LG Frankfurt: PZN-Aufbringung auf Verbandmaterial durch Parallelimporteur

Es sind keine Umstände vorhanden, die einen Parallelimporteur dazu zwingen, eine Pharmazentralnummer (PZN) auf der Verpackung eines Medizinprodukts anzubringen.

LG Frankfurt, Urteil v. 12.01.2016 – 3-06 O 108/15 (nicht rechtskräftig)
Instanzen:
OLG Frankfurt
§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, § 300 SGB V


Tatbestand:

Die Parteien streiten um den Bestand der einstweiligen Verfügung vom 01.12.2015.

Die Verfügungsklägerin, einer der führenden Anbieter von Medizin- und Hygieneprodukten, ist unter anderem Inhaberin der Marke Hydrocoll®, die für das Warenverzeichnis Klasse 05, Hydrocolloidverbandmaterial und –pflaster eingetragen ist. Auf den Registerauszug Anlage ASt 01 wird Bezug genommen. Unter dieser Marke vertreibt sie einen Hydrocolloidverband für die Wundbehandlung.

Die Verfügungsbeklagte befasst sich mit dem Großhandel pharmazeutischer und medizinischer Produkte und betätigt sich im Parallelimport. Sie informierte die Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 21.09.2015, dass sie beabsichtige, das Produkt Hydrocoll® Wundverband u.a. in der Größe 10x10 aus Österreich zu beziehen und in Deutschland zu vertreiben. Dem übersandten Muster, das am 30.10.2015 bei der Verfügungsklägerin einging, ist zu entnehmen, dass die Verfügungsbeklagte auf der Rückseite der Originalpackung – die keine PZN aufweist – einen Aufkleber anbringt mit einer Pharmazentralnummer (PZN) und dem Hinweis „Einfuhr, Umpackung und Vertrieb: kohlpharma GmbH, 66663 Merzig“. Die Verfügungsklägerin ging zunächst davon aus, dass die Verfügungsbeklagte bei der Außer-Vertrieb-Meldung zweier anderer Produkte das hier streitgegenständliche Produkt schlicht vergessen habe. Da dieses jedoch von der Verfügungsbeklagten angeboten wurde, sprach die Verfügungsklägerin eine Abmahnung mit anwaltlichem Schreiben vom 19.11.2015 aus und forderte erfolglos zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf.

Das Gericht hat am 01.12.2015 die beantragte einstweilige Verfügung erlassen, auf Bl. 80 f. wird Bezug genommen. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18.12.2015 hat die Verfügungsbeklagte gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt.

Die Verfügungsklägerin behauptet, das streitgegenständliche Produkt könne auch ohne PZN vertrieben werden, insoweit gebe es keine Verpflichtung zur Kennzeichnung. Daher würden Medizinprodukte teilweise in der Praxis gänzlich ohne PZN an Apotheken geliefert. Nach Ziff. 2.2 ff. der zwischen den Apotheken und der Gesetzlichen Krankenversicherung getroffenen Vereinbarungen über den Datenaustausch „Technische Anlage 1 zur Vereinbarung über die Übermittlung von Daten im Rahmen der Arzneimittelabrechnung gemäß § 300 SGB V“ (im Folgenden VÜD) gebe es neben der Möglichkeit der Aufbringung der Hilfsmittelnummer auf dem Verordnungsblatt durch den Apotheker auch die Anbringung eines Sonderkennzeichens, wofür eine Liste von Sonder-PZN für jeweilige Produktgruppen existiere, bei Verbandsmitteln und Pflastern sei dies die Sonder-PZN 9999034 (Anlagen Ast 13–16). Dies werde ausweislich der Angaben im Forum des Deutschen Apotheker Portals auch tatsächlich so gehandhabt (Anlage Ast 19). Die VÜD sei auch auf Verbandsmittel anwendbar, durch die Änderung des § 300 Abs. 1 S. 2 SGB V seien Verbandmittel in den Anwendungsbereich der Vorschrift miteinbezogen. Andere Großhändler und Parallelvertreiber vertrieben ihre Produkte auch ohne Anbringen einer eigenen PZN (Anlage Ast 17, aber daraus kann ich nichts erkennen). Die AV-AOK ergänze die VÜD lediglich, da es sich um einen öffentlich-rechtlichen Normsetzungsvertrag handele, könne eine einzelne AOK diesen nicht abbedingen. Zudem sei in § 5 Abs. 2 nur die Verpflichtung statuiert, auf der Verordnung eine PZN anzugeben, dies könne auch eine Sonder-PZN sein. Eine Verpflichtung, eine PZN auf der Verpackung selbst anzubringen, ergebe sich aus keiner der Vorschriften.

