der pharmakologischen Wirkung wird bestimmt als eine Wechselwirkung zwischen Arzneistoff und Körper.

Vgl. Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Aufl., 2004, Stichwort: Pharmakologie; Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Aufl. 2004, Stichwort: Pharmakologie.

Die Wechselwirkung vollzieht sich zwischen den Molekülen des betreffenden Stoffs und einem gewöhnlich als Rezeptor bezeichneten Zellbestandteil, die entweder zu einer direkten Wirkung führt oder die Reaktion auf einen anderen Wirkstoff blockiert. Zwar entbehrt diese Definition der begrifflichen Trennschärfe.

Vgl. Klösel/Cyran, a.a.O., § 2 Rz. 93.

Doch ist das Vorhandensein einer Dosis-Wirkung-Korrelation ein Indikator für eine pharmakologische Wirkung.

Vgl. Schorn, a.a.O., § 3 Rz. 18.

Da demgemäß bei der Abgrenzung der Medizinprodukte von anderen Produkten Graubereiche bestehen, haben die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten mit den betroffenen Kreisen als Hilfestellung Dokumente erstellt. Für die Abgrenzung von Arzneimitteln ist das EG-Dokument MEDDEV 2.1/3 einschlägig. Diesen Maßstab hat die Sachverständige Dr. T. ihrem in der mündlichen Verhandlung erstellten Gutachten zu Grunde gelegt. Diese auch als Borderline-Leitlinie bezeichnete Leitlinie versteht unter "pharmakologischer Wirkung" in Zusammenhang mit den Medizinprodukte-Richtlinien "eine Wechselwirkung zwischen den Molekülen der in Frage stehenden Substanz und einem zellulären Bestandteil, gewöhnlich als Rezeptor bezeichnet, die entweder in einer direkten Reaktion (Antwort) resultiert oder die die Reaktion (Antwort) eines anderen Agens blockiert. Das Vorhandensein einer Dosis-Wirkung-Beziehung stellt dabei, obwohl kein vollständig verlässliches Kriterium, einen Hinweis auf einen pharmakologischen Effekt dar."

Übersetzung nach Dettling, Pharmarecht 2006, S. 58, 64.

Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf jüngste Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen die Auffassung vertritt, eine Abgrenzung zwischen Arzneimittel und Medizinprodukt sei anhand dieser Begriffsbestimmung nicht möglich, verfängt ihre Argumentation nicht. Die in Bezug genommenen Urteile stellen die taugliche Abgrenzung eines Arzneimittels von einem Lebensmittel mit Hilfe des Abgrenzungskriteriums der "pharmakologischen Wirkung" in Frage, weil Lebensmittel ebenso wie Arzneimittel Zellreaktionen auslösen können, indem sie nach der Aufnahme vom Körper im Wege des Stoffwechsels umgesetzt würden. Hinsichtlich der Abgrenzung eines Arzneimittels von einem Medizinprodukt wird das Kriterium der "pharmakologischen Wirkung" hingegen als durchaus brauchbar bezeichnet und es wird hierzu ausgeführt, das eigentliche Abgrenzungskriterium im Verhältnis zur physikalischen Wirkung eines Medizinprodukts sei die von einem Molekül eines Stoffs ausgelöste Zellreaktion.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 17.3.2006 - 13 A 2098/02, 13 A 2095/02 und 13 A 1977/02 -, JURIS.

Diese Auffassung ist aus Sicht der Kammer zutreffend und knüpft unmittelbar an § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG und § 3 Nr. 1 MPG an.

Ausgehend von dem aufgezeigten Maßstab ist die bestimmungsgemäße Hauptwirkung des Produkts "U.C. Medizinisches Pflaster" pharmakologisch und nicht physikalisch.

Die Gutachterin Dr. T. hat der Kammer in der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf die einschlägigen Monographien zu Minzöl, Pfefferminze, Kampfer sowie Menthol überzeugend und nachvollziehbar die pharmakologische Wirkungsweise der vier Inhaltsstoffe des Pflasters erläutert. Danach führen die in dem Produkt enthaltenen Stoffe über eine Erregung der Kälterezeptoren in der Haut zu einer vorübergehenden Kontraktion peripherer Gefäße mit nachfolgender Erweiterung. Es folgt eine Durchblutungsförderung durch die Wirkung auf die Haut. Schließlich kommt es zu einer nachfolgenden Auslösung eines Kältegefühls im Bereich der Applikation. Eine Kalziumkanalblockade ruft im Ergebnis ein Kälteempfinden der Haut hervor. Im Vordergrund steht daher die Erregung der sog. Kälterezeptoren der Haut, wobei eine Dosis-Wirkung-Beziehung besteht.

