OLG Zweibrücken: Rechtsnatur des zahnärztlichen Behandlungsvertrags; Honoraranspruch bei Behandlungsfehler

1. Auch der zahnprothetische Behandlungsvertrag beurteilt sich grundsätzlich nach Dienstvertragsrecht (§§ 611 ff. BGB). Lediglich insoweit, als es um rein zahnlabortechnische Verarbeitungsfehler geht, gilt das werkvertragliche Gewährleistungsrecht.

2. Bei Schlechterfüllung des zahnprothetischen Behandlungsvertrags ist der Patient berechtigt, die Zahlung des ärztlichen Honoraranspruchs insoweit zu verweigern, als die ärztliche Leistung für ihn ohne Interesse ist.

3. Der Erlass eines die Klage zusprechenden Teilurteils über den Honoraranspruch des Zahnarztes ist regelmäßig dann unzulässig, wenn im Schlussurteil über Schadensersatzansprüche des Patienten wegen eines Behandlungsfehlers beziehungsweise Behandlungsmisserfolges zu entscheiden ist.

OLG Zweibrücken, Urt. v. 20.11.2001 – 5 U 20/01 (rechtskräftig)
Instanzen:
LG Frankenthal (Pfalz) - 5 O 408/00
BGB §§ 611, 627, 628 Abs. 1 S. 2; ZPO §§ 301, 539


