LG Frankfurt am Main: Lieferantenregress wegen Umrüstaktion für Röntgengeräte

1) Ein Hersteller wird seiner Produktbeobachtungs- und Gefahrabwendungspflicht in der Regel dadurch ausreichend gerecht, dass er die Nutzer des Produkts vor den Produktgefahren warnt und sie zur Stilllegung des Produkts auffordert. Zu einer kostenfreien Nachrüstung ist er nach Ablauf der Gewährleistungsfrist hingegen regelmäßig nicht verpflichtet.

2) Führt ein Hersteller nach Ablauf der gegenüber seinen Kunden geltenden Gewährleistungspflicht eine kostenfreie Umrüstungsaktion durch, um Gefahren zu beseitigen, die aus dem Mangel eines Zulieferteils resultieren, obwohl zur Erfüllung seiner Produktbeobachtungs- und Gefahrabwendungspflicht eine Warnung oder Aufforderung zur Stilllegung seines Produkts ausgereicht hätte, so kann er von seinem Lieferanten nach Ablauf seiner eigenen Gewährleistungsansprüche keine Erstattung der dadurch verursachten Kosten verlangen.

LG Frankfurt am Main, Urteil v. 01.08.2006 – 2-19 O 429/04
BGB § 426 Abs 1
BGB § 823
BGB § 438
BGB § 843


Erledigungsvermerk: rechtskräftig

Sachverhalt:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Erstattung von Aufwendungen, die ihr durch eine im Wesentlichen in den Jahren 2003 und 2004 durchgeführte Umrüstaktion an von ihr produzierten und vertriebenen 3-D-Röntgengeräten entstanden sind. Die Umrüstaktion wurde aus Sicht der Klägerin notwendig, nachdem es im Zusammenhang mit den Röntgengeräten der Klägerin in den Jahren 1992 bis 2003 zu insgesamt vier Zwischenfällen kam, bei denen laut Darstellung der Klägerin in zwei Fällen ein Mensch verletzt wurde. Die Parteien streiten nunmehr über die Kostentragungspflicht der Umrüstaktion.

Die Beklagte war Komplementärin der X-KG, die seit ca. 1967 die Klägerin mit Federzügen zum Einbau in von der Klägerin hergestellte Röntgengeräte belieferte. Nach Auflösung der KG im Jahre 1997 übernahm die Beklagte selbst die weitere Belieferung. Die von der Klägerin hergestellten Röntgengeräte beinhalten ein Stativ, an dessen oberen Ende sich der ca. 80 kg schwere Röntgenstrahler des Röntgengerätes befindet. Dieser Röntgenstrahler kann am Stativ hoch und runter gefahren werden Für diesen Bewegungsmechanimus bedarf es der gelieferten Federzüge. Teil dieser Federzüge ist eine sog. "Federbruchsicherung", die für den Fall des nie ganz zu vermeidenden Bruches der Feder das Herabfallen des Röntgenkopfes verhindern soll.

In den Jahren 1992 bis 1998 kam es weltweit zunächst zu insgesamt drei Zwischenfällen durch ein Herunterfallen des Röntgenstrahlers des Röntgengerätes, die auch damals Gegenstand von Erörterungen der Parteien waren. Bereits nach dem zweiten Vorfall im Jahre 1997 kam es zu einer Konstruktionsänderung an den Federbruchsicherungen, die ab Januar 1998 in die neuen Geräte eingebaut wurden. In diesem Zusammenhang wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass diese ihre Endabnehmer auf Gefahren des Versagens der bisherigen Federbruchsicherungen hinweisen müsse und bot an, diese Information zu übernehmen. Hierauf ging die Klägerin jedoch nicht ein.

