OLG Frankfurt a.M.: Kein Unterlassungsanspruch gegen das Aufbringen eines Aufklebers mit einer PZN des Parallelimporteurs auf einer neuen Umverpackung

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung des Parallelimports ihrer Wundauflagen “UrgoTül“.

Die Antragstellerin vertreibt die Wundauflagen in Großbritannien mit einem Packungsinhalt von zehn Stück. Die Antragsgegnerin vertreibt diese Wundauflagen in eigener Verpackung und einem Inhalt von fünf Wundauflagen in Deutschland. Die Vorderseite der Verpackung stimmt weitgehend identisch mit dem Original überein. Die Rückseite ist jedoch neu gestaltet und nennt die Antragsgegnerin als Parallelvertreiberin und Umverpackerin. Zudem brachte die Antragsgegnerin ihre eigene Pharmazentralnummer (PZN) als Aufkleber auf, während der QR-Code der Antragstellerin fehlte.

Das Landgericht Frankfurt wies den Antrag zurück. Die Antragsgegnerin habe die Voraussetzungen für den zulässigen Parallelimport erfüllt und könne sich auf den Erschöpfungseinwand berufen. Ein Widerspruch der Antragstellerin führe zu einer künstlichen Marktabschottung auf einem relevanten Teilmarkt in Deutschland. Die Umverpackung schädige den Ruf der Antragstellerin nicht. Die Antragsgegnerin dürfe die Marken der Antragstellerin und auch ihre eigene PZN anbringen.

Die Berufung der Antragstellerin hatte keinen Erfolg. Das Gericht wendet die im Hinblick auf Arzneimittel entwickelten Grundsätze des Europäischen Gerichtshofs für eine zulässige Umverpackung auch auf Medizinprodukte an (vgl. Urteile vom 11. Juli 1996, Bristol-Myers Squibb u. a., C‑427/93, C‑429/93 und C‑436/93, EU:C:1996:282, sowie vom 26. April 2007, Boehringer Ingelheim u. a., C‑348/04, EU:C:2007:249).

Nach dieser Rechtsprechung kann sich der Inhaber einer Marke gemäß Art. 7 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89/104 dem weiteren Vertrieb eines aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführten Arzneimittels in einem Mitgliedstaat widersetzen, wenn der Importeur es umgepackt und die Marke wieder darauf angebracht hat, es sei denn,

  • es ist erwiesen, dass die Geltendmachung einer Marke durch den Markeninhaber zu dem Zweck, sich dem Vertrieb der umgepackten Ware unter der Marke zu widersetzen, zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten beitragen würde;
  • es ist dargetan, dass das Umpacken den Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware nicht beeinträchtigen kann;
  • auf der Verpackung ist klar angegeben, von wem die Ware umgepackt worden ist und wer deren Hersteller ist;
  • das umgepackte Erzeugnis ist nicht so aufgemacht, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann; der Aufkleber darf folglich nicht schadhaft, von schlechter Qualität oder unordentlich sein;
  • der Importeur unterrichtet den Markeninhaber vor dem Inverkehrbringen des umgepackten Erzeugnisses und liefert ihm auf Verlangen ein Muster dieser Ware (Urteil vom 17. Mai 2018, Junek Europ-Vertrieb GmbH gegen Lohmann & Rauscher International GmbH & Co. KG, Debrisoft, C‑642/16).

In Sachen Debrisoft brachte der Parallelimporteur einen zusätzlichen Aufkleber auf einem unbedruckten Teil der ungeöffneten Originalverpackung des in Rede stehenden Medizinprodukts an. Der Aufkleber ist klein und enthält als einzige Angaben den Namen des Parallelimporteurs sowie seine Anschrift und seine Telefonnummer, einen Strichcode und eine PZN, die dazu dient, den Warenverkehr mit Apotheken zu organisieren. Aus diesem Grunde verneinte der Europäische Gerichtshof schon das Vorliegen eines Umverpackens.

