OLG Koblenz: Haftung für gebrochene Hüftgelenksprothese

Wegen des Bruchs des Kopfs einer Hüftgelenksprothese waren der Operateur sowie das Krankenhaus beklagt.

  1. Das Krankenhaus war gehalten, die im Rahmen der  Revisionsoperation entnommenen Teile der Hüftgelenksprothese aufzubewahren, um der Überlassungspflicht zu Prothesenkontrollzwecken gemäß § 11 Abs. 1 MPSV genügen zu können. Eine demgegenüber erfolgte Entsorgung führt allerdings nur dann zu einer Beweislastumkehr zu Gunsten des Klägers, wenn durch die Entsorgung seine Beweischancen beeinträchtigt wurden (hier hätte bei einer Materialuntersuchung von vornherein keine Aussicht bestanden, die Schadensursache zu ergründen).
  2. Eine Schadensverantwortlichkeit ergibt sich nicht daraus, dass ein Implantat unter Verstoß gegen § 10 Abs. 1 und 2 MPG nicht mit einer CE-Kennzeichnung versehen war, wenn es tatsächlich CE-zertifiziert war.
  3. Das Zusammenfügen des Prothesenschafts mit dem Gelenkkopf ist grundsätzlich Herstellung eines Produkts gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG. Anderes kann nur gelten, wenn die zusammengefügten Teilstücke von ein und demselben Hersteller bezogen und dann nach dessen vorgezeichneter Anleitung miteinander kombiniert worden wären.
  4. Aus dem bloßen Umstand, dass der Gelenkkopf zerbrach, ergibt sich noch kein Nachweis eines Produktfehlers gemäß § 3 ProdHaftG, weil mit einem solchen Bruch statistisch gerechnet werden musste.
OLG Koblenz, Beschluss (gemäß § 522 Abs. 2 ZPO) v. 26.02.2013 – 5 U 1474/12 (rechtskräftig)
Instanzen:
LG Mainz - 2 O 141/11
BGH vom 17.09.2013 - VI ZR 142/13
§ 1 Abs. 1, Abs. 4 ProdHftG, § 10 Abs. 2 MPG, § 11 MPSV
Andere Fundstellen: GesR 2013, 735


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Mainz vom 8.11.2012 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Dieses Urteil und der hiesige Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht von der anderen Seite Sicherheit in entsprechender Höhe gestellt wird.

Gründe:

Die Entscheidung ergeht gem. §§ 522 Abs. 2, 97 Abs. 1 708 Nr. 10, 711 ZPO. Ihre sachlichen Grundlagen ergeben sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils und dem Senatsbeschluss vom 24.1.2013. Dort hat der Senat mitgeteilt:

„I. Dem damals 53-jährigen Kläger wurde am 28.5.2003 im Krankenhaus der Beklagten zu 1. linksseitig eine Hüfttotalendoprothese eingesetzt. Dabei handelte es sich um ein Kurzschaft-Implantat, das mit einem Gelenkkopf aus Keramik versehen wurde; auch die Gelenkpfanne war in ihrer inneren Verkleidung in Keramik ausgeführt.

Nach der Ansicht des Klägers war diese Materialauswahl verfehlt, da sie ein Bruchrisiko bedeutet habe. Darüber sei er ebenso wenig informiert worden, wie man ihm mitgeteilt habe, dass die gewählte Prothesenform nicht langfristig in ihrer Bruchresistenz erprobt gewesen sei. Zudem habe man den Gelenkkopf ungenügend fixiert; eine bildgebende Kontrolle, bei der dies hätte bemerkt werden können, sei unterblieben. Ein weiterer Mangel habe darin gelegen, dass sich auf der Prothese keine – die Konformität mit den einschlägigen EU-Richtlinien signalisierende – CE-Kennzeichnung befunden habe.