Nach einem weiteren Schadensfall in den USA im Jahre 2003 entschloss sich die Klägerin, durch eine weltweite Umrüstaktion der Röntgengeräte, die bis 1998 ausgeliefert wurden, die fehlerhaften Federbruchsicherungen zu ersetzen. Ein neues Bauteil wurde eingebaut. Ob diese Umrüstaktion zum Zeitpunkt der Klageerhebung schon abgeschlossen und die entsprechenden Kosten schon bezifferbar waren, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin, die ursprünglich eine Feststellungsklage erhoben hatte, vertritt die Auffassung, dass sie als Endhersteller einen Ausgleichsanspruch aus Gesamtschuldnerhaftung, alternativ aus Geschäftsführung ohne Auftrag für sämtliche Aufwendungen der Umrüstaktion gegen die Beklagte als Zulieferer besitze. Sie sei zur Durchführung der Umrüstaktion, die rechtlich einem Rückruf gleichstehe, als Hersteller eines fehlerhaften Produktes verpflichtet gewesen, die Pflicht zur Durchführung der Umrüstaktion habe aber genauso die Beklagte getroffen. Grundlage der Verpflichtung der Klägerin zur Durchführung der Umrüstaktion sei die Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht, da sie durch ihr Produkt ein Gefahrenpotential geschaffen habe. Hieraus resultiere ihre "Verkehrspflicht zum Rückruf. Diese Pflicht zur Durchführung des Rückrufs treffe aber eben nicht nur die Klägerin als Herstellerin des Endproduktes, sondern auch den Zulieferer fehlerhafter Teile, somit die Beklagte. Die Umrüstaktion sei deshalb notwendig geworden, da das Zulieferteil der Beklagten, die Federbruchsicherung, mangelhaft gewesen sei. Das Gefahrenpotential sei allein vom gelieferten Teil der Beklagten ausgegangen, so dass die Kostentragungspflicht auch allein die Beklagte treffe, was im Übrigen auch den Grundgedanken der gesetzlichen Produkthaftung entspreche.

Die Beklagte wendet zunächst Verjährung ein. Insbesondere sei die zunächst eingereichte Feststellungsklage nicht "demnächst" zugestellt worden, da die Zustellung erst am 21.3.2005 erfolgte. Darüber hinaus wird geltend gemacht, dass die Beklagte nicht Gesamtrechtsnachfolgerin der KG sei, unabhängig davon jedoch Ansprüche gegen die Beklagte als frühere Komplementärin der KG gem. § 159 HGB verjährt seien, da die dort normierte 5-Jahres-Frist abgelaufen sei.

Ein Anspruch bestehe zudem bereits deshalb nicht, da die Beklagte zur Durchführung der Rückrufaktion nicht verpflichtet gewesen wäre. Auch seien die Ansprüche der Klägerin verwirkt.

Aus den Gründen:

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen keine Ansprüche gegen die Beklagte aufgrund der in den Jahren 2003 und 2004 durchgeführten Umrüstungsmaßnahmen in Form eines Austauschs der Federbruchsicherungen an den von ihr hergestellten Röntgengeräten zu, §§ 843, 426 Abs. 1 BGB.

Die Klägerin war aus deliktsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet, die Federbruchsicherungen auf eigene Kosten auszutauschen, da sie ihren aus der Produktbeobachtungspflicht resultierenden Verpflichtungen zum Schutz des Integritätsinteresses ihrer Kunden durch entsprechende Warnungen, Stilllegungsaufforderungen oder das Angebot eines kostenpflichtigen Austausches der Federbruchsicherungen ausreichend nachgekommen wäre. Da es sich bei der von der Klägerin für ihre Kunden kostenlos durchgeführten Umrüstaktion um eine aus rechtlicher Sicht freiwillige Maßnahme handelte, kann sie bereits aus diesem Grund eine Kostenübernahme durch die Beklagte nicht verlangen.