Die Verfügungsklägerin beantragt, die einstweilige Verfügung vom 01.12.2015 aufrechtzuerhalten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, die einstweilige Verfügung vom 01.12.2015 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, sie müsse zum Anbringen einer eigenen PZN berechtigt sein, weil ihr anderenfalls ein effektiver Marktzugang in Deutschland verwehrt wäre. Ein Parallelimport in Deutschland sei ohne PZN nicht möglich. Medizinprodukte seien ohne PZN nicht in der Apothekensoftware und in der Lauertaxe auffindbar und eine Abrechnung sei gegenüber den Kostenträgern nicht möglich. Sie behauptet, die Datenübermittlung und Abrechnung durch Leistungserbringer von Produkten wie Verbandsmitteln werde nicht ausschließlich auf der Grundlage der VÜD durchgeführt. So nutze die AOK Sachsen-Anhalt eine eigene Abrechnungsvereinbarung (im Folgenden AV AOK), auf deren Inhalt Anlage AG 7 wird Bezug genommen. Danach müsse die Verordnung mit einer PZN versehen werden, die Anbringung eines Sonderkennzeichens reiche nicht aus. Das Fehlen der PZN berechtige die Krankenkasse, den Rezeptbetrag auf Null zu kürzen (§ 5 II 2 AV AOK). Ein Leistungserbringer, der zwischen einem Produkt mit und einem ohne PZN wählen könne, würde daher immer ersteres wählen. Der Verfügungsbeklagten sei – da die AOK Sachsen-Anhalt mit einem Marktanteil von 34 % die größte Krankenkasse in Sachsen-Anhalt sei – damit ein Drittel dieses Marktes verschlossen. Bereits dies genüge, um das Aufbringen einer PZN durch die Verfügungsbeklagte zu rechtfertigen.

Die Rechtsauffassung der Verfügungsbeklagten werde gestützt durch die Praxis der Apothekensoftware awinta, die sich wie auch die Software aller anderen Anbieter von Apothekensoftware aus dem 14tägig aktualisierten ABDA-Artikelstamm speise. Dort seien – ebenso wie in der Software von Lauer-Fischer, Pharmatechnik und Aposoft – ausschließlich Artikel mit einer eigenen PZN erfasst (Anlagen AG 13, 16, 17). Auch in der Verbandstoffdatenbank würden nur Verbandstoffe gelistet, wenn hierfür eine PZN existiert. Da die genannten Apothekensoftwarelösungen von 16.000 der insgesamt 20.000 Apotheken in Deutschland genutzt würden, wäre der Verfügungsbeklagten damit mindestens 80 % des Apothekenmarktes nicht zugänglich. Per se sei die Abwicklung über eine „Sonder-PZN“ für alle Beteiligten ein „rotes Tuch“.

Entscheidungsgründe:

Der zulässige Widerspruch ist unbegründet.

Der Verfügungsklägerin steht gegen den Verfügungsbeklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG zu.