Hier verwendete die Antragsgegnerin eine eigene Verpackung und bedeckte den QR-Code, welcher auf die Antragstellerin auf der Originalverpackung hinwies. Die Umverpackung, der aus Großbritannien importierten Wundauflagen sei zulässig. Das Widersetzen führe zu einer künstlichen Marktabschottung im Sinne des Art. 34 AEUV. Der Parallelimporteur müsse in der Lage sein, dieselbe Packungsgröße wie die Antragstellerin in Deutschland zu vertreiben. Unerheblich sei, ob der Vetrieb der Packungsgröße mit zehn Wundauflagen in Deutschland erlaubt und erstattungsfähig sei. Entscheidend sei allein, dass die Parallelimporteurin nicht von dem Markt einer Packungsgröße (mit fünf Wundauflagen) in Deutschland ausgegrenzt werden dürfe. Dies gelte insbesondere dann, wenn nur eine Packungsgröße auf dem Markt des Einfuhrstaates vorhanden oder verschreibungsüblich ist. Unerheblich sei, ob die Packungsgrößen in Deutschland faktisch (durch den Hersteller) oder durch regulatorische Umstände begründet sind.

Auch drang die Antragstellerin nicht mit ihrem Einwand durch, eine neue Verpackung sei nicht erforderlich, da die Antragsgegnerin (den Inhalt) auch habe reduzieren können. Damit verkenne die Antragstellerin die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 26. April 2007 – C-348/04, GRUR 2007, 586 Rn. 38 – Boehringer Ingelheim/Swingward II). Wenn das Umpacken wie hier erforderlich sei, ist allein zu prüfen, ob die neue Umverpackung berechtigte Interessen des Markeninhabers beeinträchtige. Eine Erforderlichkeitsprüfung der Art und Weise der Verpackung finde nicht statt (BGH, Urteil vom 14. Juni 2007, I ZR 173/04, Rn. 23 – STILNOX).

Die Art und Weise der Umverpackung beeinträchtigte auch nicht die berechtigten Interessen der Antragstellerin, insbesondere nicht den Ruf der Marke. Entscheidend sei die Sicht der Verbraucher, nicht jene der Apotheker oder Ärzte. Die Antragstellerin sei berechtigt, eine neue Verpackung herzustellen. Sie weise klar daraufhin, dass sie die UrgoTül Wundauflage parallel vertreibe und umverpacke. Für den Verkehr sei damit hinreichend deutlich, wer für den Vertrieb nach dem Umpacken verantwortlich sei. Der Parallelimporteur müsse die fehlende Zustimmung des Markeninhabers nicht auf der Verpackung angeben.

Das Anbringen der PZN stelle für sich genommen kein Veränderung im Sinne des Art. 15 Abs. 2 UMV dar (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 17. Mai 2018, Debrisoft, C‑642/16, Rn. 34 ff.).  Anders wurde dies von einigen Gerichten – auch dem OLG Frankfurt – vorher gesehen (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 – I ZR 165/5 – Debrisoft, Tz. 21; OLG Frankfurt, Urteil vom 20. April 2017 – 6 U 16/17; Urteil vom 23. März 2017 – 6 U 125/16; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. Juli 2015 – I-20 U 95/14 – Debrisoft; a.A. LG Köln, Beschluss vom 26. Januar 2017 – 31 O 432/16).

Der Kern der Auseinandersetzung, ob der Parallelimporteur seine eigene PZN anbringen darf, wurde – der Debrisoft Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs folgend – zugunsten des Paralleimporteurs entschieden.

Offen bleibt, ob der Parallelimporteur die Marke des Herstellers verdecken darf. In der Debrisoft Entscheidung hatte der Europäische Gerichtshof unter anderem darauf abgestellt, dass der Aufkleber die Marke des Herstellers nicht verdeckte (keine Zulassung der Revision oder Vorlage an den EuGH durch das OLG Frankfurt in anderer Sache, bei ein Teil der Marke (im Fließtext) verdeckt wurde, Urteil vom 7. März 2019 – 6 U 37/18).

OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 20.12.2018 – 6 U 129/18 (rechtskräftig)
Instanzen:
LG Frankfurt, 13. Juli 2018, 3-10 O 89/18
Art. 15 UMV, Art. 34 AEUV
Andere Fundstellen: ECLI:DE:OLGHE:2018:1220.6U129.18.00; GRUR-RR 2019, 363


Gründe:

I. Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob die Antragsgegnerin die Voraussetzungen für einen zulässigen Parallelimport der von der Antragstellerin hergestellten Wundauflagen „UrgoTül“ erfüllt hat.