Den Hersteller treffen nach ständiger Rechtsprechung des BGH Produktbeobachtungs- und Warnpflichten als Ausprägung seiner Verkehrssicherungspflicht für von ihm in Verkehr gebrachte Produkte (vgl. BGHZ 80, 186, 191 ff.). So hat der Hersteller ab Inverkehrgabe seine Produkte auf noch unbekannt gebliebene, schädliche Eigenschaften und sonstige Gefahrenlagen schaffende Verwendungsfolgen zu beobachten (vgl. BHGZ a.a.O.). Welche Reaktionspflichten des Herstellers aus dieser Produktbeobachtungspflicht resultieren, insb., ob auch eine Verpflichtung des Herstellers zu einem Rückruf seines fehlerhaften Produktes oder sogar eine kostenlose Beseitigung der Gefährdung analog § 1004 BGB besteht, ist umstritten (zum Streitstand in Rechtssprechung und Literatur: Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 823 Rz. 603 f. m.w.N.). Der Hersteller wird nach Auffassung der Kammer in der Regel seinen Gefahrsteuerungspflichten bereits mit der Herausgabe von Warnungen vor den Produktgefahren oder durch eine Stilllegungsaufforderung ausreichend gerecht, da das Deliktsrecht dem Schutz des lntegritäts- und nicht des Äquivalenzinteresses dient (vgl. Brüggemeier, ZHRBd 152 (1988), 511, 523 ff.; Foerste in v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, 2. Aufl., § 24 Rz. 262 ff.). Dies insb. aufgrund der Tatsache, dass bei Anerkennung weitergehender Rückruf- und Reparaturpflichten die Wertungen des Gewährleistungsrechts beiseite geschoben werden würden (vgl. Kullmann in Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Rz. 1520, Bl. 61 ff.; Steffen in RGRK, 12. Aufl., § 823 Rz. 277, 282; Sack, BB 1985, 813, 817; Diedrichsen, DAR 1976, 312, 316; Schwenzer, JZ 1987, 1059, 1064; Michalski, BB 1998, 961, 965; Hager in Staudinger, Kommentar zum BGB, 13. Aufl., § 823 Rz. F 25 f.). Dem Schutz des Äquivalenzinteresses dienen die vertraglichen Gewährleistungsvorschriften, nicht das Deliktsrecht.

Sofern die Klägerin die Nutzer ihrer Röntgengeräte über die bestehenden Gefahren im Zusammenhang mit den bis 1998 ausgelieferten, fehlerhaften Federbruchsicherungen gewarnt und sie zu einer Stilllegung der Röntgengeräte oder zum kostenpflichtigen Austausch der Federbruchsicherungen aufgefordert hätte, wäre nach entsprechender Umsetzung dem zu schützenden Integritätsinteresse ihrer Kunden Genüge getan gewesen. Eine potentielle Verletzung des Integritätsinteresse durch Fortführung der Nutzung der fehlerhaften Röntgengeräte und damit auch der Federbruchsicherungen hätte, sofern überhaupt gegeben, durch die Umsetzung dieser Maßnahmen abschließend beseitigt werden können. Ein nicht mehr in Betrieb befindliches Gerät kann ebenso wenig Integritätsinteressen berühren wie ein mit einer neuen Federbruchsicherung versehenes. Sofern sich einzelne Nutzer trotz entsprechender Warnungen und Aufforderungen durch die Klägerin zu einer unveränderten Nutzung des Gerätes entschlossen hätten, würden die aus der Weiternutzung resultierende Gefährdungshaftung aufgrund der von der Klägerin ergriffenen Maßnahmen auf den Nutzer übergehen.