Die Verfügungsbeklagte verletzt die eingetragene Marke der Verfügungsklägerin, indem sie die Originalverpackung des Produktes Hydrocoll® Wundverband in der Größe 10x10 durch das Anbringen einer PZN verändert. Jedes Umpacken einer mit einer Marke versehenen Ware beeinträchtigt den spezifischen Gegenstand der Marke, der darin besteht, die Herkunft der mit ihr gekennzeichneten Ware zu garantieren (BGH GRUR 2011, 817, Rn. 13 – RENNIE). Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Verfügungsbeklagte nur die Verpackung verändert hat und nicht die Ware selbst, denn das Produkt und seine Aufmachung oder Verpackung bilden regelmäßig eine kennzeichenrechtlich geschützte Einheit (Fezer, Markenrecht, 4. Aufl. 2009, § 24 Rn. 49).

Die Verfügungsbeklagte kann sich nicht mit Erfolg auf den Erschöpfungseinwand gemäß § 24 Abs. 1 MarkenG berufen, wonach die Verbotsrechte des Markeninhabers hinsichtlich solcher markenmäßig gekennzeichneter Ware beschränkt sind, die von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht wurde. Diese Vorschrift findet im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 2 MarkenG keine Anwendung, weil sich der Markeninhaber der Benutzung der Marke aus berechtigten Gründen widersetzt. Grundsätzlich kann der Markeninhaber einem Dritten jede Veränderung der Verpackung seines Produkts, die einen Eingriff in das ausschließliche Kennzeichnungsrecht des Markeninhabers darstellt, untersagen.

In Ausnahmefällen jedoch kann sich ein Markeninhaber dem Vertrieb eines umverpackten Arzneimittels nicht widersetzen, wenn das Umpacken erforderlich ist, um die Vermarktung der parallel importierten Ware zu ermöglichen. Diese Voraussetzung der Erforderlichkeit ist erfüllt, wenn Regelungen oder Praktiken im Einfuhrmitgliedstaat den Vertrieb der genannten Waren auf dem Markt dieses Staats in der gleichen Verpackung, in der sie im Ausfuhrmitgliedstaat vertrieben werden, verhindern. Dagegen ist die Voraussetzung der Erforderlichkeit nicht erfüllt, wenn das Umverpacken der Ware seinen Grund ausschließlich darin hat, dass der Parallelimporteur einen wirtschaftlichen Vorteil erlangen möchte (EugH GRUR 2007, 586, Tz. 33 ff. – Boehringer Ingelheim/Swingward II).

Die Rechtsprechung zu parallel importierten Arzneimitteln ist auf den vorliegenden Fall eines Parallelimports von Medizinprodukten anwendbar (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., 2010, § 24 Rn. 67). Da die Verfügungsbeklagte das streitgegenständliche Produkt in Österreich bezieht und in Deutschland verkauft, liegt ein Fall des Parallelimports vor, bei dem zu prüfen ist, ob die Geltendmachung der Marke durch den Markeninhaber zum Zweck, sich dem Vertrieb der umgepackten Waren zu widersetzen, zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedsstaaten beitragen und deshalb gegen die Grundsätze der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34, 36 AEUV verstoßen würde.

Die Voraussetzung der Erforderlichkeit der Umverpackung ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist eine Abrechnung des streitgegenständlichen Medizinprodukts ohne PZN gegenüber den Kostenträgern nicht unmöglich.

Gemäß § 300 Abs. 1 S. 2 SGB V erfolgt die Abrechnung des streitgegenständlichen Wundverbandes nach § 300 SGB V. In der nach § 300 Abs. 3 SBG V getroffenen Regelung zwischen dem Deutschen Apothekenverband und den Spitzenverbänden (der gesetzlichen Krankenkassen), der VÜD, wurden Regelungen über die PZN getroffen. In § 4 Abs. 3 heißt es, dass mangels aufgebrachten bundeseinheitlichen Kennzeichens auf der äußeren Umhüllung das in Anlage 1 vereinbarte Sonderkennzeichen als bundeseinheitliches Kennzeichen gilt. Nach Ziff. 2.2 ist – wenn keine PZN vergeben ist – die zehnstellige Positionsnummer auf dem Verordnungsblatt aufzutragen, nach Ziff. 2.3 ist mangels PZN und Positionsnummer das dort genannte Sonderkennzeichen auf dem Verordnungsblatt aufzutragen.