Nach einer dreijährigen beschwerdefreien Phase hatte der Kläger am 16.10.2006 im linken Hüftgelenk starke Schmerzen. Man diagnostizierte einen Bruch des Prothesenkopfs. Daraufhin brachte man am 18.10.2006 im Krankenhaus der Beklagten zu 1. in Auswechslung des Prothesenschafts und des Pfanneninlays ein – zur Gewährleistung des Halts in dem ausgefrästen Oberschenkelknochen – in seinem Schaft längeres Neuimplantat ein. Die unbrauchbaren alten Gelenkteile wurden entsorgt. Gemäß dem Vorbringen des Klägers saß der Prothesenschaft von vornherein nicht sicher. Unabhängig davon habe man ihm verschwiegen, dass es nachträglich zu Lockerungen kommen könnte.

Im weiteren Verlauf sank der neue Prothesenschaft leicht im Oberschenkelknochen ein, so dass sich das linke Bein des Klägers geringfügig verkürzte. Außerdem traten gegen Ende des Jahres 2006 schmerzhafte Luxationen auf, nach denen der Gelenkkopf repositioniert werden musste.

Unter Hinweis auf die entstandenen Probleme sowie auf seiner Schilderung nach wiederkehrende Schmerzen und anhaltende Gangunsicherheiten hat der Kläger die Beklagte zu 1., gestützt auf den Vorwurf von Behandlungsfehlern und Aufklärungsversäumnissen, im vorliegenden Rechtsstreit auf Zahlung eines mit mindestens 25.000 € zu beziffernden Schmerzensgelds und den Ausgleich vorgerichtlicher Anwaltskosten von 1.694,26 € in Anspruch genommen, sowie die Feststellung der weiter gehenden Ersatzhaftung beantragt. Dieses Verlangen hat er später auf den – im Haus der Beklagten zu 1. ärztlich tätigen – Beklagten zu 2. erstreckt, weil dieser ihn vor der Primärimplantation vom 28.5.2003 nicht hinreichend aufgeklärt habe.

Das LG hat den Kläger und den Beklagten zu 2. angehört und zwei Sachverständige befragt, von denen sich einer bereits in einem vom Kläger eingeleiteten Beweissicherungsverfahren gutachtlich geäußert hatte. Sodann hat es die Klage abgewiesen. Aus seiner Sicht lassen sich weder für den 28.5.2003 noch für den 18.10.2006 ärztliche Fehler feststellen. Ein irgendwie gearteten Beweisvorteil im Hinblick darauf, dass die Bruchstücke der Erstprothese nicht mehr vorhanden seien, habe der Kläger dabei nicht. Dessen Aufklärung vor der Primärimplantation sei regelgerecht gewesen. Im Hinblick auf die Zweitoperation sei keine Aufklärungsrüge erhoben worden.

Diese Entscheidung greift der Kläger in Erneuerung seines erstinstanzlichen Verlangens mit der Berufung an. Vorsorglich beantragt er die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LG. Er meint, dass sich das angefochtene Urteil nicht auf verlässliche gutachterliche Erkenntnisse gestützt habe. Zudem sei übergangen worden, dass ihm eine Beweiserleichterung zugute komme, weil die Beklagte zu 1., die die am 28.5.2003 eingesetzte Prothese aus in ihrer Kombination nicht autorisierten Einzelteilen zusammengefügt habe, deshalb Produktherstellerin sei und überdies durch die Entsorgung des gebrochenen Gelenkkopfs und des Pfanneninlays relevante Beweismittel beseitigt habe. Außerdem erhält der Kläger den Vorwurf einer mangelnden Aufklärung vor der Erstimplantation aufrecht.

II. Damit vermag der Kläger nicht durchzudringen. Es muss bei der abweisenden Entscheidung des LG verbleiben.

1. Das Begehren des Klägers wird auf zwei verschiedene Lebenssachverhalte gestützt und damit aus zwei Streitgegenständen hergeleitet, indem es zum Einen an die grundlegende prothetische Versorgung vom 28.5.2003 und zum anderen an den Revisionseingriff vom 18.10.2006 anknüpt. Hinsichtlich beider Geschehnisse steht der Vorwurf fehlerhaften ärztlichen Handelns im Raum. Außerdem wird eine Aufklärungsrüge erhoben. Diese Rüge ist allerdings nunmehr -anders als in erster Instanz- auf behauptete Defizite im Zusammenhang mit der Erstimplantation beschränkt. Hinsichtlich der Aufklärung im Bezug auf die Folgeoperation ist innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO kein Berufungsangriff geführt worden. Deshalb lässt sich die Entscheidung des LG, es könne hier – mangels einer Beanstandung des Klägers – nicht von Versäumnissen der Beklagten ausgegangen werden, im Rechtsmittelverfahren nicht mehr in Frage stellen (BGH MDR 2007, 599). Vor diesem Hintergrund scheidet eine Haftung der Beklagten aus.