Einer pharmakologischen Wirkung bei Gebrauch des Pflasters steht nicht die nach Meinung der Klägerin zu geringe Konzentration der Wirkstoffe in dem Pflaster entgegen. Die Höhe der Dosis und der Gehalt der Wirkstoffe in dem Produkt stellen sich vorliegend nicht als entscheidende Frage. Die Gutachterin ist dem Einwand der Klägerin mit dem Gesichtspunkt begegnet, alle in dem Pflaster enthaltenen Wirkstoffe wirkten pharmakologisch. Diese Schlussfolgerung steht im Einklang mit dem Gutachten, das in dem Verfahren 312 O 255/01 vor dem LG Hamburg erstellt worden ist. In diesem schriftlichen und in der mündlichen Verhandlung näher erläuterten Gutachten, das im Wege des Urkundenbeweises in das vorliegende Verfahren eingeführt worden ist, vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2005, § 96 Rz. 10, § 98 Rz. 15a und Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann, VwGO, Loseblatt-Kommentar, Stand: 2005, § 98 Rz. 178 f. jeweils mit weiteren Nachweisen, war vor dem LG Hamburg ausgeführt worden, eine pharmakologische Wirkung könne schon ein Molekül ausmachen, das an einem Rezeptor wirke. Die Vergleichbarkeit beider Produkte hinsichtlich der Zusammensetzung und des Wirkmechanismus auf die Kälterezeptoren hat Dr. T. auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich bejaht. Das Produkt in dem Verfahren des LG Hamburg enthielt u.a. Pfefferminzöl. Es handelte sich um einen sog. Roll-On-Applikator mit der Bezeichnung "N.", mit dessen Hilfe die in einem Reservoir enthaltene Flüssigkeit auf die Haut aufgebracht wird. Das dortige Gutachten kam hinsichtlich der Wirkungsweise von Pfefferminzöl zu einer rezeptorvermittelten Wirkung des Produkts "N." bei einer maximalen Applikation von Pfefferminzöl von 5 mg. Demgegenüber enthält das hier in Rede stehende Produkt nach den Angaben der Beklagten 60 mg Pfefferminzöl und insgesamt 150 mg pharmakologisch wirkende Inhaltsstoffe je Pflaster. Seine pharmakologische Wirkung als bestimmungsgemäße Hauptwirkung steht daher nach Auffassung der Kammer außer Zweifel. Die Kammer musste deshalb der Frage, ob sich aufgrund der okklusiven Anwendung des Pflasters ein wesentlich verstärkender Effekt einstellt, den das BfArM in seiner Stellungnahme vom 20.9.2005 bejaht hatte, nicht weiter nachgehen.

Ebenso kann es auf sich beruhen, ob und ggf. in welchem Umfang sich bei Anwendung des Pflasters Verdunstungskälte als physikalische Wirkung einstellt. Ein kühlender Effekt als physikalische Wirkung ergibt sich - wenn überhaupt - nur in einem Umfang, der der bestimmungsgemäßen Hauptwirkung des Produktes auf pharmakologischem Wege nicht entgegensteht. Sowohl in dem von Dr. T. erstatteten Gutachten als auch in dem Gutachten, das in dem Verfahren des LG Hamburg erstellt worden ist, wird der pharmakologischen Wirkungsweise durch Verdunstungskälte eine nachrangige Bedeutung beigemessen. Die Gutachterin Dr. T. hat hierzu einen - hier aber nicht vorliegenden - hinreichenden Luftaustausch angeführt, der einen Hinweis darauf geben könne, dass Verdunstungskälte als Hauptwirkung entstehen könne. Die Gutachterin hat nachvollziehbar geschlussfolgert, dass sich bei dem Pflaster, obgleich es nicht luftundurchlässig abschließe, höchstens ein ergänzender Verdunstungseffekt ergeben könne, der indessen an der bestimmungsgemäßen pharmakologischen Wirkung der Inhaltsstoffe nichts ändere. Zu diesem Ergebnis gelangt auch das Gutachten in dem Verfahren vor dem LG Hamburg. Dort wird ausgeführt, es könne kurzfristig auch Verdunstungskälte auf Grund der Flüchtigkeit von Bestandteilen des Pfefferminzöls auf den behandelten Hautpartien spürbar sein. Eine bestimmungsgemäße Hauptwirkung der Verdunstungskälte wurde aber auch dort nicht festgestellt.

