OLG Karlsruhe: Verbotene Bewerbung von Brillengläsern (Sammelpunkte gegen Sachprämien)

Es verstößt gegen das Wertreklameverbot gem. § 7 HWG, wenn ein Brillenhersteller den Absatz bestimmter Brillengläsertypen an Optiker damit bewirbt, dass dem Optiker für den Bezug einer Mindestanzahl von Gläsern gratis Bonuspunkte (Prios Sammelpunkte) gutgeschrieben werden, die der Optiker beim Hersteller für bestimmte (geschäftlich nutzbare) Sachprämien (Fortbildungsmaßnahmen, Trainings, Werbeunterstützung) einlösen kann.

Es ist bei der Beurteilung, ob die Werbegabe eine “geringwertige Kleinigkeit” darstellt, auf den Gesamtwert der erzielbaren Prämien abzustellen. Es kommt nicht darauf an, welchen Wert der Werbende einem einzelnen Sammelpunkt (z.B. € 1,-) zugewiesen hat.

Sachprämien wie Fortbildungen, Trainings, Werbeunterstützung sind keine aus dem Bereich der unzulässigen Werbegaben (Zuwendungen) des § 7 HWG herausfallende erlaubte unentgeltliche “Werbehilfen”. Aufgrund des (hier geschäftlichen, d.h. nicht notwendigerweise privaten) “Zweitnutzens” für den Optiker (ersparte Aufwendung) handelt es sich nicht um erlaubte Werbehilfen, bei denen die Werbung gegenüber den Endverbrauchern im Mittelpunkt steht und die aus Sicht der Empfänger vorwiegend dem eigenen Interesse des Herstellers dienen.

Die Prämien sind keine gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG erlaubten “handelsüblichen Nebenleistungen”, denn sie dienen nicht (allein) dazu, den Verkauf der Brillengläser sachlich zu ermöglichen oder sonst irgendwie zu fördern. (S. auch BGH, BeckRS 2009, 24466; OLG Hamburg, BeckRS 2013, 08871)

OLG Karlsruhe v. 02.10.2013 – 4 U 95/13
HWG § 7

Hinweis:

Medizinprodukterelevante HWG Rspr.

Andere Fundstellen: BeckRS 2013, 22647


Gründe:

I. Die Parteien streiten um wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche. Der Kläger ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, die Beklagte stellt Brillengläser her.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das von dem Kläger angegriffene Kundenbindungssystem sei als erlaubte Absatzförderung zu bewerten. Die Maßnahmen des Partnerprogramms seien zulässigen unentgeltlichen Werbehilfen im Rahmen der erlaubten allgemeinen Firmen-, Unternehmens- oder Imagewerbung gleichzustellen und seien deshalb nicht als unzulässige Werbegaben i.S.v. § 7 Abs. 1 HWG zu qualifizieren. Es handle sich – auch im Vergleich zu dem durchschnittlichen Jahresrabattvolumen von 95.000 € – nur um einen Nebenaspekt, wenn der umworbene Augenoptiker durch die Mithilfe der Beklagten Kosten erspare, die er für derartige Absatzfördermaßnahmen ansonsten aufwenden müsse. Hauptsächlich gehe es um erhöhten Umsatz mit den beworbenen Produkten, wovon sowohl die Beklagte als auch die Einzelhändler profitieren würden. Deshalb seien die Maßnahmen gegenüber dem Endverbraucher zulässig. Es gehe nämlich nicht wesentlich um die versuchte unsachliche Beeinflussung des Optikers in Bezug auf die Produkte der Beklagten, sondern wie auch bei den erlaubten Barrabatten um erlaubte Absatzsteigerung. Die besondere Gefahr der Gabe von Waren für den privaten Bereich sei im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung die erstinstanzlich gestellten Anträge auch in zweiter Instanz. Er rügt, die Voraussetzungen des § 7 HWG seien entgegen der Auffassung des LG erfüllt. Die Ausnahmetatbestände „geringwertige Kleinigkeit“ (Nr. 1) und „handelsübliche Nebenleistung“ (Nr. 3) seien nicht gegeben. Es liege keine bloße Werbehilfe vor. Nur solche Werbegaben, die vorwiegend dem eigenen Interesse des Herstellers dienten, seien heilmittelwerberechtlich unbedenklich. Dagegen sei nicht jede Leistung, die irgendwie der Absatzförderung diene, eine Verkaufshilfe in diesem Sinne. Die streitgegenständlich ausgelobten Prämien seien keine Verkaufshilfe. Aber selbst wenn, verbliebe den umworbenen Augenoptikern ein gewichtiger Zweitnutzen, der sie zugleich zu unzulässigen Werbegaben mache. Denn der Augenoptiker profitiere, indem er einerseits die Maßnahmen zur Umsatzsteigerung einsetze und andererseits dabei eigene Aufwendungen erspare. Bei dem Zweitnutzen müsse es sich auch nicht um einen privaten handeln. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei das Partnerprogramm 2011 geeignet, die Entscheidung der Augenoptiker, die beworbenen Brillengläser zu beziehen und bei ihren Kunden abzusetzen, unsachlich zu beeinflussen. Es bestehe die Gefahr, dass ein Optiker durch die ausgelobten Prämien dazu motiviert werde, einem Kunden die vom Programm erfassten höherwertigen anstelle günstigerer Gläser zu verkaufen, obwohl hierfür aus medizinischer Sicht keine Notwendigkeit bestehe. Die Kopplung des Erwerbs der „Prios“ an den Bezug höherwertiger Gläser begründe die Geeignetheit zur unsachlichen Beeinflussung. Eine verfassungskonforme Auslegung sei nicht geboten. Es bestünden vernünftige Gründe des Allgemeinwohls zur Differenzierung zwischen Bar- und Warenrabatten auf der einen Seite und Sachleistungen auf der anderen.