2. Das gilt von vornherein in Bezug auf den Beklagten zu 2. Die gegen ihn gerichtete Klage ist allein auf Aufklärungsversäumnisse vor der Operation vom 28.5.2003 gegründet worden. Das trägt nicht:

a) Der Kläger wusste, dass ihm eine Prothese mit einem Gelenkkopf aus Keramik eingesetzt werden würde (so das eigene Vorbringen gemäß dem Sitzungsprotokoll vom 31.5.2012 Seite 9 = Blatt 215 GA) und dass eine Bruchgefahr bestand (Aufklärung vom 26.5.2012, Bogen Seite 3 = Blatt 186 GA). Dass diese Gefahr zu gering eingeschätzt worden wäre, ist nicht zu ersehen; es ging objektiv um eine statistisch minimale Größe (Anhörung Dr. H., Sitzungsprotokoll vom 18.10.2012 Seite 5 = Blatt 301 GA).

b) Verborgen blieb dem Kläger allerdings seiner Darstellung nach, dass das Inlay der Gelenkpfanne ebenfalls aus Keramik sein sollte. Das bedeutete jedoch, verglichen mit der vom Kläger erwarteten Kunststoffauskleidung, kein erhöhtes Frakturrisiko für den Gelenkkopf (Anhörung Dr. H. vom 18.10.2012, Sitzungsprotokoll Seite 6 = B. 302 GA). Freilich konnte ein Pfanneninlay aus Keramik seinerseits eher brechen als ein Inlay aus Kunststoff. Ein solcher Schaden ist jedoch ausgeblieben, so dass an das vom Kläger behauptetete Aufklärungsdefizit Ersatzansprüche nicht anknüpfen können (BGH v. 15.2.2000 – VI ZR 48/99, MDR 2000, 1012 m. Anm. Terbille = MDR 2000, 701 = FamRZ 2000, 809 = NJW 2000, 1784; Sprau in Palandt, BGB, 72. Aufl., § 823 Rz. 158).

c) Über die – alternativlose – Notwendigkeit, dass bei einem irgendwann in Zukunft anstehenden Prothesenaustausch aus Gründen einer festen Verankerung eine größere als die bisherige Prothese zu implantieren sein würde, brauchte, wie das LG richtig gesehen hat, nicht aufgeklärt zu werden. Damit erübrigt sich die Frage nach einer hypothetischen Einwilligung des Klägers in diesem Zusammenhang. All das kann jedoch letztlich auf sich beruhen. Denn tatsächlich war der Kläger, entgegen seinem Vortrag ausreichend informiert (Anhörung des Beklagten zu 2., Sitzungsprotokoll vom 18.10.2012 Seite 9 = Blatt 305 GA).

3. Auch die Inanspruchnahme der Beklagten zu 1. scheitert.

a) Der Eingriff vom 28.5.2003 gibt keine Fehler zu erkennen.

