Hessisches Finanzgericht: Zolltarifliche Einordnung von Ellenbogenspangen/-bandagen

Ellenbogenspangen und Ellenbogenbandagen deren heilende Wirkung auf den Körper nicht aus der Elastizität des Gewebes, sondern durch die richtige Position der eingearbeiteten Pelotte und die richtig dosierte Spannung des Zuggurtes erfolgt, sind in die Position 9021 der Kombinierten Nomenklatur einzuordnen.

Hessisches Finanzgericht, Urteil v. 18.09.2003 – 7 K 4003/02 (nicht rechtskräftig)
EG-VO Nr. 834/95
KN 9021


Die verbindlichen Zolltarifauskünfte der Oberfinanzdirektion … als Rechtsvorgängerin der beklagten Verwaltungsbehörde

vom 29. Januar 1998 (Ellenbogenspange) sowie

vom 29. Januar 1998 (Ellenbogenbandage) und

die Sammeleinspruchsentscheidung vom 3. Juni 1998 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, neue verbindliche Zolltarifauskünfte zu erteilen, in denen sowohl die Ellenbogenspange, sog. ..., und die Ellenbogenbandage, sog. ..., jeweils bestehend aus 1 mm dicken, einfarbigen, dreilagigen Flächenerzeugnissen mit zwei Außenlagen aus elastischen Spinnstoffgewirken und einer Zwischenlage aus Kunststoff, schlauchförmig durch Nähen konfektioniert mit einer Länge von 8 cm (Ellenbogenspange) bzw. 22 cm (Ellenbogenbandage, letztere auch anatomisch formgenäht), die jeweils unterhalb des Ellenbogens über den Unterarm gezogen und in der Art einer Manschette getragen werden, versehen mit einer eingearbeiteten Druckpelotte, über die ein zirkulärer Gurt mit elastischem und zugfestem Anteil und Klettverschlussband führt, in die Position 9021 der Kombinierten Nomenklatur eingereiht werden.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Beteiligten streiten um die zolltarifliche Einordnung von Ellenbogenspangen und Ellbogenbandagen in die Pos. 9021 der Kombinierten Nomenklatur.

Die Klage ist begründet, denn die streitgegenständlichen Ellenbogenspange und Ellenbogenbandage ist in Anwendung der dem entscheidenden Senat durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorgegebenen Kriterien in die Position 9021 KN einzureihen.

Da die streitigen Waren weder in den Positionen der Kombinierten Nomenklatur noch in den Anmerkungen zu ihren Abschnitten oder Kapiteln ausdrücklich genannt sind, hat der Gerichtshof aus den in den Erläuterungen zum Harmonisierten System enthaltenen Hinweisen die Abgrenzungskriterien entwickelt, die für die Entscheidung des konkreten Falles nunmehr anzuwenden sind. Dabei leitet der Gerichtshof aus den Erläuterungen zum Harmonisierten System ab, dass zu Kapitel 90 KN eine Reihe von Instrumenten und Apparaten gehörten, die sich im allgemeinen vor allem durch ihre sorgfältige Fertigung und ihre große Präzision kennzeichneten. So zeigten auch die Erläuterungen zu Position 9021 KN, dass dort keine gewöhnlichen Waren eingereiht werden dürften, also einfache Waren, denen die Kennzeichen fehlten, die in der Erläuterung I zu Position 9021 erwähnt werden. Nach dieser Erläuterung wird für einige der in der Auflistung enthaltenen Beispiele gefordert, dass die fragliche Ware maßgerecht gefertigt sein müsse. Dies gilt z.B. für orthopädische Schuhe und Spezialeinlagen. Für die meisten aufgezählten Waren hingegen sei dieses Erfordernis einer maßgerechten Anfertigung nicht vorgesehen.

So werde für die medizinisch chirurgischen Korsette und Gürtel in der Erläuterung I zu Position 9021 ausgeführt, dass zu dieser Position diejenigen gehörten, die sich durch Komponenten kennzeichnen, die den Bedürfnissen des Patienten angepasst werden können. Der Gerichtshof zitiert insoweit wörtlich die unter 20.1 enthaltene Erläuterung, wonach die spezielle Konzeption dieser Waren einer bestimmten orthopädischen Funktion entspricht, woraus sich dann die Unterscheidung zu den gewöhnlichen Korsetten und Gürteln ergibt.

Der Gerichtshof hält es hinsichtlich der Frage, wann die Anpassung an Funktionsschäden erfolgt, für nicht ausschlaggebend, ob dies bereits bei der Herstellung der Ware der Fall ist. Bei vorgefertigten Waren kann es auch später, insbesondere bei ihrem Einsatz, mit Hilfe besonderer Mechanismen, die die Ware hierfür vorsieht, erfolgen. Dabei genügt es sogar, dass der Patient selbst diese Anpassung vornimmt.

Den vorstehend aufgezeigten Vorgaben sowie den Kriterien, wie sie sich aus dem Leitsatz der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ergeben, entspricht sowohl die Ellenbogenspange wie auch die Ellenbogenbandage.