Die Zurückweisung der Berufung beantragende Beklagte meint, dem Zuwendungsverbot des § 7 HWG liege seit der Gesetzesänderung 2006 ein völlig neues, „rein fiskalisch und sozialpolitisch motiviertes“ Regelungsziel zugrunde. Zudem sei vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorgaben jeweils der Kontext der beanstandeten Werbemaßnahme – Brillenversorgung – zu sehen. Der EuGH habe bereits mehrfach auf die durch die UGP-Richtlinie erfolgte Vollharmonisierung hingewiesen. Außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs der Richtlinie müsse der Grundsatz, dass ein generelles Zugabeverbot gegenüber Verbrauchern unzulässig sei, gelten, erst Recht auf der vorgeschalteten Handelsstufe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Gepflogenheiten in der Augenoptikbranche nicht mit denen der Apothekenbranche zu vergleichen seien, was sich auch in der deutlich geringeren Gefährdung des Schutzgutes zeige. Augenoptiker würden hohe Geldrabatte erhalten, die zulässig seien. Daneben habe ein Kundenbindungsprogramm wie das streitgegenständliche keine Bedeutung. Die Berufsausübungsfreiheit des Werbenden dürfe nicht verletzt werden. Vor diesem Hintergrund sei § 7 Abs. 1 HWG verfassungskonform in seinem Anwendungsbereich einschränkend auszulegen. Die Werbeverbote seien als abstrakte Gefährdungsdelikte konzipiert, mit Blick auf Art. 12 GG sei aber § 7 Abs. 1 HWG nur dann anwendbar, wenn die betreffende Werbung bzw. Leistung tatsächlich geeignet sei, die Kunden – im vorliegenden Fall Augenoptiker – unsachlich zu beeinflussen und dadurch zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung der Endkunden zu bewirken. Es müsse jeweils die Eignung der Werbegabe zu einer unsachlichen Beeinflussung des Zuwendungsempfängers gegeben sein, was im vorliegenden Fall ausgeschlossen sei. Hier sei zu beachten, dass die Zuwendungen der Beklagten von sehr geringem Wert für Kaufleute seien. Außerdem würden Optiker solche Kundenbindungsprogramme kennen und könnten sie einordnen.