aa) Es war adäquat, eine Kurzschaftprothese einzusetzen, weil unter Berücksichtigung des Lebensalters des Klägers mittel- bis langfristig ein Prothesenersatz anstand, der besser in den Oberschenkel eingebracht werden konnte, wenn dort nicht von vornherein tiefgreifend ausgefräst worden war (Anhörung Prof. Dr. F. vom 31.5.2012, Protokoll Seite 2 = Blatt 208 GA). Der Kläger beanstandet zu Unrecht, dass ein Gelenkkopf aus Keramikmaterial gewählt wurde. Eine Metallkugel, die alternativ in Betracht gekommen wäre, bot sich aus Gründen eines erhöhten Abriebs im Hinblick auf das relativ junge Lebensalter des Klägers nicht an (Anhörung Prof. Dr. F. vom 18.10.2012, Protokoll Seite 5 f. = Blatt 301 f. GA). Freilich hätte es hier keine Bruchgefahr gegeben. Dieser Vorteil fiel aber im Verhältnis nicht maßgeblich ins Gewicht. Das statistische Frakturrisiko von Keramik lag bei deutlich unter 1 Promille (Anhörung Dr. H. vom 18.10.2012, Protokoll Seite 5 = Blatt 301 GA sowie Anhörung Prof. Dr. F. vom 18.10.2012, Protokoll Seite 8 = Blatt 304 GA). Demgemäß werden Gelenkköpfe aus Keramik heute allgemein bevorzugt (Anhörung Prof. Dr. F. vom 18.10.2012 Protokoll Seite 8 = Blatt 303 GA).

bb) Ein handwerklicher Fehler beim Aufsetzen des Gelenkkopfs auf den Konus des Prothesenschafts ist nicht zu ersehen. Die Fixierung ist ein Routinevorgang, der allgemein ohne Schwierigkeiten handhabbar ist. Konkret indiziert die über dreijährige Beschwerdefreiheit, die sich an die Implantation anschloss, einen primär ordnungsgemäßen Sitz (Gutachten Prof. Dr. F. vom 10.1.2012 Seite 21 = Blatt 121 GA). Auch die postoperativ durchgeführte Röntgendiagnostik ergab keine Auffälligkeiten (Gutachten Prof. Dr. F. vom 10.1.2012 Seite 21 = Blatt 121 GA und Anhörung Dr. H. vom 18.10.2012, Protokoll Seite 4 = Blatt 300 GA).

Freilich hat Dr. H. in Interpretation späterer Aufnahmen gemeint, dass sich der Gelenkkopf mittelfristig vom Schaft wegbewegt habe (Gutachten vom 15.5.2009 Seite 9 = Blatt 17 GA und vom 28.9.2009 Seite 5 = Blatt 22 GA sowie Anhörung vom 18.10.2012, Protokoll Seite 3 = Blatt 299 GA). Daraus hat er aber nicht auf eine von vornherein mangelhafte Befestigung geschlossen (gegen einen solchen Schluss explizit Anhörung Prof. Dr. F. vom 18.10.2012, Protokoll Seite 4 = Blatt 300 GA). Außerdem ist fraglich, ob es die von Dr. H. beschriebene Bewegung überhaupt gegeben hat. Prof. Dr. F. hat das nachdrücklich bezweifelt, weil die Bilder, auf die sich Dr. H. gestützt hat, mangels einer dreidimensionalen Darstellung keine verlässliche Aussage erlaubten (Anhörung vom 31.5.2012, Protokoll Seite 4 = Blatt 210 GA). Die verbleibende Ungewissheit wirkt sich zu Lasten des Klägers aus, der für ein pflichtwidriges Handeln auf Seiten der Beklagten zu 1. beweispflichtig ist. Die Beweislastumkehr, die er zu seinen Gunsten reklamiert, weil der Gelenkkopf und das Pfanneninlay im Zuge des Prothesenaustauschs vom 18.10.2006 durch die Beklagte zu 1. entsorgt wurden, findet nicht statt. Dabei kann unterstellt werden, dass die Beklagte zu 1. gehalten war, die Teile aufzubewahren, um einer Überlassungspflicht zu Prothesenkontrollzwecken gem. § 11 Abs. 1 MPSV genügen zu können. Denn daraus ergibt sich allenfalls dann ein Beweisvorteil, wenn der Kläger durch die Beseitigung in seinen Beweischancen beeinträchtigt wurde (BGH v. 23.11.2005 – VIII ZR 43/05, MDR 2006, 510 = NJW 2006, 434; Geimer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 427 Rz. 1). Daran fehlt es jedoch. Bei einer Materialuntersuchung hätte von vornherein keine Aussicht darauf bestanden, die Schadensursache zu ergründen. Auch Abriebspuren, wie namentlich Riefen, die möglicherweise auf den Kugelbruchstücken und im Pfanneninlay festzustellen gewesen wären, hätten hier keine verlässliche Aussage erlaubt (Anhörung Prof. Dr. F. vom 31.5.2012, Protokoll Seite 6 = Blatt 212 GA und Anhörung Dr. H. vom 18.10.2012, Protokoll Seite 4 = Blatt 300 GA).