Die Antragstellerin vertreibt die Wundauflagen in Großbritannien in Packungen à 10 Stück (Anlage ASt 12). Die Antragsgegnerin erstellte zum Zwecke des Parallelimports nach Deutschland eine eigene Verpackung mit einem Inhalt von 5 Wundauflagen, die die Verpackungsgestaltung der Antragstellerin auf der Vorderseite weitgehend identisch übernahm, die Rückseite jedoch neu gestaltete, so dass diese nur in deutscher Sprache gestaltet war und einen Hinweis auf die Antragsgegnerin als Parallelvertreiberin und die Umverpackerin enthielt. Weiterhin brachte die Antragsgegnerin ihre PZN-Nummer als Aufkleber auf, während ein im Original auf die Antragstellerin hinweisender QR-Code nicht aufgebracht war.

Das Landgericht hat den auf Unterlassung des Vertriebs gerichteten Verfügungsantrag mit Urteil vom 13.07.2018 – auf das gem. § 540 ZPO wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird – zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Antragsgegnerin habe die Voraussetzungen für einen zulässigen Parallelimport erfüllt, weshalb die Antragstellerin sich auf den Erschöpfungseinwand berufen könne. Ein Widerspruch der Antragstellerin gegen den Parallelimport würde zu einer Marktabschottung auf einem relevanten Teilmarkt in Deutschland führen. Die Wundauflagen würden in Deutschland nur in 5er-Packungen angeboten, weshalb dies einen eigenen Teilmarkt darstelle. Die Art und Weise des Umverpackens schädige auch den Ruf der Antragstellerin nicht. Insbesondere sei die Antragsgegnerin berechtigt, die Marken der Antragstellerin anzubringen; auch die Anbringung der eigenen PZN-Nummer sei zulässig.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Sie ist der Auffassung, es liege keine künstliche Marktabschottung vor, da die von der Antragstellerin in Großbritannien auf den Markt gebrachte Packungsgröße in Deutschland uneingeschränkt verkehrsfähig und erstattungsfähig sei. Daher liege kein Teilmarkt im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vor. Weiterhin führe die von der Antragsgegnerin gestaltete Verpackung durch die Hinzufügung der PZN der Antragsgegnerin zu Verwirrung im Verkehr.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1.) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Europäischen Gerichtshof seit der BMS-Entscheidung (NJW 1997, 1627) auf Arzneimittel angewendeten Grundsätze zum Parallelimport auch auf Medizinprodukte Anwendung finden (vgl. auch Senat, PharmR 2017, 304):

Der EuGH hat entschieden, dass diese Maßstäbe zum Umpacken von Arzneimitteln im Grundsatz auch auf den Parallelhandel mit anderen Erzeugnissen Anwendung finden (vgl. zu alkoholischen Getränken EuGH, GRUR Int 1998, 145 Rnr. 27, 47-50 – Loendersloot/Ballantine). Der BGH wendet diese Grundsätze ebenfalls nicht nur auf den Parallelimport von Arzneimitteln an, sondern legt sie auch der Prüfung der Erschöpfungsvoraussetzungen in Bezug auf andere Erzeugnisse zu Grunde (für Medizinprodukte vgl. den Vorlagebeschluss des BGH „Debrisoft“, GRUR 2017,71, Rnr. 17 – Debrisoft; BGH GRUR 2010, 756 Rnr. 20; für Lebensmittel vgl. BGH, GRUR 2013, 739 Rnr. 41, 51, 53 – Barilla). Auch das Schrifttum geht davon aus, dass die unionsrechtlichen Erschöpfungsgrundsätze nicht auf Arzneimittel beschränkt sind, sondern für alle Produkte gelten, bei denen es für den inländischen Marktzutritt des aus einem anderen Mitgliedstaat stammenden Originalprodukts erforderlich ist, Änderungen an der Verpackung oder der Marke vorzunehmen (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 24 Rnr. 67; BeckOK MarkenR/Streudtner 15. Ed., § 24 Rnr. 76 ff.; Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 24 Rnr. 115; für Medizinprodukte ausdrücklich Beyerlein, MPR 2008, 3).

Ob die BMS-Grundsätze bei Medizinprodukten uneingeschränkt Anwendung finden, oder ob auf die Anzeige- und Bemusterungspflicht verzichtet werden kann (zu uneingeschränkter Anwendung neigend BGH GRUR 2017, 71 Rn. 18 – Debrisoft; offen gelassen in EuGH GRUR 2018, 736 – Debrisoft), kann dahinstehen. Die Beklagte hat diese Anforderungen erfüllt.