Im Übrigen liege gar kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG vor, weil die Ausnahmetatbestände Nr. 1 und Nr. 3 eingreifen würden. Der Wert der gewährten „Prios“ sei mit maximal 6,24 € sehr gering und die mit dem Programm ausgelobten Leistungen seien eine branchenübliche Nebenleistung. Unrichtig sei es, dass Nebenleistungen in einem funktionalen Zusammenhang zur Hauptsache stehen müssten. Ein solcher sei im Übrigen gegeben. Denn sie dienten ausschließlich der Förderung des Verkaufs.

II. Die zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger steht der streitgegenständliche Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 S. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG wegen Verstoßes gegen die Marktverhaltensregelung des § 7 Abs. 1 S. 1 HWG und der fortbestehenden Gefahr der Wiederholung einer Zuwiderhandlung zu.

Dem Kläger stehen ferner die Kosten der Abmahnung vom 21.09.2011 zu, da diese berechtigt war.

1. Indem § 7 HWG das Anbieten, das Ankündigen und das Gewähren von Werbegaben gegenüber Angehörigen der Fachkreise beschränkt, dient die Regelung dem Schutz der Gesundheit oder der Sicherheit von Verbrauchern und stellt eine Marktverhaltensregelung dar.

Der Anwendungsbereich des HWG ist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG eröffnet, da es sich bei der streitgegenständlichen Aktion um Werbegaben für Medizinprodukte handelt. Die beanstandete Werbung ist auf den Absatz bestimmter Brillengläser gerichtet. Brillengläser sind gem. § 3 Nr. 1 MPG Medizinprodukte.

2. Die beanstandete Werbung unterfällt dem Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 HWG.

a. § 7 Abs. 1 S. 1 HWG lässt im Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) sowohl bei der Publikumswerbung als auch bei der Werbung gegenüber den Fachkreisen lediglich in den in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 5 HWG geregelten Fällen zu. Der Begriff der Werbegabe in § 7 Abs. 1 S. 1 HWG ist weit auszulegen und erfasst grundsätzlich jede im Zusammenhang mit der Werbung für Medizinprodukte gewährte unentgeltliche Vergünstigung (vgl. BGH Urteil vom 17.8.2011 – I ZR 13/10 – GRUR 2011, 1163 Rn. 15 – Arzneimitteldatenbank).

Die beanstandete Werbung stellt sich nicht als eine nur auf Imagepflege und Ansehenssteigerung gerichtete allgemeine Unternehmenswerbung dar. Es handelt sich um eine produktbezogene Werbung für Medizinprodukte i.S. der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1a, 7 HWG. Die Sammelpunkte („Prios“) erhalten sog. Innovations- bzw. Profipartner für den Absatz von Markengläsern mit Crizal Veredelung mit und ohne „eyecode“ (S. 13 der Broschüre). Durch Einlösen der gesammelten „Prios“ – teilweise verbunden mit einer Zuzahlung – gelangt der Innovations- bzw. Profipartner in den Genuss der Prämien des Partnerprogramms. Aus der Sicht der angesprochenen Optiker dient die Werbegabe folglich der Absatzförderung eines konkreten Produktes. Durch diese Verknüpfung unterscheidet sich das Partnerprogramm von zulässiger allgemeiner Firmenwerbung und fällt damit in den Geltungsbereich des HWG (vgl. BGH Urteil vom 26.03.2009 – I ZR 99/07 – GRUR 2009, 1082 Rn. 16 – DeguSmiles).

b. Es liegt keine aus dem Bereich der unzulässigen Werbegabe i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 HWG herausfallende unentgeltliche Werbehilfe vor.

Werbegaben im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 HWG sind von unentgeltlichen Werbehilfen an Angehörige der Heilberufe abzugrenzen, bei denen die Werbung gegenüber den Endverbrauchern im Mittelpunkt steht und die aus Sicht der Empfänger vorwiegend dem eigenen Interesse des Herstellers dienen. Werbehilfen können allerdings zugleich Werbegaben sein, wenn sie dem Einzel- oder Zwischenhändler einen über die Werbung gegenüber dem Endverbraucher oder Nächstabnehmer hinausgehenden gewichtigen Zweitnutzen bieten, der geeignet ist, den Kaufentschluss des Einzel- oder Zwischenhändlers zu beeinflussen (vgl. hierzu: BGH Urteil vom 25.04.2012 – I ZR 105/10 – DAS GROSSE RÄTSELHEFT – Rn. 24 WRP 2012, 1517).