cc) Genauso wenig trifft die Beklagte zu 2. eine Schadensverantwortlichkeit, weil die Prothetik nicht mit einer CE-Kennzeichnung versehen war. Darin mag zwar ein Verstoß gegen die EG-Verordnung Nr. 765/2008 und den EG-Beschluss Nr. 768/2008 gelegen haben. Aber aus diesem formalen Mangel ergibt sich allenfalls eine wettbewerbsrechtliche Haftung (vgl. OLG Frankfurt GRURPrax 2012, 518). Sicherheitsbelange des Klägers wurden nicht tangiert, weil das Implantat tatsächlich CE-zertifiziert war.

dd) Mithin lässt sich ein haftungsbegründender Pflichtverstoß im Zusammenhang mit dem Eingriff vom 28.5.2003 nicht erkennen. Darüber hinaus ist insoweit auch kein Raum für Ansprüche aus § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG. Allerdings vermag die Erwägung des LG, die vom Krankenhaus (zu dessen Herstellerhaftung im Unterschied zur fehlenden Einstandspflicht des ausführenden Operateurs vgl. Oechsler in Staudinger, BGB, 2009, § 4 ProdHaftG Rz. 9 ff.) zu verantwortende Zusammenfügung des Prothesenschafts mit dem Gelenkkopf sei nicht die Herstellung eines Produkts i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG, nicht zu greifen. Der Gelenkkopf wurde am 28.5.2003 intraoperativ auf den Konus des Prothesenschafts aufgesteckt. Dieser Vorgang, bei dem aus zwei Einzelteilen ein funktionstaugliches Ersatzstück geschaffen wurde, unterfiel § 4 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG (Oechsler, a.a.O., § 4 ProdHaftG Rz. 21 f.; Sprau in Palandt, BGB, 72. Aufl., § 4 ProdHaftG Rz. 3; Wagner in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 4 ProdHaftG Rz. 8). Dass es sich bei dem neu entstandenen Produkt um ein Körperimplantat handelte, ändert daran nichts (Oechsler, a.a.O., § 2 ProdHaftG Rz. 39; Wagner, a.a.O., § 2 ProdHaftG Rz. 17; Graf von Westphalen in Foerste/Graf von Westphalen, Produkthaftungshandbuch, 3. Aufl., § 49 Rz. 20). Ein tatbestandlich relevantes Herstellungsgeschehen ließe sich allenfalls dann verneinen, wenn die zusammengefügten Teilstücke von ein und demselben Produzenten bezogen und dann nach dessen vorgezeichneter Anleitung miteinander kombiniert worden wären (so Wagner, a.a.O., § 4 ProdHaftG Rz. 8; a.A. jedoch Oechsler, a.a.O., § 4 ProdHaftG Rz. 27; Graf von Westphalen, a.a.O., § 49 Rz. 19 f.). Davon kann indessen keine Rede sein. Die von einer solchen Sondersituation verschiedenen Gegebenheiten des vorliegenden Falls wurden im Termin vom 31.5.2012 erörtert (Anhörung Prof. Dr. F., Protokoll Seite 5 = Blatt 211 GA). Mit diesen Erwägungen ist jedoch am Ende nichts gewonnen. Denn es steht nicht fest, dass die implantierte Prothese von ihrem Material oder ihrer Zusammenfügung her mit einem Fehler (§ 3 ProdHaftG) behaftet war; dafür trägt der Kläger die Beweislast (§ 1 Abs. 4 S. 1 ProdHaftG). Aus dem bloßen Umstand, dass der Gelenkkopf zerbrach, lässt sich insoweit nichts ableiten, weil damit statistisch gerechnet werden musste.