2.) Das Landgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass für die Antragsgegnerin eine objektive Zwangslage vorliegt, die sie zur Umverpackung der aus Großbritannien importierten Wundauflageprodukte zwingt; das Widersetzen der Antragstellerin führt daher zu einer künstlichen Marktabschottung, die gegen Art. 34 AEUV verstößt.

a) Von einer künstlichen Marktabschottung ist nur dann auszugehen, wenn Regelungen oder Praktiken im Einfuhrland den Vertrieb der Ware in der unveränderten Originalverpackung verhindern; dagegen ist die Erforderlichkeit für die Neuetikettierung nicht gegeben, wenn der Parallelimporteur damit lediglich einen wirtschaftlichen Vorteil erlangen möchte (EUGH GRUR 2007, 586, Rnr. 36 f. – Boehringer Ingelheim-Swingward II). Erforderlich ist daher, dass im Zeitpunkt des Vertriebs bestehende Umstände den Parallelimporteur objektiv zu einem Umpacken des Arzneimittels zwingen, um die betreffende Ware im Einfuhrmitgliedstaat in Verkehr bringen zu können. Ein Fall der künstlichen Marktabschottung liegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch dann vor, wenn der Parallelimporteur nur von einem Teilmarkt im Einfuhrmitgliedstaat ausgeschlossen wird. Das ist auch dann anzunehmen, wenn im Ausfuhrmitgliedstaat nur eine Packungsgröße eines Arzneimittels in Verkehr gebracht worden ist, während im Einfuhrmitgliedstaat neben dieser Packungsgröße eine weitere Packungsgröße vom Markeninhaber vertrieben wird. Dadurch wird der Parallelimporteur vom Vertrieb der weiteren Packungsgröße im Einfuhrmitgliedstaat ausgeschlossen. Dies begründet eine Zwangslage des Parallelimporteurs, die ein Umpacken rechtfertigt (vgl. EuGH, GRUR Int. 1996, 1144 Rnr. 52 bis 54 – Bristol-Myers Squibb; EuGH GRUR Int. 2002, 745 Rnr. 26 f. – Merck, Sharp & – Dohme; BGH GRUR 2008, 1089 Rnr. 34 – KLACID PRO; BGH, GRUR 2011, 817 Rnr. 16 – RENNIE; BGH Urt. v. 9.10.2013 – I ZR 99/12, BeckRS 2014, 07409).

b) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass nach diesen Maßstäben die Geltendmachung des Rechts aus Art. 15 UMV der künstlichen Marktabschottung dient. Zwar ist hier der Vertrieb der von der Antragstellerin im Ausfuhrland Großbritannien, nicht aber im Einfuhrland Deutschland vertriebenen Packungsgröße von 10 Wundauflagen rechtlich erlaubt und auch durch die Krankenkassen erstattungsfähig. Dies führt aber entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht dazu, dass die Antragsgegnerin bei einem Verbot der Einfuhr nicht von einem „Teilmarkt“ im Sinne der EuGH-Rechtsprechung ausgeschlossen wäre. Nach der Rechtsprechung der BGH (GRUR 2008, 1089, Rnr. 34 – KLACID; BGH Urt. v. 9.10.2013 – I ZR 99/12, BeckRS 2014, 07409) stellt der Ausschluss eines eingeführten Arzneimittels von den durch weitere Packungsgrößen im Einfuhrmitgliedstaat gebildeten Teilmärkten eine künstliche Marktabschottung dar, ohne dass es auf die Möglichkeit ankommt, das eingeführte Arzneimittel in unveränderter Form auch im Einfuhrmitgliedstaat vertreiben zu können. Gleiches gilt auch für die Frage der Erstattungsfähigkeit, da auch dies insoweit ein eher formales Kriterium darstellt.