Der angesprochene – nicht notwendig private – Zweitnutzen ist vorliegend gegeben. Die mittels der gesammelten „Prios“ zu erwerbenden Leistungen kommen dem Geschäftsbetrieb des Innovations- bzw. Profipartners zu Gute [z.B. ein Training der Mitarbeiter (Fortbildungsmaßnahme) oder die Beratung durch das E. Marketing Center]. Sie können sich unmittelbar auf dessen Ergebnis auswirken. In diesem Zusammenhang hat es keine Bedeutung, wenn im Rahmen etwa einer Marketingmaßnahme (z.B. Radio Spot für den einzelnen Optiker) die Beklagte ebenfalls Erwähnung findet. Der Innovations- bzw. Profipartner erspart durch die Unentgeltlichkeit der Werbegaben eigene Aufwendungen. Die ausgelobten Prämien wären für ihn ansonsten ausnahmslos nur gegen Entgelt erhältlich.

2. Die streitgegenständliche Aktion erfüllt keinen der Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 1 S. 1 HWG.

a. Bei den Zuwendungen bzw. Werbegaben im Partnerprogramm der Beklagten handelt es sich um keine geringwertigen Kleinigkeiten.

Es ist bei der Beurteilung, ob die Werbegabe eine „geringwertige Kleinigkeit“ darstellt, auf den Gesamtwert der auf S. 17 und 19 benannten bzw. abgebildeten Prämien abzustellen (vgl. hierzu: BGH Urteil vom 25.04.2012 – I ZR 105/10 – aaO. Rn. 26). Nur diese Sichtweise wird dem Anreiz zum Sammeln von „Prios“ gerecht, den die Beklagte durch das Partnerprogramm für ihre Innovations- bzw. Profipartner schafft. Darauf, ob der Gegenwert der mit dem Verkauf eines Brillenglases zu erwerbenden „Prios“ oder eine einzelne der auf S. 19 unten abgebildeten Prämien geringwertig ist, kommt es dagegen nicht an. Im Übrigen trifft die Beklagte die Darlegungslast dafür, welchen Wert die auf S. 19 unten abgebildeten Prämien repräsentieren. Dieser hat die Beklagte nicht genügt.

Seine maßgebliche Wirkung erzielt das Partnerprogramm durch die Summe aller Angebote. Am Partnerprogramm können sog. Innovations- und Profipartner teilnehmen. Zum Innovationspartner wird ein Augenoptiker, der über Visioffice verfügt und den weit überwiegenden Anteil seines Geschäfts mit E. generiert, dabei mindestens 20 % der eyecodefähigen Brillengläser mit eyecode verkauft und eine bestimmte Mindeststückzahl pro Jahr mit eyecode Brillengläsern erzielt. Ein Profipartner realisiert ebenfalls den weitaus überwiegenden Teil seines Umsatzes mit Brillengläsern der Beklagten. Ein unabhängiger, d.h. keinen überregionalen Unternehmen angeschlossener Augenoptiker erzielt nach der Darstellung der Beklagten aus dem Glasverkauf durchschnittlich 250.000 €. Das bedeutet, dass ein Innovations- oder Profipartner, der den weitaus überwiegenden Teil seines Umsatzes aus dem Verkauf von Brillengläsern der Beklagten erzielt, in einem Maße „Prios“ ansammelt, das es ihm ohne Frage ermöglicht, auf die gesamte Angebotspalette der Beklagten auf S. 17 und 19 zuzugreifen. Der Nutzen einer Teilnahme am Partnerprogramm liegt für den umworbenen Augenoptiker folglich in der Summe aller Kosten, die er durch seine Teilnahme ersparen kann. Der Gesamtwert der erreichbaren Angebote übersteigt den Bereich geringwertiger Kleinigkeiten damit bei weitem.