ee) Ein Aufklärungsversäumnis in Bezug auf die Operation vom 28.5.2003 kann der Beklagten zu 1. nicht angelastet werden (vgl. oben 2.).

b) Auch im Rahmen des Austauschs der Prothese, der am 18.10.2006 stattfand, hat sich die Beklagte zu 1. nicht ersatzpflichtig gemacht. Der Kläger beanstandet, dass der neue Implantatschaft in den Oberschenkelknochen habe einsinken können, weil er nicht richtig eingepasst worden sei. Dafür gibt es keine tragfähige Grundlage. Das – geringfügige – Absinken des Schafts erklärt sich ohne weiteres aus einem altersgemäß natürlichen Knochenverlust und stellt insofern eine typische Komplikation dar (Anhörung Prof. Dr. F. vom 31.5.2012, Protokoll Seite 4 f. = Bl. 210 f. GA). Für ein zu tiefes Ausfräsen des Oberschenkelknochens gibt es keinen Anhalt (Gutachten Prof. Dr. F. vom 10.1.2012 Seite 21 = Blatt 121 GA). Das Vorgehen auf Seiten der Beklagten zu 1. war auch nicht deshalb kritikwürdig, weil der Kläger unter einer Osteopenie litt. Darin lag keine Kontraindikation für den vollzogenen Implantataustausch (Prof. Dr. F., Anhörung vom 31.5.2012, Protokoll Seite 5 = Blatt 211 GA) Die dem Eingriff nachfolgenden Luxationen deuten nicht auf einen operativen Fehler hin. Sie waren die Folge eines letztlich unvermeidlichen Nachlassens der Muskelspannkraft (Anhörung Prof. Dr. F. vom 31.5.2012, Protokoll Seite 3 = Blatt 209 GA).

c) Der Kläger meint zu Unrecht, dass die ihm ungünstigen Ausführungen Prof. Dr. F –s keine Berücksichtigung finden dürften, weil sie Mängel hätten und damit fragwürdig seien. Dieser insbesondere im Schriftsatz vom 29.10.2012 = Blatt 322 ff. GA erhobene Vorwurf trifft nicht zu: Prof. Dr. F. hat nicht in Abrede gestellt, dass der Gelenkkopf zunächst in einer Druckbewegung auf den Schaftkonus aufgesteckt werden musste, ehe er festgeklopft wurde. Soweit sie die Bruchrate für Keramikköpfe anfänglich deutlich höher als Dr. H. angegeben hatte, erklärt sich das aus den verschiedenen Informationsquellen. Prof. Dr. F. hatte ihre Zahlen einem generalisierenden wissenschaftlichen Aufsatz entnommen; Dr. H. hatte sich dagegen auf die Angaben des konkreten Herstellers gestützt, und das hat Prof. Dr. F. als valabel anerkannt.

4. Nach alledem besteht auch kein Anlass dazu, die Rechtssache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung in die erste Instanz zurückzuverweisen.“

Diese Erwägungen gelten fort. Mit Blick auf das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 21.2.2012 wird zusätzlich bemerkt:

a) Nach den sachverständigen Erkenntnissen war die – durch empirische Erhebungen des Herstellers ermittelte – statistische Bruchwahrscheinlichkeit für den 2003 konkret implantierten Gelenkkopf minimal. Auf das Risiko ist der Kläger hingewiesen worden (Aufklärung vom 26.5.2012, Bogen S. 3 = Bl. 186 GA).

Dafür dass der Einsatz eines Pfanneninlays aus Kunststoff die Fraktur des Gelenkkopfs unwahrscheinlicher gemacht hätte, gibt es keinerlei Anhalt (Anhörung Dr. H., Sitzungsprotokoll vom 18.10.2012 S. 5 = Bl. 301 GA: „keine erhöhte Bruchgefahr durch die hier verwendete Kombination“). Insofern ist nicht zu ersehen, dass Alternativen mit unterschiedlichen Chancen im Raum gestanden hätten, über die zu informieren gewesen wäre. Erst recht gab es keine greifbaren Erfolgsungewissheiten, wie sie in dem vom Kläger zitierten Fall (KG v. 15.12.2003 – 20 U 105/02, GesR 2004, 369 = NJW-RR 2004, 458) vorhanden waren.