Für eine tatsächliche Behinderung des Marktzugangs reicht es aus, wenn das Hindernis für eine der vom Markeninhaber im Einfuhrmitgliedstaat verwendeten Packungen besteht. Für eine künstliche Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten genügt die tatsächliche Behinderung des Zugangs der eingeführten Erzeugnisse zum Markt des Einfuhrmitgliedstaats. Solche tatsächlichen Hindernisse können sich etwa aus nationalen Praktiken in Bezug auf die Verpackung oder aus festen ärztlichen Verschreibungsgewohnheiten ergeben (EuGH, GRUR Int. 1996, 1144 Rnr. 53 – Bristol-Myers Squibb; BGH GRUR 2002, 745 Rnr. 25 f. – Merck, Sharp & Dohme). Dementsprechend kann das Umpacken von Arzneimitteln erforderlich sein, wenn in Deutschland nicht die eingeführten Originalpackungen, sondern Packungen abweichender Größe verschreibungsüblich sind (BGH, GRUR 2007, 1075 25 f. – STILNOX; BGH, GRUR 2011, 817 Rnr. 17 – RENNIE). Grundsätzlich liegt daher jeweils ein Teilmarkt vor (von dem der Parallelimporteur ausgeschlossen würde), wenn ein Präparat im Einfuhrmitgliedstaat in mehreren Packungsgrößen angeboten wird (EuGH, GRUR Int. 1996, 1144 Rnr. 54 – Bristol-Myers Squibb; BGH GRUR Int. 2002, 745 Rnr. 26 f. – Merck, Sharp & Dohme). Dies muss aber auch gerade dann gelten, wenn der Hersteller im Einfuhrland das Medizinprodukt nur in einer Größe auf dem Markt anbietet, da es auch hier dem Parallelimporteur gestattet sein, diese Konfektionierung nachzubilden, um in einen Wettbewerb treten zu können. Der Verkehr ist nämlich insoweit an diese Konfektionierung noch mehr gewöhnt als in dem Fall, in dem verschiedene Packungsgrößen angeboten werden; der Parallelimporteur ist in diesem Fall daher noch mehr darauf angewiesen, die Produkte in genau der einzigen Packungsgröße anzubieten, die auf dem Markt üblich ist.

c) Soweit die Antragstellerin diese Auslegung der EuGH-Rechtsprechung durch den BGH in der Stilnox-Entscheidung (GRUR 2007, 1075) für falsch hält, dringt sie damit nicht durch. Sie meint, der EuGH habe in der Entscheidung „Ferring/Orifarm“ entschieden, dass die Annahme eines Marktzugangshindernisses an dieser Stelle nur angenommen werden könne, wenn im Einfuhrland Packungen einer bestimmten Größe nur deshalb existieren, weil dies gesetzlich so vorgegeben sei oder eine nationale Verschreibungspraxis existiere, weil Krankenversicherungen dies durch ihre Erstattungspraxis erzwängen oder Berufsverbände und Krankenversicherungsträger dies durch empfohlene Normgrößen erzwängen. Der vorliegende Fall, in dem die tatsächliche Größe dadurch bestimmt wird, dass der Hersteller nur diese Größe auf den Markt bringt, wäre dann nicht erfasst. Dies verkürzt jedoch die Begründung des EuGH. Dieser führt aus:

„Die Voraussetzung der Erforderlichkeit eines Umpackens ist unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt des Vertriebs im Einfuhrstaat bestehenden Umstände zu prüfen, die das Umpacken objektiv erforderlich machen, damit das Arzneimittel vom Parallelimporteur in diesem Staat in den Verkehr gebracht werden kann. Der Widerstand des Markeninhabers gegen das Umpacken ist nicht gerechtfertigt, wenn er den tatsächlichen Zugang des eingeführten Erzeugnisses zum Markt des Einfuhrstaats behindert (vgl. entsprechend EuGH, ECLI:EU:C:1999:494 Rnr. 43 = GRUR Int 2000, 159 – Upjohn, und ECLI:EU:C:2002:246 Rnr. 46 = GRUR 2002, 879 – Boehringer Ingelheim ua).

Im Einzelnen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich ein Markeninhaber dem Umpacken der Ware nicht widersetzen kann, wenn Packungen der Größe, die er in dem Vertragsstaat des EWR-Abkommens in dem der Importeur die Ware gekauft hat, verwendet, im Einfuhrstaat insbesondere deshalb nicht vertrieben werden können, weil dort nur Packungen einer bestimmten Größe zulässig sind oder eine entsprechende nationale Praxis besteht, weil Krankenversicherungsvorschriften die Erstattung der Krankheitskosten von der Packungsgröße abhängig machen oder weil feste ärztliche Verschreibungsgewohnheiten bestehen, die unter anderem auf durch Berufsverbände und Krankenversicherungsträger empfohlenen Normgrößen beruhen (vgl. entsprechend EuGH, ECLI:EU:C:1996:282 Rnr. 53 = NJW 1997, 1627 – Bristol-Myers Squibb ua).