Diese Beurteilung steht im Einklang mit Art. 94 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG (vgl. BGH Urteil vom 9.9.2010 – I ZR 193/07 – GRUR 2010, 1136 Rn. 25 – UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE).

b. Es handelt sich bei der Auslobung der Prämien im Gegenzug für Umsatzsteigerungen nicht um einen Rabatt in Geld (Nr. 2.a.) oder in einer bestimmten Menge gleicher Waren (Nr. 2.b.).

c. Die ausgelobten Prämien sind weder als handelsübliches Zubehör zur Ware noch als handelsübliche Nebenleistung i.S. des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HWG zu qualifizieren.

Die angeboten Sach- bzw. Dienstleistungen sind kein Zubehör – hierunter fallen nur bewegliche Sachen, die dem Verkauf der Brillengläser dienen (vgl. Brixius in Bülow/Ring/Artz/Brixius Heilmittelwerbegesetz 4. A. 2011 § 7 Rn. 100) – und keine Nebenleistungen – dabei handelt es sich um Maßnahmen, die den Verkauf der Brillengläser sachlich ermöglichen oder sonst irgendwie fördern (vgl. hierzu: Spickhoff/Fritsche Medizinrecht § 7 HWG Rn. 24). Es erfüllen weder die zugewendeten „Prios“ noch die ausgelobten Leistungen eines der beiden Merkmale. Die von der Beklagten ausgelobten Leistungen zielen auf die nächste Handelsstufe ab, nämlich die der Augenoptiker gegenüber ihren Kunden.

3. Die vorstehende Beurteilung steht im Einklang mit Verfassungs- und Europarecht.

a. Soweit die Beklagte geltend macht, Sachleistungen seien nicht anders zu behandeln als Geld- oder Warenrabatte, erlauben der Wortlaut und die Regelungssystematik der Vorschrift weder eine ergänzende Auslegung noch eine Analogie. Der Wortlaut – als Auslegungsgrenze – ist eindeutig, für eine Analogie fehlt es sowohl an einer Regelungslücke als auch (und insbesondere) an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Aus dem in der Vorschrift ausdrücklich angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt, dass im Hinblick auf den Schutzzweck Sachleistungen anders zu behandeln sind als Geld- oder Warenrabatte. Anders als Rabatte oder Warenleistungen (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2.a. und 2.b. HWG), die unmittelbar auf das beworbene Heilmittel gewährt werden und deshalb in der Regel (jedenfalls auch) dem Endkunden zu Gute kommen können, wohnt Sachleistungen, die bei den angesprochenen Händlern verbleiben, eine besondere und konkrete Gefahr unsachlicher Beeinflussung zu Lasten der geschützten Gesundheitsinteressen inne. Sachleistungen bergen das Risiko, dass die angesprochenen Fachkreise, hier die angesprochenen Optiker, bereits eine Vorauswahl der anzubietenden Gläser zu Gunsten der Produkte der Beklagten treffen, um in den Genuss der Leistung zu kommen, und damit eine allein auf sachlichen Gründen beruhende Entscheidung des Verbrauchers verhindern. Das Partnerprogramm 2011, das dem Innovationspartner, d.h. dem Partner, der mindestens 20 % der eyecodefähigen Brillengläser mit eyecode verkauft und eine bestimmte Mindeststückzahl pro Jahr mit eyecode Brillengläsern erzielt, die doppelte Zahl von „Prios“ verspricht, offenbart dieses Risiko eindrücklich.

b. Auch wenn die Verwirklichung von § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG mit Rücksicht auf die Tragweite der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit voraussetzt, dass die Werbung geeignet ist, zumindest eine mittelbare Gefährdung des Schutzgutes zu bewirken (vgl. BGH GRUR 2007, 809), ergibt sich keine andere Beurteilung. Denn die Prämien sind wegen ihres Wertes und der Koppelung mit Verkaufsvorgängen geeignet, zu einer unsachlichen Beeinflussung der umworbenen Augenoptiker zu führen. Dass über Barrabatte den umworbenen Augenoptikern ein über den Wert der ausgelobten Prämien weit hinausgehender Vorteil zufließt, ist für die Beurteilung ohne Bedeutung.

c. Auch im Übrigen ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Verfassungsverstoß.