Die Verwendung der sog. Bandagen ist jeweils medizinisch indiziert und ist ärztlich verordnet. Sowohl die Ellenbogenspange wie auch die Ellenbogenbandage werden bei Überlastungserscheinungen am Ellenbogengelenk, aber auch bei Distorsion des Gelenkes eingesetzt. Dadurch wird der Heilungsprozess vorteilhaft beeinflusst, und die sonst mit der Überlastung an den Sehnenansätzen im Bereich des Ellenbogens einhergehenden erheblichen Schmerzen werden geringer. Diese Wirkungsweise wird insbesondere durch die Pelotte/n bewirkt, weil diese sich unter anderem druckmindernd auf Knochenvorsprünge auswirken. Sie unterscheiden sich dadurch von den sonst im allgemeinen Handel, also nicht Sanitätsfachhandel, erhältlichen Bandagen.

Die Ellenbogenspange und die Ellenbogenbandage können an die jeweiligen Funktionsschäden des Patienten individuell angepasst werden. Dies erfolgt dadurch, dass bei der erstmaligen Anlegung jeweils durch das Fachpersonal des Sanitätsfachhändlers der Punkt bestimmt wird, auf den die Pelotte/n den Druck bewirken sollen. Darüber hinaus muss die Spannung des Zuggurtes, der über die Pelotte verläuft, so dosiert werden, dass Ellenbogenspange oder Ellenbogenbandage nicht zu fest angepresst werden, weil es sonst Abschnürungserscheinungen geben könnte, andererseits darf der Zuggurt auch nicht zu locker sein, da sonst die Wirkung der Pelotte verloren ginge.

Aus der vorstehenden Beschreibung der Wirkungsweise der Ellenbogenspange und Ellenbogenbandage wird zugleich deutlich, dass die aus medizinischen Gründen bezweckte Einwirkung auf den Körperteil nicht durch die Elastizität des Gewebes erreicht werden kann, sondern hierzu vielmehr die für den einzelnen Patienten an der richtigen Stelle platzierte Pelotte sowie die erforderliche Spannung des Zuggurtes mit dessen nichtelastischem Teil ursächlich sind.

Insoweit lässt es der Gerichtshof nämlich genügen, dass eine Anpassung an Funktionsschäden erforderlich und durch die Ware bzw. mit Hilfe besonderer an ihr vorhandener Mechanismen möglich ist. Dies wird vom Gerichtshof auch nicht darauf beschränkt, dass es in jedem Falle durch einen Arzt erfolgen müsse, sondern es genügt insoweit, dass der Patient dies selbst tun kann. Auch steht eine Serienfertigung dieser Einreihung dann nicht entgegen, wenn die Ware später, insbesondere bei ihrem Einsatz, den spezifischen Bedürfnissen des Patienten anzupassen ist und angepasst werden kann.

Diesen Kriterien entspricht sowohl die Ellenbogenspange wie auch die Ellenbogenbandage. Beide werden zwar vorgefertigt, können aber nur dann funktionsgerecht eingesetzt werden, wenn eine Anpassung an die individuellen Bedürfnisse des Patienten erfolgt. Dies ergibt sich - wie die Klägerin ergänzend und unwidersprochen vorgetragen hat - daraus, dass die Wirkungsweise der Ellenbogenspange und Ellenbogenbandage gerade maßgeblich von den druckauslösenden starren Teilen ausgeht.

Die speziellen Bedürfnisse eines jeden einzelnen Patienten machen es im Hinblick auf die jeweilige Schmerzsituation und die körperliche Konstitution erforderlich, dass eine spezifische Anpassung erfolgt. Unschädlich ist nach den Vorgaben des Gerichtshofes, dass dies nicht jeweils durch einen Arzt erfolgt. Die Anpassung durch das Fachpersonal des Sanitätsfachhandels ist also ausreichend.

Die Wirkungsweise der Ellenbogenspange und der Ellenbogenbandage kommt auch gerade nicht aus der Elastizität des Gewebes, weil die Wirkung auf den Körperteil gerade durch die Pelotte und die richtig dosierte Spannung des Zuggurtes erfolgt.

Weder die Pelotte noch der Zuggurt haben die Aufgabe zu verhindern, dass die Bandage als solche nachgibt oder sich aufrollt. Denn da der Zuggurt gerade über die Pelotte geführt wird, presst der Zuggurt die Pelotte auf die schmerz-auslösenden Sehnenansätze. Die Wirkungen von Pelotte und Zuggurt sind mithin auf den Körperteil und nicht auf das elastische Gewebe ausgerichtet.

Soweit die Kommission in der von der Beklagten mitgeteilten vorgesehenen Ergänzung zu der Verordnung (EG) Nr. 834/95 unter anderem darauf abstellt, dass die Ware kein hohes Maß an Präzision aufweise, stellt dies einen Gesichtspunkt dar, der jedenfalls nach der hier vorliegenden und vom Senat zu beachtenden Entscheidung des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht maßgeblich ist.

Die Kosten des Verfahrens waren gemäß § 135 Abs. 1 FGO der beklagten Verwaltungsbehörde aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO sowie - wegen der Abwendungsbefugnis - aus § 711 ZPO.

Verweis auf Parallelverfahren: Hessisches FG, Urteil v. 18.9.2003 7 K 4006/02
Hessisches FG, Urteil v. 18.9.2003 7 K 4004/02
Hessisches FG, Urteil v. 18.9.2003 7 K 4005/02

Hessisches Finanzgericht vom 18.09.2003
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