OLG Celle: Fehlender Wirksamkeitsnachweis (Schmerzlinderung) für Schuheinlagen

Eine Irreführung ist in der Werbung für Medizinprodukte (hier: Schuheinlagen) dann gegeben, wenn eine therapeutische Wirksamkeit als objektiv richtig beigemessen wird, diese Wirksamkeit aber fachlich (noch) umstritten ist, oder wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können (Anschluss BGH GRUR 2013, 649 – Basisinsulin). Irreführend ist die Werbung für Schuheinlagen mit der Behauptung, deren Tragen sei geeignet, das durch Schmerzen beeinträchtigte Wohlbefinden positiv zu verändern.

Studienergebnisse, die in der Werbung als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, sind grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist. Beruhen die Ergebnisse einer Studie auf eingeschränkten Erfahrungen der Probanden, ohne, dass eine vertiefte wissenschaftliche Kontrolle stattgefunden hat, kann eine ausreichende fachliche Absicherung nicht angenommen werden.

Genügt eine Studie nicht den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung, weil sie die Werbeaussagen inhaltlich nicht trägt, liegt in einem solchen Fall die Irreführung nicht darin, dass die – möglicherweise richtige – Aussage falsch ist, sondern dass sie jeglicher Grundlage entbehrt, obgleich die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, eine solche Behauptung werde nur bei Vorliegen einer qualifizierten Grundlage aufgestellt werden.

OLG Celle, Urteil v. 26.05.2016 – 13 U 147/15 (rechtskräftig)
Instanzen:
LG Hannover
HWG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Satz 2 Nr. 1, 2a
MPG § 4 Absatz 2 Satz 2 Nr. 1, Nr. 2
UWG § 3a

Andere Fundstellen: MPR 2017, 20 ff. mit Anm. Pflüger; MD 2016, 769 ff.


Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.11.2015 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des LG Hannover teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für eine „Dr. X. Schuheinlage“ mit folgenden Angaben zu werben:

1. „Haben Sie Schmerzen beim Gehen, Laufen oder Tanzen? Millionen haben durch das Tragen der ärztlich empfohlenen X. Schuheinlagen bereits Linderung erfahren.“;

2. „Bringen Sie Ihre Füße in die richtige Stellung und Ihren Körper von Grund auf ins Gleichgewicht“;

3. „Korrigiert die Fußstellung zur Linderung von Fußschmerzen“;

4. „Richtet Wirbelsäule und Becken wieder aus, um Knie-, Hüft- und Rückenschmerzen zu lindern“;

sofern dies geschieht wie Anlage K 1 zur Klageschrift vom 10.12.2014:

Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 20 % und die Beklagte zu 80 %. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus dem angefochtenem Urteil und aus diesem Urteil wegen der Unterlassungsaussprüche gegen Sicherheitsleistung von 5.000 € je Werbeausspruch abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in vorstehend genannter Höhe leistet. Im Übrigen kann der Beklagte die Vollstreckung aus beiden Urteilen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckbaren Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Der Kläger, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, nimmt die Beklagte auf Unterlassung von Äußerungen im Zusammenhang mit dem Vertrieb des im Internet unter www.X.de beworbenen Produkts „Dr. X. Schuheinlagen“ in Anspruch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das LG hat die Beklagten wegen drei der fünf streitgegenständlichen Werbeaussagen zur Unterlassung verurteilt. Der Kläger sei klagebefugt, da ihm neben dem Versandhaus K. unter anderem auch mehrere Mitgliedsunternehmen angehören, die Einlegesohlen vertreiben. Soweit in den streitgegenständlichen Werbeaussagen ausgeführt werde, die Schuheinlagen seien zur Schmerzlinderung geeignet, seien diese Aussagen irreführend und würden gegen das Heilmittelwerbegesetz verstoßen. Denn der durch die Werbung angesprochene durchschnittliche Verbraucher werde die Aussagen dahingehend verstehen, dass eine Linderung der Schmerzen „mit Sicherheit“ durch das Tragen der Schuheinlagen erreicht werde. Die Werbeaussagen „Bringen Sie Ihre Füße in die richtige Stellung und Ihren Körper von Grund auf ins Gleichgewicht“ und „bietet Stabilität und Gleichgewicht“ seien hingegen weder irreführend noch beinhalten diese Falschangaben. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf diese Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen Unterlassungsantrag im Hinblick auf die Werbeaussage „Bringen Sie Ihre Füße in die richtige Stellung und Ihren Körper von Grund auf ins Gleichgewicht“ weiter. Der Kläger ist der Ansicht, dass der durchschnittliche Verbraucher die Werbeaussage dahingehend verstehen werde, dass er auch ohne gesonderte medizinische Abklärung und Vermessung seines Fußes mit der Schuheinlage in der Lage sei, seinem Fuß wieder die richtige „Haltung“ zukommen lassen und seinen Körper wieder ausrichten lassen könne.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Hannover vom 12.11.2015 die Beklagte über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu werben für eine „Dr. X. Schuheinlage“ mit der Angabe