Ferner lässt sich, wenn der Markeninhaber entsprechend den Vorschriften und der Praxis im Einfuhrstaat dort verschiedene Packungsgrößen verwendet, allein daraus, dass eine dieser Größen auch im Vertragsstaat des EWR-Abkommens, aus dem das Erzeugnis ausgeführt wird, vertrieben wird, nicht schließen, dass ein Umpacken des Erzeugnisses nicht erforderlich ist. Es läge nämlich eine Abschottung der Märkte vor, wenn der Importeur das Erzeugnis nur auf einem begrenzten Teil des Marktes für dieses Erzeugnis vertreiben könnte (vgl. entsprechend EuGH, ECLI:EU:C:1996:282 Rnr. 54 = NJW 1997, 1627 – Bristol-Myers Squibb ua).“

Hieraus lässt sich zweierlei schließen. Zum einen hat der EuGH nur beispielhaft Faktoren aufgezählt, die eine Vertriebsbehinderung im Einfuhrstaat begründen können und keineswegs – wie die Antragstellerin suggerieren will – abschließend. Der Obersatz stellt darauf ab, ob das Widersetzen des Markeninhabers gegen ein Umverpacken eine Beschränkung des Marktzugangs bewirkt bzw. dazu beiträgt. Dies kann sowohl durch die regulatorischen Umstände als auch durch die – vom Hersteller durch Bestimmung der Anzahl der Packungsgrößen geschaffenen – faktische Marktstruktur an sich geschehen. Trägt also die Herstellerin dadurch zu einer Marktabschottung bei, dass sie in Deutschland nur eine Packungsgröße und in anderen EU-Ländern andere Packungsgrößen auf den Markt bringt und sich dann einer Umverpackung widersetzt, kann sie nicht darauf verweisen, dass sie diese Marktabschottung selber verursacht habe und nicht der Staat oder Dritte.

Zum anderen lässt sich hieraus schließen, dass es auf die tatsächlichen und nicht (nur) die rechtlichen Marktzutrittsmöglichkeiten ankommt. Kennt der Markt seit jeher nur die Packungsgröße von 5 Wundauflagen, tritt eine gewisse Gewöhnung des Verkehrs hieran ein, die dazu führt, dass die Antragsgegnerin mit ihren 10er Packungen nicht gleichwertig in den Markt gelangen könnte.

d) Soweit die Antragstellerin meint, eine neue Verpackung sei nicht erforderlich, da die Antragsgegnerin auch habe abstocken können, dringt sie hiermit nicht durch. Das Erfordernis, dass das Umpacken notwendig ist, um die Ware in dem Einfuhrmitgliedstaat vermarkten zu können, gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur für das Umpacken der Ware als solches sowie für die Wahl, ob die Wiederanbringung der Marke durch Neuverpackung oder durch Aufkleben eines Etiketts auf die Verpackung der Ware erfolgt, im Hinblick darauf, den Vertrieb dieser Ware auf dem Markt des Einfuhrmitgliedstaats zu ermöglichen, nicht dagegen für die Art und Weise, in der das Umpacken durchgeführt wird (EuGH, GRUR 2007, 586 Rnr. 38 – Boehringer Ingelheim/Swingward II). Sofern – wie hier – das Umpacken als solches erforderlich ist, ist daher allein zu prüfen, ob die neue Umverpackung, mit der der Parallelimporteur die importierte Ware versieht, berechtigte Interessen des Markeninhabers beeinträchtigt (BGH aaO – Stilnox, Rnr. 23 f.). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Umpacken den Ruf der Marke schädigt (EuGH, GRUR 2007, 586 Rnr. 17 – Boehringer Ingelheim/Swingward II). Eine „Erforderlichkeitsprüfung“, wie sie die Antragstellerin vornehmen will, findet daher nicht statt.