I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil der 5. Zivilkammer des LG Frankenthal (Pfalz) vom 16.5.2001 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen.
II. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden niedergeschlagen.
Im Übrigen wird die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens dem LG Frankenthal (Pfalz) übertragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Wert der Beschwer beider Parteien wird auf 13.519,02 DM festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. In der Sache führt sie zu einem vorläufigen Erfolg.
Das Verfahren des ersten Rechtszuges leidet an einem wesentlichen Mangel. Der Erlass des Teilurteils vom 16.5.2001 war unzulässig. Die Sache ist deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen (§ 539 ZPO).
Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur darf ein Teilurteil nach § 301 ZPO nur dann erlassen werden, wenn die Entscheidung durch das über den Rest ergehende Schlussurteil unter keinen Umständen mehr berührt werden kann, so dass die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen ausgeschlossen ist. Widersprüchlichkeit meint dabei keinen Rechtskraftkonflikt, der bei Teilentscheidungen in aller Regel nicht auftritt, sondern umfasst bereits Fälle der Präjudizialität. Das heißt, die Entscheidung des Rechtstreits darf auch nicht nur eine Vorfrage für den entscheidungsreifen Teilstreit umfassen. Es darf mithin nicht auch zu einer nur unterschiedlichen Beurteilung bloßer Urteilselemente, die nicht in Rechtskraft erwachsen, kommen können. Für die in § 301 Abs. 1 ZPO gesondert erwähnte Widerklage gilt nichts anderes. Für die Annahme einer solchen Divergenzgefahr genügt bereits die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung im Instanzenzug. Ein Teilurteil darf insbesondere auch nicht bei Klage und Widerklage ergehen, wenn beide in einem unlösbaren Zusammenhang stehen (vgl. zu alledem: BGH v. 26.9.1996 – X ZR 48/95, MDR 1997, 593 = NJW 1997, 453; OLG Stuttgart v. 11.3.1998 – 20 U 98/97, OLGReport Stuttgart 1998, 207; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 301 Rz. 7, 9 jew. m.w.N.).
Die Zivilkammer hat mit dem angefochtenen Teilurteil die Beklagte zur Zahlung des geltend gemachten zahnärztlichen Honorars verurteilt, und zwar unbeschadet der geltend gemachten Behandlungsfehler bzw. des Behandlungsmisserfolges. Dies deshalb, weil die Beklagte nicht vorgetragen habe, den Behandlungsvertrag mit der Klägerin gekündigt zu haben. Nach § 628 Abs. 1 S. 2 BGB könne der aus dem Dienstvertrag Verpflichtete für seine Arbeit – aber nur dann – kein Entgelt verlangen, wenn er durch ein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teils veranlasst habe und seine Leistungen danach für den anderen Teil kein Interesse mehr hätten. Über die geltend gemachten Behandlungsfehler will das Erstgericht lediglich im Rahmen der von der Beklagten auf den Ersatz materiellen und immateriellen Schadens gerichteten Widerklage Beweis erheben.
Unter Beachtung o. dargestellter Grundsätze ist dies verfahrensfehlerhaft. Die Fehlerfreiheit der von der Klägerin erbrachten zahnärztlichen Leistungen ist sowohl für deren Honoraranspruch als auch für die Schadensersatzansprüche der Beklagten gleichermaßen von Bedeutung.
Der Senat teilt zunächst die Auffassung der Zivilkammer, wonach das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien dem Dienstvertragsrecht untersteht (§§ 611 ff. BGB). Dies gilt grundsätzlich auch für den zahnprothetischen Behandlungsvertrag. Die Fertigung und das Einpassen von Zahnkronen und -brücken sind als Dienstleistungen höherer Art i.S.v. § 627 BGB anzusehen und damit Gegenstand der einheitlichen Leistung „Zahnbehandlung” oder „Zahnversorgung”. Der Zahnarzt schuldet nicht den Erfolg seiner ärztlichen Bemühungen. Anderes gilt lediglich insoweit, als es um rein zahnlabortechnische Verarbeitungsfehler geht. Da diesbezüglich eine spezifisch zahnärztliche Heilbehandlung nicht vorliegt, gilt insoweit das werkvertragliche Gewährleistungsrecht (vgl. zu alledem: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 2. Aufl., § 39 Rz. 27; Könning, Versicherungsrecht 1989, 223 [228 f.]; v. Ziegner, MDR 2001, 1088 [1089]; OLG Stuttgart, AHRS, Kza. 0160/102; OLG Zweibrücken, AHRS, Kza. 0160/5, jew. m.w.N.).