Diese Auffassung führt auch nicht zu unbilligen Ergebnissen. Zunächst ist festzustellen, dass eine Gefährdung der durch die Nutzung gefahrschaffender Produkte betroffenen Personen durch Umsetzung entsprechender Warnhinweise oder der Umsetzung einer Stilllegungsaufforderung ausgeschlossen werden kann. Ein sicherer Schutz der durch § 823 BGB geschützten Rechtsgüter bedarf somit zumindest keines kostenlosen Austausches gefährlicher Produkte oder Produktteile. Der Endabnehmer wird durch seine kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche hinreichend geschützt. Zwar ist es richtig, dass sich der Hersteller nach Ablauf von Gewährleistungsfristen auf selbige berufen kann. Dies ist vom Gesetzgeber aufgrund einer sonst uferlosen Gewährleistungssituation aber auch ausdrücklich gewollt. Die Möglichkeit, sich auf eine Verjährung der Gewährleistungsrechte zu berufen, gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Sofern nämlich der Verkäufer dem Käufer einen Mangel arglistig verschwiegen hat, kann er sich auf die Verjährungsfristen des § 438 Abs 1 BGB nicht berufen, § 438 Abs. 3 BGB. Die Gefahr, dass der Endabnehmer somit nach Ablauf der zweijährigen Verjährungsfristen im Kaufrecht keinerlei vertragliche Ansprüche gegen einen arglistig handelnden Verkäufer hätte, ist mithin nicht gegeben. Es bedarf somit zur Regelung solcher Fälle, in denen ein Verkäufer wissentlich ein im deliktischen Sinne gefahrschaffendes Produkt auf den Markt bringt, nicht des Rückgriffs auf eine deliktsrechtliche Haftung. Im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung durch Produktbeobachtungspflichten und daraus resultierender Reaktionspflichten faktisch eine Ausweitung der gesetzlichen Gewährleistungspflichten zu schaffen, so z.B. für erkenn- oder vermeidbare Konstruktions- oder Fabrikationsfehler, hält die Kammer nicht für angezeigt. Sollte der Gesetzgeber entsprechenden Regelungsbedarf sehen, obliegen ihm die entsprechenden Schritte. Hierbei ist insb. zu beachten, dass der Gesetzgeber durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz im Jahre 2002 neue Regelungen hinsichtlich der Verjährung von Gewährleistungsrechten geschaffen hat, ohne die hier fraglichen Fälle einer speziellen Regelung zu unterwerfen. Unabhängig davon stünden der Klägerin aber auch für den Fall, dass man vorliegend von einer gemeinsamen Verpflichtung der Parteien zu einem kostenfreien Austausch der Federbruchsicherung ausgehen würde, keine Ansprüche auf Übernahme der für den Austausch der Federbruchsicherung entstandenen Kosten gegen die Beklagte zu. Von einer Verpflichtung zum kostenlosen Austausch der Federbruchsicherungen ausgehend, wäre dieser alleine die Klägerin nachgekommen. Somit müsste zwischen den Parteien ein Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB erfolgen, wobei Verteilungsmaßstab entsprechend § 254 BGB (vgl. BGH, NJW 1963, 2067, 2068) die beiderseitigen Verschuldens- und Verursachungsbeiträge wären. Selbst wenn diese Abwägung zu einem Mitverschulden der Beklagten führen würde, wären der Klägerin die Durchsetzung der dadurch entstandenen Ansprüche verwehrt, da dies eine unzulässige Rechtsausübung, § 242 BGB, darstellen würde. Der Klägerin war seit dem Jahre 1992 bekannt, dass die von ihr für ihre Röntgengeräte eingesetzten Federbruchsicherungen der Beklagten versagen können und dadurch ausgelöst das 80 kg schwere Deckenstativ nebst Röntgenstrahler herabfallen konnte. Wie sehr ihr diese Gefahr bekannt war, hat sie eindrücklich in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 31.5.2006 dargestellt, in dem sie erstmals mitteilt, bereits im Jahre 1992 selbst umfangreiche Untersuchungen der Federbruchsicherung durchgeführt zu haben, indem sie verschiedene Versuchsreihen aufgebaut und durchgeführt hat. Ihrer eigenen Aussage nach hatte sie somit bereits 1992 erkannt, dass eine Fehlfunktion der Federbruchsicherung die Gefahr von erheblichen Verletzungen bis hin zur Lebensgefahr für Patienten und Bedienpersonal in sich barg. Diese Erkenntnisse hat sie jedoch für sich behalten und diese weder der Beklagten mitgeteilt, noch anderweitig reagiert. Die Durchführung einer kostenlosen Umrüstaktion hat sie zu diesem Zeitpunkt genauso wenig für notwendig erachtet, wie ihre Endabnehmer über das sich aus ihren Versuchsreihen ergebende erhebliche Verletzungsrisiko zu informieren. Gleiches gilt für die Zeit nach dem zweiten Vorfall im Jahre 1997. Auch diesen hat die Klägerin nicht zum Anlass genommen - und dies trotz ihrer Kenntnisse aus der Versuchsreihe im Jahre 1992 -, die ihrer heutigen Auffassung nach unumgängliche Umrüstungsaktion durchzuführen. Auch hat sie der Beklagten nicht mitgeteilt, dass sie - entsprechend der Aufforderung der Beklagten - ihre Endabnehmer angeblich in Form eines Schreibens vor Risiken im Falle eines Funktionsversagens der Federbruchsicherung gewarnt haben will. Sie hat ggü. der Beklagten stets die Auffassung vertreten, dass die sodann erfolgte Umstellung der Konstruktion der Federbruchssicherung ausreichend wäre. Ihre Auffassung hat sich auch nicht geändert, nachdem ihr im Jahre 1998 wiederum ein entsprechender Zwischenfall zur Kenntnis gelangte.