3.) Schließlich beeinträchtigt die konkrete Art und Weise des Umpackens auch nicht berechtigte Interessen der Antragstellerin bzw. der Markeninhaberin, insbesondere nicht den Ruf der Marke.

a) Ob die Verpackung eines Arzneimittels, das von den Verbrauchern über Apotheken bezogen wird, geeignet ist, den Ruf des Markeninhabers zu schädigen, ist grundsätzlich aus Sicht der Verbraucher zu beurteilen, nicht aus der Sicht der Apotheker oder verschreibenden Ärzte (EuGH C-427/93, GRUR Int 1996, 1144 Rnr. 77 – Bristol-Myers Squibb). Maßgebend ist die Sichtweise eines normal informierten, durchschnittlich verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers, dem das konkrete Arzneimittel nach Verordnung durch den Arzt vom Apotheker ausgehändigt wird. Das folgt daraus, dass es hier um das Vertrauen in die Unversehrtheit der Ware geht in einem sensiblen Bereich, in dem die Öffentlichkeit besonderen Wert auf die Qualität und die einwandfreie Beschaffenheit der Ware legt (BGH GRUR 2008, 1089 Rnr. 26 – KLACID PRO; EuGH C-427/93, GRUR Int 1996, 1144 Rnr. 77 – Bristol-Myers Squibb). Für Medizinprodukte gelten keine anderen Maßstäbe.

b) Eine derartige Rufbeeinträchtigung hat das Landgericht zu Recht abgelehnt.

Zunächst ist die Tatsache, dass die „Umverpackungs“-Informationen nicht – wie oft – durch einen Aufkleber aufgebracht wurden, sondern aufgrund der von der Antragsgegnerin selbst hergestellten Verpackung direkt auf dieser aufgedruckt waren, von der Antragstellerin hinzunehmen. Sie ist unmittelbare Folge des der Antragsgegnerin grundsätzlich zustehenden Rechts, neue Verpackungen herzustellen, das beschnitten würde, wenn über den Umweg der Rufbeeinträchtigung die Herstellung einer neuen Verpackung die Rechtsdurchsetzung der Beklagten behindern würde.

Die Antragsgegnerin weist auf der Rückseite der Verpackung klar und unmissverständlich darauf hin, dass die UrgoTül-Wundauflage von ihr parallel vertrieben wurde und von der A GmbH umverpackt wurde. Dem Interesse des Markeninhabers, für den Verkehr deutlich zu machen, dass für die Herstellung der Ware und für deren Vertrieb nach dem Umpacken unterschiedliche Unternehmen verantwortlich sind, ist daher mit diesen Angaben hinreichend genügt. Der Parallelimporteur ist auch nicht verpflichtet, auf der Verpackung ausdrücklich anzugeben, dass das Umpacken der Ware ohne Zustimmung des Markeninhabers erfolgt ist (vgl. EuGH, GRUR Int 1996, 1144 Rnr. 72 – Bristol-Myers Squibb u.a./Paranova).

Die Antragstellerin verweist zudem darauf, dass die Antragsgegnerin ihre eigene PZN-Nummer per Aufkleber aufgebracht habe. Hierzu hat der Senat bereits im Urteil vom 19.07.2018, 6 U 54/17 (GRUR 2018, 1151 – Urgo Tül) entschieden, dass sich die Markeninhaberin aus diesem Grund dem Vertrieb nicht berechtigt widersetzen kann. Wenn der Aufkleber mit der PZN – für sich genommen – schon keine Veränderung im Sinne des Art. 15 II UMV darstellt (EuGH GRUR 2018. 736 – Debrisoft), darf sich die Antragstellerin dem weiteren Vertrieb aus diesem Grund auch nicht widersetzen.

Soweit schließlich die Antragstellerin schließlich erstmals in der Berufungsinstanz rügt, die aufgebrachte Chargennummer und Haltbarkeitsdatum ordne der Verkehr irrtümlich der Antragstellerin zu, kann dahinstehen, ob es für eine derartige Beanstandung nach den seit der Biomineralwasser-Entscheidung des BGH geltenden Grundsätzen für die Bestimmung des Streitgegenstandes an der notwendigen Dringlichkeit fehlt (vgl. Senat, Urteil vom 08.11.2018, 6 U 77/18), da eine solcher Zuordnungsfehler des Verkehrs fern liegt. Schon durch die Positionierung direkt neben der Marke der Antragstellerin – und nicht neben den auf die Antragsgegnerin hinweisenden Informationen – wird der Verkehr eine Zuordnung zur Antragstellerin vornehmen. Hinzu kommt, dass dies typische Informationen sind, die der Hersteller und nicht der Importeur gibt. Diese Verkehrserwartung verstärkt den Eindruck.

4.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.

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