Nachdem mit Gesetz vom 22.12.2011 § 300 Abs. 1 S. 2 SBG V eingefügt wurde, ist die Verpflichtung zur Abrechnung gemäß § 300 Abs. 1 S. 1 SGB V auf alle Leistungen nach § 31 SGB V erstreckt. Aus der geltenden VÜD Stand 08.07.2015 (Anlage Ast 13 Bl. 42) ergibt sich, dass sich diese auch auf Verbandmittel ohne PZN bezieht, hierfür wird das Sonderkennzeichen 09999034 vergeben. Die Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, dass dies in der Praxis auch tatsächlich so gehandhabt wird (Anlage Ast 19).

Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten vermögen die Vereinbarungen einer einzelnen AOK mit einem Leistungserbringer gemäß der AV AOK die zwischen dem Deutschen Apothekenverband und den Spitzenverbänden getroffenen Regelungen der VÜD nicht aufheben, vielmehr können sie nur als Konkretisierung des VÜD zu sehen sein. Damit ist auch soweit die AOK Sachsen-Anhalt betroffen ist, die Möglichkeit der Angabe eines Sonderkennzeichens gemäß der VÜD gegeben, was im Übrigen auch gegenüber anderen Leistungserbringern, die nicht der VÜD unterliegen – wie Sanitätshäusern – gilt.

Im Übrigen hat die Verfügungsklägerin zu Recht darauf hingewiesen, dass sich aus § 300 SGB V, dem VÜD oder der AV AOK keine Verpflichtung ergibt, eine PZN auf dem Produkt selbst aufzubringen, sondern nur auf der Verordnung.

Soweit die Verfügungsbeklagte einwendet, dass ihr ein Absatz des Produktes ohne PZN unmöglich sei, da bei den meisten Anbietern von Apothekensoftware ausschließlich Verbandsmittel gelistet würden, die eine PZN aufwiesen, kann auch aus diesem Grund keine künstliche Marktabschottung angenommen werden.

Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten sind keine Umstände vorhanden, die sie dazu zwingen, eine PZN auf der Verpackung des Produkts aufzubringen. Durch die von ihr vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen (Anlagen AG 13, 16, 17) hat sie glaubhaft gemacht, dass die jeweiligen Apotheker eine bestimmte Apothekensoftware benutzen zur Bestellung von Verbandsmitteln. Diese Software zeige nur Verbandsmittel mit PZN an. Die Apotheker würden bei der Entscheidung des Einkaufs von Verbandsmitteln mit und ohne PZN sich für die mit PZN entscheiden, weil eine Abrechnung ohne PZN unüblich und fehleranfällig sei und einen erhöhten Abrechnungsaufwand bedeuten würde. Diese angegebenen Motive sind bei der wirtschaftlichen Entscheidung der Bestellung von Verbandsmitteln zwar nachvollziehbar, damit ist jedoch die Erforderlichkeit der auf der Verpackung aufgedruckten PZN nicht glaubhaft gemacht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Einkauf von Verbandsmitteln nicht ausschließlich über den Großhandel – mithilfe des Einsatzes einer Apothekensoftware – möglich ist, sondern auch direkt von dem jeweiligen Anbieter. Zudem hat die Verfügungsklägerin mittels der Anlage AST 21 glaubhaft gemacht, dass beispielsweise bei der Apothekensoftware awinta vorgesehen ist, dass Apotheken auch selbst eine PZN anlegen können.

Ein Verfügungsgrund ist aufgrund der von der Markenverletzung ausgehenden Gefährdung für die geschützte Marke und dem daher bestehenden Interesse der Verfügungsklägerin an der Unterbindung weiterer Verletzungshandlungen gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Das die einstweilige Verfügung bestätigende Urteil ist mit der Verkündung sofort vollstreckbar und bedarf keiner Entscheidung zur Vollstreckbarkeit.

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