b) Die Darstellung des Aufklärungsgesprächs durch den Beklagten zu 2. kann als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden. Hier gelten keine strengen Maßstäbe (BGH v. 10.3.1981 – VI ZR 202/79, MDR 1981, 1003 = NJW 1981, 2002; BGH v. 12.11.1991 – VI ZR 369/90, MDR 1992, 651 = VersR 1992, 237). Bei seiner Beweiswürdigung weicht der Senat auch nicht von Vorgaben des LG ab.

c) Die Kurzschaft(Mayo)-Prothese war im Hinblick auf das Lebensalter des Klägers die Prothese der Wahl (Anhörung Prof. Dr. F. vom 31.5.2012, Protokoll S. 2 = Bl. 208 GA). Das war im Übrigen Gegenstand des vom Beklagten zu 2. geschilderten Aufklärungsgesprächs.

d) Der Mutmaßung des Klägers, der Prothesenkopf sei nicht sachgerecht fixiert worden, ist von dem Beklagten zu 1. widersprochen worden (Schriftsatz vom 24.5.2011 S. 2 = Bl 36 GA). Einer entsprechenden Annahme steht zudem die Einschätzung der Sachverständigen entgegen (Gutachten Prof. Dr. F. vom 10.1.2012 S. 21 = Bl. 121 GA und Anhörung Dr. H. vom 18.10.2012, Protokoll S. 4 = Bl. 300 GA). Die Begutachtung der – abhanden gekommenen – Fragmente hätte hier keinen verlässlichen Aufschluss geben können. Dr. H., auf dessen Anhörung vom 18.10.2012 (Protokoll S. 4 = Bl. 300 GA) der Kläger hier abhebt, hat geäußert, selbst große Bruchstücke hätten nichts darüber ausgesagt, ob der Gelenkkopf primär ordnungsgemäß saß (ähnlich Prof. Dr. F., Anhörung vom 31.5.2012, Protokoll S. 6 = Bl. 212 GA). Darüber hinaus gibt es auch keinen greifbaren Anhalt dafür, dass ein Materialfehler hätte festgestellt werden können. Ein sicherer Beweis in diese Richtung wäre nicht möglich gewesen (Anhörung Prof. Dr. F. vom 31.5.2012, Protokoll S. 6 = Bl. 212 GA).

e) Aus einer Verletzung von § 10 Abs. 1 und 2 MPG lässt sich ein Produktfehler nicht herleiten. Dafür geben weder der Gesetzestext noch die vom Kläger angeführte Entscheidung des OLG Hamm (VersR 2011, 677) etwas her. Kontroversen, die einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen, sind nicht zu ersehen. Genauso wenig muss im vorliegenden Fall höchstrichterlich darüber befunden werden, ob die Zusammensetzung von Prothesenteilen der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG unterfällt. Dass der Senat dies – im Sinne des Klägers – bejaht, ist unerheblich, weil sich daraus kein Anspruch ergibt, und steht deshalb auch einer Beschlussfassung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht im Wege (vgl. Heßler in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 522 Rz. 38 f. und § 543 Rz. 6a).

f) Die Mitteilungen Dr. H´s und Prof. Dr. F´s erlauben insgesamt eine fundierte Beurteilung. Unaufgelöste Widersprüche, die der Kläger in den Ausführungen Prof. Dr. F´s zu erkennen glaubt, sieht der Senat nicht. Das ist bereits im Beschluss vom 24.1.2013 dargelegt worden. Für die Befragung eines weiteren Sachverständigen (§ 412 ZPO) besteht keine hinreichende Veranlassung.

2. Rechtsmittelstreitwert: 35.000 € (Schmerzensgeldantrag 25.000 €, Feststellungsbegehren 10.000 €)

Hinweis:

Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers durch Beschluss vom 17.9.2013 zurückgewiesen und von einer näheren Begründung seiner Entscheidung abgesehen (VI ZR 142/13)

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