„…

2. Bringen Sie Ihre Füße in die richtige Stellung und Ihren Körper von Grund auf ins Gleichgewicht.

…,“

sofern dies geschieht, wie in der Anlage K1 wiedergegeben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte begehrt mit ihrer Berufung die Klageabweisung insgesamt. Die Beklagte rügt, das LG habe die Erwartungshaltung der Verbraucher bei standardisierten Schuheinlagen verkannt. Der angesprochene Verkehr leite aus den streitgegenständlichen Werbeaussagen gerade keine automatische Schmerzlinderung ab. Im Übrigen seien die von der Beklagten ausgelobten Wirkungen anhand der Studie von M. aus September 2001 wissenschaftlich abgesichert.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter teilweiser Abänderung des am 12.11.2015 verkündeten Urteils des LG Hannover (32 O 88/14) insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes beider Instanzen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Die Berufung der Beklagten hat hingegen keinen Erfolg.

1. Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.

Die Klagebefugnis setzt voraus, dass der Kläger die Interessen einer erheblichen Zahl von Unternehmen wahrnimmt, die auf demselben Markt tätig sind wie der Wettbewerber, gegen den sich der Anspruch richtet.

a) Der Begriff der Waren- oder Dienstleistung in gleicher oder verwandter Art i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist dabei weit auszulegen (BGH, Urteil vom 16.4.2015 – I ZR 27/14 – Bohnengewächsextrakt, juris Rn. 11; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 8 Rn. 3.38). Die beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen müssen sich ihrer Art nach so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz des einen Unternehmers durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann. Es reicht aus, dass eine nicht gänzlich unbedeutende potentielle Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann. Ein entsprechendes Wettbewerbsverhältnis wird wesentlich durch die gemeinsame Zugehörigkeit zur selben Branche oder zu zumindest angrenzenden Branchen begründet. Dabei ist auf Seiten des in Anspruch Genommenen auf den Branchenbereich abzustellen, dem die beanstandete Wettbewerbshandlung zuzurechnen ist (BGH, Urteil vom 16.4.2014, a.a.O.; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 8 Rn. 3.38a).

Dem Kläger gehören eine erhebliche Anzahl von Gewerbetreibenden an, die Leistungen gleicher oder verwandter Art wie die Beklagte anbieten. Der relevante sachliche Markt beschränkt sich dabei nicht allein auf den Vertrieb von Schuheinlagen oder orthopädische Arztleistungen. Die Schuheinlagen werden in Bezug auf Fuß-, Knie-, Hüft- und Rückenschmerzen beworben, so dass auch auf den Bereich von Dienstleistungen abgestellt werden kann, die von den Verbrauchern wegen dieser körperlichen Beeinträchtigungen nachgesucht werden. Dies sind insbesondere die dem Kläger angehörenden 5 Allgemeinärzte, 19 Heilpraktiker, 8 Apotheken, 5 Kliniken sowie eine Vielzahl von Firmen, die Medizinprodukte vertreiben.

b) Der maßgeblich räumlich relevante Markt richtet sich nach der Reichweite der Geschäftstätigkeit des in Anspruch genommenen Unternehmens; er kann örtlich oder regional begrenzt sein, aber auch – etwa bei bundesweiter Werbung – das gesamte Bundesgebiet erfassen (BGH, Urteil vom 23.10.2008 – I ZR 197/06 – Sammelmitgliedschaft VI, juris Rn. 8; Köhler/Feddersen, in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 8 Rn. 3.40). Die Beklagte bewirbt die streitgegenständlichen „Dr. X. Schuheinlagen“ im Internet unter www.X.de, sodass sich die Geschäftstätigkeit auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt.