Der Senat vermag aber der Auffassung der Zivilkammer schon insoweit nicht zu folgen, als der Honoraranspruch der Klägerin deshalb nicht gem. § 628 Abs. 1 S. 2 BGB entfallen sei, weil die Beklagte nicht vorgetragen habe, den Behandlungsvertrag mit der Klägerin gekündigt zu haben. Ohne Kündigung bzw. einvernehmliche Beendigung des Dienstvertrages (zur Geltung des § 628 BGB bei Auflösung des Dienstverhältnisses durch Aufhebungsvertrag s. Schwerdtner in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 628 Rz. 12 m.w.N.) wäre der Honoraranspruch der Klägerin bereits nicht fällig. Weder § 614 BGB noch die Gebührenordnungen der Ärzte und Zahnärzte (GOÄ bzw. GOZ) beinhalten eine grundsätzliche Vorschusspflicht des Patienten; eine dahingehende besondere Vereinbarung der Parteien wird nicht behauptet. Nach Sachlage gehen beide Parteien erkennbar von der Beendigung der vertraglichen Beziehungen aus. Die Klägerin hat der Beklagten ihre Leistungen in Rechnung gestellt – nicht etwa die Zahlung eines Vorschusses angefordert; die Beklagte hat sich letztlich anderweitig zahnärztlich versorgen lassen. Die Annahme, dass ihr, insbesondere nach Erhebung von Klage und Widerklage, an der Fortsetzung des Behandlungsverhältnisses gelegen sei, entbehrt jeder nachvollziehbaren Begründung.
Von alledem abgesehen regelt § 628 BGB, allein die Rechtsfolgen der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses im Hinblick auf die dadurch bedingte Teil- oder Nichterfüllung der Dienstleistung, nicht aber deren Schlechterfüllung.
Bei unterschiedlichem dogmatischem Ansatz sind sich Rechtsprechung und Literatur jedenfalls im Ergebnis einig, dass dann, wenn die Dienstleistung wegen der vom Dienstleistenden zu vertretenden Schlechterfüllung für den Dienstberechtigten kein Interesse hat, dieser berechtigt ist, im Umfang des fehlenden Interesses die Bezahlung der Vergütung zu verweigern. Es besteht zumindest weitgehend Übereinstimmung, dass dem Patienten im Falle schuldhafter Schlechtleistung des behandelnden Arztes ein Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung erwächst, der zur Befreiung von der Honorarverbindlichkeit führt. Ob dieses Ergebnis rechtskonstruktiv in der Weise zu begründen ist, dass ein aufrechenbarer Schadensanspruch bejaht, eine begründete „dolo-petit”-Einrede nach § 242 BGB angenommen, dem Patienten die (dauerhafte) Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 BGB an die Hand gegeben oder ein inhaltlich auf Freistellung gerichteter Schadensersatzanspruch zuerkannt wird, mag dahinstehen. Ein Schadensersatzanspruch des Patienten aus positiver Vertragsverletzung kann dem Vergütungsanspruch des Zahnarztes jedenfalls entgegengehalten werden, ohne dass es einer Aufrechnungserklärung bedarf. Der Schaden ist in der Weise zu ersetzen, dass der (Zahn-)Arzt keine Vergütung erlangt (vgl. zu alledem: OLG Köln v. 25.5.1986 – 7 U 77/84, VersR 1987, 620; OLG Düsseldorf v. 2.2.1984 – 8 U 71/83, VersR 1985, 456; OLG Saarbrücken v. 21.4.1999 – 1 U 615/98–112, OLGReport Saarbrücken 2000, 401; BGH NJW 1978, 814; OLG Frankfurt v. 25.5.1995 – 23 U 371/93, OLGReport Frankfurt 1995, 134, VersR 1996, 1150; Rehborn, MDR 2001, 1148 [1153]; Kramer, MDR 1998, 324 m. zahlr. w.N.; Jaspersen, VersR 1992, 1431 m. zahlr. w.N.; Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 2. Aufl., § 82 Rz. 15).
Gemäß Beweisbeschluss der Zivilkammer vom 16.5.2001 soll im Rahmen der Widerklage über behauptete Behandlungsfehler der Klägerin Sachverständigenbeweis erhoben werden. Insbesondere dem in Punkt I.3. genannten Beweisthema liegt die Behauptung der Beklagten zugrunde, dass die Leistungen der Klägerin wertlos bzw. unbrauchbar gewesen seien. Dahingehenden Feststellungen aber kommt nach obigen Ausführungen sowohl für die Klage als auch für die Widerklage entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
Da das angefochtene Teilurteil mithin nicht ergehen durfte, liegt ein zur Aufhebung und Zurückverweisung nötigender Verfahrensmangel vor. Zwar wäre der Senat berechtigt, den gesamten Rechtsstreit entsprechend § 540 ZPO „an sich zu ziehen”, also umfassend zu entscheiden (vgl. BGH v. 29.10.1986 – IVb ZR 88/86, MDR 1987, 301 = NJW 1987, 441 [442]; OLG Hamm v. 18.1.1989 – 26 U 22/88, NJW-RR 1989, 827 [828]; OLG Naumburg v. 17.12.1996 – 7 U 196/95, OLGReport Naumburg 1997, 271). Diese Vorgehensweise erscheint indes vorliegend nicht angezeigt, da der gesamte Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif ist und umfassend Beweis zu erheben sein wird. Angesichts dessen soll den Parteien der Verlust einer Instanz nicht zugemutet werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens muss dem LG überlassen bleiben, da über die gesamten Kosten des Prozesses einheitlich zu entscheiden ist und das Maß des beiderseitigen Obsiegens und Unterliegens der Parteien noch nicht feststeht. Die Nichterhebung im Berufungsverfahren entstandener Gerichtskosten wegen unrichtiger Sachbehandlung beruht auf § 8 Abs. 1 S. 1 GKG. Dies kann schon jetzt ausgesprochen werden (vgl. OLG Zweibrücken, JurBüro 1979, Sp. 248).
Die Festsetzung der Beschwer beruht auf § 546 As. 2 S. 1 ZPO. Auch die Beklagte als Rechtsmittelführerin ist durch das Urteil beschwert, da die von ihr begehrte Sachentscheidung nicht ergeht.
Hoffmann, Geisert, Heise

OLG Zweibrücken vom 20.11.2001
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