LG Limburg: Werbung für Implantate mit ärztlicher Empfehlung

Der Gesetzgeber hat die Verbotstatbestände für Medizinprodukte im HWG ausdrücklich festgelegt. Die Werbung für Medizinprodukte außerhalb der Fachkreise ist anders zu beurteilen als für Arzneimittel. Für Medizinprodukte ist die Werbung mit einer ärztlichen Empfehlung erlaubt. Die Werbung wird nicht dadurch unzulässig, dass darin auch das chirurgische Verfahren beschrieben wird. Es wäre widersinnig, wenn eine ärztliche  Empfehlung für das Implantat erlaubt wäre, der Hinweis auf das chirurgische Verfahren hingegen nicht, wenn die Funktionsweise des Implantats notwendigerweise einen chirurgischen Eingriff voraussetzt.

LG Limburg, Urteil v. 04.03.2016 – 5 O 17/15 (nicht rechtskräftig)
Instanzen:
OLG Frankfurt (6 U 64/16)
§ 3 a UWG, § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG


Tatbestand:

Die Beklagte entwickelt Produkte zur Behandlung von Herzkreislauf- und Gefäßerkrankungen; so auch ein … zur Behandlung von koronaren Herzkrankheiten.

Therapiert wird dieser Erkrankung gewöhnlich mittels Angioplastie: der in die Arterie eingebrachte Ballon drückt die gefäßverengende Plaque gegen die Gefäßwände und verbessert so den Durchfluss, oder mittels eines Koronarstents. Hierbei wird mit dem in das Gefäß eingebrachten Ballon ein Röhrchen aus Metallgeflecht an die verengte Stelle der Arterie verbracht und in die Gefäßwand implantiert, um so den Blutdurchfluss zu verbessern. Der Stent ist mit einem Wirkstoff versehen, der in der Gefäßwand das Wachstum des Gewebes kontrollieren soll (DES). Der Stent verbleibt dauerhaft im Gefäß.

Das von der Beklagten entwickelte und auf deren homepage als … umschriebene … wird vergleichbar dem Koronarstent mittels des Anglioplastieballons in die Arterie und dort an die verengte Stelle verbracht und in die Gefäßwand implantiert. Ein Wirkstoff wird ausgebracht, um das Gewebewachstum zu kontrollieren und so übermäßigem Wachstum vorzubeugen. Im Unterschied zu dem „herkömmlichen“ Koronarstent.

Über die eigenständige Sachsucheingabe kann jeder Internetnutzer auf die unter dem Impressum der Beklagten laufende Internetseite gelangen, auf der das von der Beklagten entwickelte … auch verbal und optisch beschrieben wird. Eine direkte Verlinkung führt zu der Patientengeschichte einer Person, „…“ der ein … eingesetzt wurde. Das Video zeigt dem Betrachter zunächst individualisierte … die Krankengeschichte nach einem bereits erlittenen Herzinfarkt mitteilt u.a. wie folgt:

In den folgenden Sequenzen des Mitschnitts wird in OP – typischer Bekleidung Prof. Dr. … von dem Universitätsklinikum … eingeblendet. Er schildert …

Das Video schließt mit dem Namen der Beklagten und u.a. dem Hinweis darunter, es handele sich hierbei um keine Therapieempfehlung. Wegen des Inhalts des Werbefilms der Beklagten wird auf den Dateiinhalt der CD-Rom, Bl. 54 d.A. u. die bildliche Wiedergabe desselben, Bl. 55–59 d.A., Bezug genommen.

Der Kläger sieht hierin einen Verstoß gegen das Werbeverbot in § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Heilmittelwerbegesetz (HWG) und hat die Beklagte deshalb ohne Erfolg mit Schreiben vom 12.2.2015 abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an einem der Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, geschäftlich handelnd eine Koronarintervention durch Einsetzen eines … in ein Herzkranzgefäß mit der Empfehlung eines Arztes zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, wenn dies geschieht wie in dem Video „…“ gemäß der Anlage K 6.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahmen der Videodatei Bl. 54 d.A. durch Abspielen über den Rechner im Sitzungssaal sowie der Internetseite … ebenda.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet und unterliegt daher der Abweisung.

Der Kläger hat keinen Unterlassungsanspruch, §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2; 3 Abs. 1 u. 2 a.F.; 3 Abs. 2 n.F.; 4 Nr. 11 a.F.; 3a n.F. UWG; 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG, gegen die Beklagte.

Das in § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG erfasste Werbeverbot verkörperte und verkörpert grundsätzlich eine Marktverhaltensregel gem. § 4 Nr. 11 UWG, nunmehr § 3a UWG.

Die auch materielle Berechtigung des Klägers zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs gegen die Beklagte steht nicht im Streit und ist i.Ü. gerichtsbekannt.

Es kann auf sich beruhen, ob der Inhalt der hier streitgegenständlichen Videoaufnahme eine zumindest indirekte/mittelbare Werbung der Beklagten für das von Ihr entwickelte … und damit keine ausschließliche und zulässige Imagewerbung wiedergibt zudem, ob es sich dabei zusätzlich um eine hinreichend aus dem Gesamtzusammenhang des Mitschnitts zu entnehmende Empfehlung eben dieses von der Beklagten entwickelten Gefäßgerüstes durch einen Herzchirurgen (Prof. Dr. …) handelt.

