Hessisches Finanzgericht: Zolltarifliche Einordnung von Handgelenkbandagen

Eine Handgelenkbandage, deren medizinische Wirkung durch einen eingearbeiteten Federstab erreicht wird, ist unter Position 9021 der Kombinierten Nomenklatur einzuordnen, selbst wenn der Federstab eine gewisse Elastizität aufweist.

Hessisches Finanzgericht, Urteil v. 18.09.2003 – 7 K 4005/02 (nicht rechtskräftig)
EG-VO Nr. 834/95
KN 9021


Die verbindliche Zolltarifauskunft der Oberfinanzdirektion…als Rechtsvorgängerin der beklagten Verwaltungsbehörde…vom 2. Dezember 1997 (Handgelenkbandage) und die Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 1998 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird zur Erteilung einer neuen verbindlichen Zolltarifauskunft verpflichtet, mit der die Handgelenkbandage, sog.…aus epX-Textilmaterial (Polyurethan-Film umhüllt von zwei elastischen Membranen aus Lycra Spandex/Nylon) mit volaren und dorsalen Federstäben als Stabilisierungselemente, zirkulärem Stützgurt über dem Handgelenk, Daumenöffnung, weichem Daumenband, anatomisch formgenäht, in die Position 9021 der Kombinierten Nomenklatur eingereiht wird.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Beteiligten streiten um die zolltarifliche Einordnung einer Handgelenkbandage mit eingearbeitetem elastischem Federstab in die Pos. 9021 der Kombinierten Nomenklatur.

Die Klage ist begründet, denn die streitgegenständliche Handgelenkbandage ist in Anwendung der dem entscheidenden Senat durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgegebenen Kriterien in die Position 9021 KN einzureihen.

Da die streitige Ware weder in den Positionen der Kombinierten Nomenklatur noch in den Anmerkungen zu ihren Abschnitten oder Kapiteln ausdrücklich genannt ist, hat der Gerichtshof aus den in den Erläuterungen zum Harmonisierten System enthaltenen Hinweisen die Abgrenzungskriterien entwickelt, die für die Entscheidung des konkreten Falles nunmehr anzuwenden sind. Dabei leitet der Gerichtshof aus den Erläuterungen zum Harmonisierten System ab, dass zu Kapitel 90 KN eine Reihe von Instrumenten und Apparaten gehörten, die sich im allgemeinen vor allem durch ihre sorgfältige Fertigung und ihre große Präzision kennzeichneten. So zeigten auch die Erläuterungen zu Position 9021 KN, dass dort keine gewöhnlichen Waren eingereiht werden dürften, also einfache Waren, denen die Kennzeichen fehlten, die in der Erläuterung I zu Position 9021 erwähnt werden. Nach dieser Erläuterung wird für einige der in der Auflistung enthaltenen Beispiele gefordert, dass die fragliche Ware maßgerecht gefertigt sein müsse. Dies gilt z.B. für orthopädische Schuhe und Spezialeinlagen. Für die meisten aufgezählten Waren hingegen sei dieses Erfordernis einer maßgerechten Anfertigung nicht vorgesehen.

So werde für die medizinisch chirurgischen Korsette und Gürteln in der Erläuterung I zu Position 9021 ausgeführt, dass zu dieser Position diejenigen gehörten, die sich durch Komponenten kennzeichnen, die den Bedürfnissen des Patienten angepasst werden können. Der Gerichtshof zitiert insoweit wörtlich die unter 20.1 enthaltene Erläuterung, wonach die spezielle Konzeption dieser Waren einer bestimmten orthopädischen Funktion entspricht, woraus sich dann die Unterscheidung zu den gewöhnlichen Korsetten und Gürteln ergibt.

Der Gerichtshof hält es hinsichtlich der Frage, wann die Anpassung an Funktionsschäden erfolgt, für nicht ausschlaggebend, ob dies bereits bei der Herstellung der Ware der Fall ist. Bei vorgefertigten Waren kann es auch später, insbesondere bei ihrem Einsatz, mit Hilfe besonderer Mechanismen, die die Ware hierfür vorsieht, erfolgen. Dabei genügt es sogar, dass der Patient selbst diese Anpassung vornimmt.

Den vorstehend aufgezeigten Vorgaben sowie den Kriterien, wie sie sich aus dem Leitsatz der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ergeben, entspricht die Handgelenkbandage.

Medizinischer Ausgangspunkt für den Einsatz der Handgelenksbandage sind entweder Distorsionen oder auch Zustände nach Handgelenksoperationen. Bei einer solchen Sachlage ist die Funktionsfähigkeit der Hand insgesamt grundsätzlich stark beeinträchtigt, wobei die Handgelenkbandage durch ihre stützende und haltende Wirkung entweder zur besseren Heilung nach einer Operation beiträgt oder bei Überlastungssyndromen zu einer Entlastung des Gelenks und damit einer Besserung des Zustandes führt. Diese Wirkung könnte nach Überzeugung des Senates durch die Elastizität des Gewebes allein nicht erreicht werden. Dafür sind vielmehr ganz maßgeblich die eingearbeiteten Federstäbe verantwortlich. Es ist zwar richtig, dass diese Federstäbe ihrerseits auch eine gewisse Elastizität haben. Diese ist aber schon deswegen nötig, weil ansonsten eine völlige Ruhigstellung und damit Bewegungsunfähigkeit der Hand eintreten würde. Dies soll aber gerade vermieden werden, weil die Beweglichkeit des Handgelenks trotz der bestehenden funktionellen Einschränkungen aufrecht erhalten bleiben soll. Die Federstäbe geben daher zwar bis zu einem gewissen Grade der jeweiligen Bewegung nach, bewirken aber dennoch für den Handgelenksbereich einen starken Halt. Dies wird gefördert durch die unterschiedliche Ausformung der Federstäbe auf der Handrücken- und Handunterseite dieser Bandage.

Die stützende und haltende Funktion für den Handgelenksbereich ergibt sich damit nicht ausschließlich aus der Elastizität des Gewebes. Von untergeordneter Bedeutung erscheint dem Senat insoweit, dass das Merkmal der Anpassung an die spezifischen Funktionsschäden des Patienten nicht besonders stark ausgeprägt ist, denn insoweit werden die einzelnen Kennzeichen vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften alternativ und nicht kumulativ verwendet.

Die Kosten des Verfahrens waren gemäß § 135 Abs. 1 FGO der beklagten Verwaltungsbehörde aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO sowie - wegen der Abwendungsbefugnis - aus § 711 ZPO.

Verweis auf Parallelverfahren: Hessisches FG, Urteil v. 18.9.2003 7 K 4003/02
Hessisches FG, Urteil v. 18.9.2003 7 K 4004/02
Hessisches FG, Urteil v. 18.9.2003 7 K 4006/02

Hessisches Finanzgericht vom 18.09.2003
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