Nach alledem war die Kammer angesichts der nachvollziehbaren, in sich stimmigen sowie aussagekräftigen Schlussfolgerungen in dem von Frau Dr. T. erstellten Sachverständigengutachten nicht verpflichtet, ein weiteres Gutachten zu den aufgeworfenen Fragen einzuholen. Allein ein ungenügendes Gutachten zwingt das Gericht nach § 412 ZPO i.V.m. § 98 und § 86 Abs. 2 VwGO, eine neue Begutachtung zu veranlassen. Bei Fehlen von - hier nicht vorliegenden - erkennbaren Mängeln ist eine weitere Begutachtung nicht erforderlich und ermöglicht eine Beschränkung auf das eingeholte Gutachten, auch wenn förmliche Beweisanträge nach § 86 Abs. 2 VwGO auf Einholung zusätzlicher Gutachten gestellt werden.

Vgl. BVerwG, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 106 und NVwZ 1993, 572; Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann, a.a.O., § 98 Rz. 175.

Auf Grund der gegebenen bestimmungsgemäßen Hauptwirkung der Inhaltsstoffe Kampfer, L-Menthol, Minzöl und Eukalyptusöl auf pharmakologischem Wege steht demnach fest, dass ein Arzneimittel i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG vorliegt. Das Pflaster gilt nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 AMG als ein Arzneimittel, weil es Arzneimittel nach Abs. 1 enthält, die dazu bestimmt sind, vorübergehend mit dem menschlichen Körper in Berührung gebracht zu werden.

Auch die weiteren Voraussetzungen für den Erlass der Ordnungsverfügung nach § 69 Abs. 1 Satz 2 AMG liegen vor. Die Klägerin ist, weil sie das Produkt in den Verkehr bringt (§ 4 Abs. 17 AMG), als Handlungsstörerin ordnungspflichtig. Die Beklagte hat von dem ihr eingeräumten Ermessen rechtmäßig Gebrauch gemacht. Insbesondere ist es nicht unverhältnismäßig, dass die Beklagte das Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der Zulassungspflicht nach § 21 AMG für Arzneimittel dem Interesse der Klägerin, das Arzneimittel ohne Vorliegen der erforderlichen Zulassung in den Verkehr zu bringen, den Vorrang eingeräumt hat.

Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte habe das so genannte Schutzklauselverfahren nach § 28 Abs. 3 MPG und Art. 8 der Richtlinie 93/42/EWG einleiten sowie gem. § 36 MPG mit Behörden im Europäischen Wirtschaftsraum zusammenarbeiten müssen, um eine einheitliche Anwendung der Vorschriften über Medizinprodukte zu erreichen, lässt die Kammer offen, ob diese Verpflichtungen trotz des hier geltenden Vorrangs arzneimittelrechtlicher Vorschriften zu beachten sind. Jedenfalls würde ein etwaiges Unterbleiben einer eventuell vorgesehenen Zusammenarbeit mit Behörden von Mitgliedstaaten und Organen der Europäischen Union nicht zur Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung führen. Diese Rechtsfolge sieht weder das nationale Recht noch das Gemeinschaftsrecht vor.

Nach alledem hat die Beklagte das Produkt "U.C. Medizinisches Pflaster" zutreffend als Arzneimittel eingestuft, was zur Folge hat, dass die Klägerin es nur nach arzneimittelrechtlicher Zulassung auf den Markt bringen darf. Ein Verstoß gegen das Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung i.S.v. Art. 28 EG folgt aus dem Erfordernis einer arzneimittelrechtlichen Zulassungspflicht nicht, weil hier zum Schutz der Gesundheit die Ausnahmevorschrift des Art. 30 EG eingreift.

Vgl. auch Geiger, EUV/EGV, Kommentar, 4. Aufl., 2004, Art. 30 EG Rz. 8 f.

Angesichts dessen stellt sich die Frage der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EG nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

VG Köln vom 25.08.2006
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