Der Unterlassungsanspruch kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil das Heilmittelwerbegesetz und damit selbstverständlich auch § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG nicht anwendbar ist.

Das hier maßgebliche, von der Beklagten entwickelte … ist ein Medizinprodukt gem. § 3 Nr. 1a MPG, weil es sich um eine Apparatur handelt, die der Linderung/Heilung von Gefäßerkrankungen am Herzen dient.

Der Anwendungsbereich des HWG i.F. der Änderung zum 01.01.2002, spätere Änderung sind vorliegend irrelevant, wird in § 1 wie folgt umschrieben:

Abs. 1: Dieses Gesetz findet Anwendung auf die Werbung für

1. Arzneimittel im Sinne des § 2 des Arzneimittelgesetzes,

1a. Medizinprodukte im Sinne des § 3 Medizinproduktegesetzes,

2. andere Mittel, Verfahren, Behandlungen und Gegenstände, soweit sich die Werbeaussage auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden bei Mensch oder Tier bezieht sowie operative plastisch-chirurgische Eingriffe, soweit sich die Werbeaussage auf die Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit bezieht …

Das Unterlassungsgebot in § 11 HWG greift diesen Anwendungsbereich auf:

Abs. 1: Außerhalb der Fachkreise darf für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel nicht geworben werden,

2. mit Angaben oder Darstellungen, die sich auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen, von im Bereich der Tiergesundheit tätigen Personen oder anderen Personen, die auf Grund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können, beziehen,…

In S. 2 der Norm heißt es dann: Für Medizinprodulcte gilt Satz 1 Nr. 7 bis 9, 11 und 12 entsprechend. Es folgt dann eine Konkretisierung des Werbeverbots in der plastischen Chirurgie. In § 12 HWG wird das Werbeverbot für Medizinprodukte in Bezug auf bestimmte Erkrankungen erweitert.

Diese Regelung verdeutlicht, dass die Werbung für Medizinprodukte exklusiv jedenfalls mit dem 2. Änderungsgesetz des Medizinproduktegesetzes zum 01.01.2002 in § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG und dann auch konsequent in §§ 11 Abs. 1 S. 2; 12 HWG erfasst worden ist. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs ist nicht möglich.

Regelungszweck des Heilmittelwerbegesetzes ist das Verbot der produktbezogenen Werbung mit den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie kongruent in § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG ausdrücklich erfassten Produkten, Verfahren und Behandlungen. Es geht ersichtlich um den Schutz aller erfassten Lebewesen und zudem natürlich um den Schutz des Einzelnen. Es soll verhindert werden, dass Personen die erfassten Produkte ohne Kenntnis von deren Wirkungsweise und ohne ärztliche Kontrolle und damit missbräuchlich verwenden oder dass ihnen ermöglicht wird, auf die Abgabe bestimmter Mittel zu drängen (vgl. BGH, Urteil vom 17.06.1992 – I ZR 221/90 –, [20 a.E.]; Urteil vom 15.12.1994 – I ZR 154/92 –, [17 a.E.], jew. zit. nach juris).

Vor der aufgezeigten 2. Änderung des MPG zum 01.01.2002 – eine ausdrückliche Regelung der Medizinprodukte fand sich in dem HWG noch nicht – konnten und wurden bisweilen die Medizinprodukte als fiktive Arzneimittel dem Arzneimittelbegriff (§ 2 Arzneimittelgesetz) zugeordnet, so dass sie dann auch gegenstandsbezogen dem umfassenden Regelungsbereich des § 1 HWG und dann auch an sich folgerichtig dem Unterlassungsgebot des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG unterfielen (vgl. nur Pelchen in Erbs/Kohlhaas, Bd. 2, H 53, § 1, Rz. 12). Dass diese Auslegung des Arzneimittelbegriffs und die Implementierung in das HWG angesichts des Regelungszweckes des HWG nicht zwingend war, ist durchaus naheliegend, setzt doch die Anwendung eines Medizinproduktes voraus, dass dem ein ärztlicher Eingriff vorausgeht, so dass sich die mit der „Selbstmedikation“ einhergehende (abstrakte) Gefahr nicht stellt (vgl. zutr. BT/Drucksache 14/6281, Einleitung zu Art. 2 Änderung des HWG). Bei der Verwendung von in § 1 HWG erfassten „anderen Mitteln“, legal definiert in dessen Abs. 2, ist das freilich anders, weil diese der Eigenverwendung durchaus zugänglich sind. Die Erfassung von kosmetischen Mitteln machte und macht von daher Sinn. Zudem macht es Sinn, den „freien“ Markt der kosmetischen Chirurgie dem Anwendungsbereich des HWG zu unterstellen, wobei freilich hierfür in § 11 Abs. 1 S. 3 HWG wiederum eine Sonderregelung gefunden wurde, die diese Art des Eingriffs, der Behandlung damit nicht pauschal dem Unterlassungsgebot gem. § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG unterstellt. Für die Medizinprodukte gilt mit der 2. Änderung des MPG und der damit einhergehenden Änderung des Heilmittelwerbegesetzes eine nunmehr spezielle Regelung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG. Diese fügt sich zwanglos in das Gesamtgefüge dieses Gesetzes ein. In BT/Drucksache 14/6281, hier Anm. zu Art. 2 und zu Nummer 1 heißt es: „Durch die Ergänzung wird klargestellt, dass für Medizinprodukte auch das HWG Anwendung findet. Soweit im HWG in den einzelnen Vorschriften von „Gegenständen“ die Rede ist, sind damit nicht Medizinprodukte i.S. des § 3 Medizinproduktegesetzes gemeint.“