Dem Gesetzgeber kommt bei der Regelung der Berufsfreiheit auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsordnung eine weite Gestaltungsfreiheit zu. Die Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele wird erst dann verfehlt, wenn die gesetzgeberischen Erwägungen vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen mehr abgeben können (vgl. BVerfGE 117, 163, 189). So liegen die Dinge hier aber nicht.

Durch das HWG soll u.a. der Gefahr begegnet werden, dass durch eine mit Übertreibungen arbeitende, suggestive oder marktschreierische Werbung Kranke und besonders ältere Menschen zu Fehlentscheidungen beim Arzneimittelgebrauch und bei der Verwendung anderer Mittel zur Beseitigung von Krankheiten oder Körperschäden verleitet werden (vgl. BVerfGE GRUR 2007, 720; BGH, NJW-RR 2003, 478, 479). Die hiernach maßgebenden gesetzlichen Ziele des Gesundheitsschutzes und des Schutzes gegen wirtschaftliche Übervorteilung besonders schutzbedürftiger Privater stellen hinreichende Gründe des gemeinen Wohls (vgl. BVerfGE 103, 1 10) dar, welche die Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen können. Durchgreifende Bedenken im Hinblick auf Erforderlichkeit und Angemessenheit der angegriffenen Vorschrift sind nicht ersichtlich. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber ein anderes, gleich wirksames, aber die Grundrechte nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können. Die schrankenlose Einräumung von Wertgaben in der Form von Sach- bzw. Dienstleistungen, wie sie die Beklagte fordert, stellt ein solches Mittel nicht dar.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die angegriffene Regelung unangemessen ist. Denn die Regelung verlangt von der Beklagten bei Zugrundelegung einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe nichts Unzumutbares. Hierzu hat die Beklagte auch nichts Gegenteiliges aufgezeigt.

Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG kommt nicht in Betracht. Es ist schon nicht erkennbar, zwischen welchen konkreten Vergleichsgruppen eine Ungleichbehandlung bestehen soll. Außerdem fehlt es auf Seiten der Beklagten an einer Auseinandersetzung mit den vernünftigen Gründen des Allgemeinwohls zur Differenzierung zwischen Bar- und Warenrabatten auf der einen Seite und Sachleistungen auf der anderen.

d. Der Anwendung des § 7 HWG steht im konkreten Fall nicht die UGP-Richtlinie entgegen. Diese gilt nur im Verhältnis „Business to Consumer“, nicht aber auf der vorgelagerten Handelsstufe (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, Einl. Rn. 3.56). Darüber hinaus bleiben die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte betreffenden nationalen Rechtsvorschriften ausweislich Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie sowie des Erwägungsgrundes 9 von der Richtlinie (und damit auch von dem daraus abgeleiteten Grundsatz einer Vollharmonisierung) unberührt. Auf eine entsprechende Anwendung der Grundsätze der UGP-Richtlinie auf „Business to Business“-Geschäfte kann sich die Beklagte nicht berufen. Die Gefahr unsachlicher Beeinflussung durch Sach- oder Dienstleistungen erfordert vielmehr eine differenzierte Anwendung (s.o. 3.a.).

e. Schließlich verfolgt das Gesetz auch nicht – wie die Beklagte meint – lediglich sozial- und fiskalpolitische Zwecke, sondern dient gerade im Bereich der Medizinprodukte, die vielfach von den Kassen nicht mehr erstattet werden, weiterhin der öffentlichen Gesundheit bzw. den Belangen des Patientenschutzes (Bundestags-Drs. 14/6281 S. 39). Eine einschränkende Auslegung für Werbegaben im Zusammenhang mit Brillengläsern gebietet der Gesetzeszweck deshalb nicht.

4. Wiederholungsgefahr ist infolge des Erstverstoßes gegeben, nachdem die Beklagte es abgelehnt hat, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

5. Der Leistungsantrag rechtfertigt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.

III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe dafür, die Revision zuzulassen (§ 543 ZPO), bestehen nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Insbesondere wird mit dem Urteil von keinem tragenden abstrakten Rechtssatz in der Entscheidung eines höherrangigen oder gleichrangigen anderen Gerichts oder eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts abgewichen (vgl. hierzu Ball in Musielak, ZPO, 10. Auflage 2013 § 543 Rn 8 m.N.).

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