Erst nachdem es im Jahre 2003, also mehr als 5 Jahre nach dem letzten Zwischenfall, zu einem weiteren Vorfall - diesmal in den USA - kam, sah die Klägerin plötzlich Handlungsbedarf in Form einer für ihre Kunden kostenlosen Umtauschaktion, deren Kosten nunmehr aber die Beklagte übernehmen soll.

Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin aufgrund des Nichtreagierens auf die Aufforderung der Beklagten im Jahre 1997 die alleinige Produktverantwortung für ihre Röntgengeräte übernommen hat. Nachdem die Beklagte die Klägerin im Jahre 1997 aufgefordert hatte, die Endabnehmer der Röntgengeräte über die bestehenden Risiken zu informieren, lehnte die Klägerin dies - zumindest ggü. der Beklagten - ebenso ab, wie der Beklagten die Anschriften der Endabnehmer zur Verfügung zu stellen, damit die Beklagte diese Maßnahme selbst durchführen konnte. Vor diesem Hintergrund sind die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche verwirkt. Die Klägerin hat ggü. der Beklagten weder im Jahre 1992, nachdem der erste Zwischenfall bekannt wurde, noch nach den weiteren Zwischenfällen in den Jahren 1997 und 1998 die Notwendigkeit zur Durchführung einer Umrüstaktion auch nur angesprochen, obwohl ihr die Risiken ihres Produktes - sogar schon seit 1992 - bestens bekannt waren. Nachdem die Klägerin weder 1992 noch 1997, aber auch nicht nach dem weiteren Zwischenfall im Jahre 1998 die Notwendigkeit zur Durchführung einer Umrüstaktion gesehen hatte, konnte und durfte die Beklagte nach Ablauf von 5 bzw. sogar 11 Jahren davon ausgehen, dass die Klägerin bei im Wesentlichen unveränderter Sachlage eine Umrüstaktion nicht durchführen würde und sie mit diesbezüglichen Kosten nicht mehr in Anspruch genommen wird, sondern die Klägerin die 1999 ergriffenen und der Beklagten mitgeteilten Maßnahmen, hier die Neukonstruktion der Federbruchsicherung, als abschließend und ausreichend ansah. Dass sich auch im Jahre 2003 nur ein der Klägerin seit 1992 aus ihren eigenen Testreihen bestens bekanntes Risiko verwirklicht hatte, nämlich es diesmal zu einer Verletzung eines Patienten kam, kann nicht dazu führen, von einer veränderten Sachlage auszugehen. Auch wenn die Klägerin in einem Schreiben im Jahre 1998 ihren Endabnehmern Warnhinweise erteilt und ihre Servicetechniker bezüglich der Schwierigkeiten mit der Federbruchsicherung instruiert haben sollte, wurde die Beklagte von diesen Schritten nicht unterrichtet, so dass sie das Verhalten der Klägerin in vorgenannter Art und Weise verstehen konnte und durfte.

Darüber hinaus wäre die Klägerin mit der Geltendmachung von Kosten für die Umrüstung von Röntgengeräten, die nach Bekanntwerden der aus der Federbruchsicherung resultierenden Risiken ausgeliefert wurden, auch unter Zugrundelegung des Rechtsgedankens des § 817 Satz 2 BGB i.V.m. § 242 BGB ausgeschlossen. Die Klägerin hat, wenn auch mit Kenntnis der Beklagten, trotz der bekannten Risiken der Federbruchsicherungen selbige uneingeschränkt bis in das Jahr 1997 ausgeliefert, obwohl sie aufgrund der von ihr durchgeführten. Untersuchungsreihen von den erheblichen Gefahren wusste. Sie hat die risikobehafteten Federbruchsicherungen weiter in Verkehr gebracht und nicht etwa deren Verwendung umgehend eingestellt. Sofern ihr aufgrund dieser Entscheidung 11 Jahre später Kosten entstanden sind, um diese damalige Entscheidung in ihren Konsequenzen zu korrigieren; kann sie von der Beklagten - auch wenn diese von der Weiternutzung der Federbruchsicherungen wusste - einen Ausgleich der aus dieser Maßnahme resultierenden Kosten nicht verlangen.

LG Frankfurt am Main vom 01.08.2006
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