Die Änderung/Ergänzung in § 11 Abs. 1 S. 2 HWG wird vom gesetzgeberischen Ziel her dann wie folgt kommentiert, BT/Drucksache, hier Anm. zu Art. 2 und zu Nummer 4: Gemäß der im Allgemeinen Teil beschriebenen Zielsetzung ist die Werbung außerhalb der Fachkreise für Medizinprodukte anders zu beurteilen als für Arzneimittel. Deshalb soll es u.a. dem Hersteller erlaubt werden, dem Patienten eine Sachinformation Ober ein Medizinprodukt (z.B. Herzschrittmacher, künstliche Gelenke) auszuhändigen oder z.B. ins Internet zu stellen. Diese Sachinformation dürfen auch Arzt oder Krankenhaus weitergeben. In dieser Information kann auch auf Gutachten hingewiesen oder eine Krankengeschichte wiedergegeben werden. Da ohne bildliche Darstellung häufig keine „recht verständliche“ Information möglich ist, soll diese auch zulässig sein.

Nach der gesetzlichen Systematik findet sich der aufgezeigte gesetzgeberische Wille in der aufgezeigten Regelung des § 11 Abs. 1 S. 2 HWG wieder. Die Verbotstatbestände werden für die Medizinprodukte ausdrücklich festgelegt. Der gewollte exklusive Regelungsbereich für Medizinprodukte offenbart sich zudem in der Einbindung der irrefahrenden Werbung nach Maßgabe des § 3 HWG. Der Gesetzgeber hat schließlich § 12 HWG gezielt auf Medizinprodukte ausgedehnt, weil die im Anhang erfassten Erkrankungen eine Werbung aus „ethischen Gründen“ verbieten.

Die aufgezeigte und hier streitgegenständliche Präsentation des … durch die Beklagte kann zudem nicht als Werbung mit einer Behandlung i.S. des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG eingestuft werden.

Die aufgezeigten Regelungsbereiche im HWG in Bezug auf die Medizinprodukte sperren die Anwendung des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG auch wegen einer Behandlung. Es wäre geradezu widersinnig anzunehmen, die Gegenstandempfehlung durch einen Arzt sei erlaubt, die Behandlungswerbung dagegen nicht, wenn die Funktionsweise des Gefäßgerüstes notwendigerweise einen chirurgischen Eingriff am Herzen voraussetzt. Die Schilderung der Krankengeschichte … erhält schließlich erst nachhaltige und informative Aussagekraft über die Krankheitsverlaufsschilderung des Herzchirurgen. In dieses Bild passt dann auch (erneut) die Regelung in § 12 HWG, in dem die Behandlungswerbung (Werbung auch für Medizinprodukte zur Beseitigung oder Linderung von bestimmten Krankheiten) wiederum tatsächlich erfasst ist. So ist auch anerkannt, dass die Schilderung der Art der Anwendung eines Arzneimittels – selbst durch einen Arzt – keine Behandlungswerbung beinhaltet (vgl. Pelchen a.a.O., § 1, Rz. 15).

Ohne dass dies noch entscheidungserheblich ist, begegnet die Annahme Bedenken, dass die Beklagte wegen einer Werbung mit einer Behandlung und nur darauf käme es nach dem Vorgesagten an, Normadressatin der §§ 1, 11 HWG ist (vgl. insoweit BGH, WRP 2015, 1085 ff. – TV Wartezimmer). Die Behandlung kann nicht von der Beklagten durchgeführt werden. Dass die Beklagte den Herzchirurgen etwa zu seiner Stellungnahme zu der Krankheitsgeschichte von … angestiftet oder ihm gar Beihilfe geleistet hat, kann nicht angenommen werden, weil eine dahingehende Teilnahmehandlung weder in objektiver noch subjektiver Hinsicht dargelegt ist.

Der von der Beklagten grundsätzlich zu Recht wegen des ordnungswidrigkeitenbewehrten Verhaltens in § 15 Abs. 1 Nr. 8 HWG aufgegriffene Gesichtspunkt des Analogieverbotes stellt sich vorliegend nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 u. 2 ZPO.

Die Kammer hat den Streitwert endgültig nach dem auch allgemeinen Untersagungsinteresse des Klägers als Verband in Anlehnung an die Angabe in der Klageschrift mit 25.000,00 € bemessen.

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