2. Der Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte ist nach § 3, § 3a UWG i.V.m. § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG bzw. § 4 Abs. 2 Satz 1 MPG begründet.

a) Gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 1a, 3 Satz 1 HWG i.V.m. § 3 Nr. 1a und b MPG bzw. § 4 Abs. 2 Satz 1 MPG ist eine irreführende Werbung für Medizinprodukte verboten.

Bei § 3 HWG handelt es sich um eine gesetzliche Regelung, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten i.S.d. § 3a UWG (= § 4 Nr. 11 UWG a.F.) zu regeln (BGH, Urteil vom 21.7.2005 – I ZR 94/02 – Ginseng-Präparat, juris Rn. 24; Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 3a Rn. 1.222, 1.223). Dies gilt gleichfalls für das Medizinproduktgesetz (Link in Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 3a UWG Rn. 318).

b) Eine Irreführung liegt nach § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG bzw. § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MPG insbesondere vor, wenn Medizinprodukte eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkung bzw. eine Leistung beigelegt werden, die sie nicht haben.

Eine Irreführung ist dann gegeben, wenn in der Werbung eine therapeutische Wirksamkeit als objektiv richtig beigemessen wird, diese Wirksamkeit aber fachlich (noch) umstritten ist (vgl. BGH, Urteil vom 7.12.2000 – I ZR 260/98, Eusovit, juris Rn. 33), oder wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können (BGH, Urteil vom 6.2.2013 – I ZR 62/11 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil, juris Rn. 16).

Durch die auf der Internetseite der Beklagten www.X.de erfolgte Produktbeschreibung wird der X. Schuheinlage eine therapeutische Wirksamkeit bzw. Wirkung beigelegt. Eine Wirkaussage wird einem beworbenen Produkt beigelegt, wenn ein Zusammenhang zwischen dem Produkt und dem Körper bzw. Gesundheitszustand behauptet wird (OLG Hamm, Urteil vom 13.12.2011 – 4 U 92/11, juris Rn. 33; OLG Nürnberg, Beschluss vom 4.7.2013 – 3 U 183/13, juris Rn. 3). Dies ist bei der streitgegenständlichen Produktbeschreibung der Fall, in der es im Wesentlichen heißt:

„Haben Sie Schmerzen beim Gehen, Laufen oder Tanzen? Millionen haben durch das Tragen der ärztlich empfohlenen X. Schuheinlagen bereits Linderung erfahren. Bringen Sie Ihre Füße in die richtige Stellung und Ihren Körper von Grund auf ins Gleichgewicht. X. orthopädische Schuheinlagen zu einem günstigen Preis.

Korrigiert die Fußstellung zur Linderung von Fußschmerzen und bietet Stabilität und Gleichgewicht.

Entlastet durch die gleichmäßige Verteilung der Belastung bei jedem Schritt.

Richtet Wirbelsäule und Becken wieder aus, um Knie-, Hüft- und Rückenschmerzen zu lindern“.

Zu den beanstandeten Werbeaussagen im Einzelnen:

aa) Mit der Werbeaussage Nr. 1 „Haben Sie Schmerzen beim Gehen, Laufen oder Tanzen? Millionen haben durch das Tragen der ärztlich empfohlenen X. Schuheinlagen bereits Linderung erfahren“ wird ein Zusammenhang zwischen dem beworbenen Produkt und dem Gesundheitszustand behauptet, nämlich, dass das Tragen der X. Schuheinlagen geeignet ist, das durch Schmerzen beeinträchtigte körperliche Wohlbefinden positiv zu verändern. Den verwandten Begriff „Linderung“ verstehen die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen die Mitglieder des Senats gehören, als eine Besserung bestehender Schmerzen.

bb) Soweit es in der Werbeaussage Nr. 2 „Bringen Sie ihre Füße in die richtige Stellung und Ihren Körper von Grund auf ins Gleichgewicht“ darum geht, vorhandene Fehlstellungen der Füße zu korrigieren und den sich nicht im Gleichgewicht befindlichen Körper wieder ins Gleichgewicht zu bringen, besteht auch hier im Gesamtzusammenhang mit der Aussage über die Schmerzlinderung.

Das LG verkennt, dass die Werbeaussagen im Zusammenhang mit dem beworbenen Produkt X. Schuheinlagen zu sehen sind und dieser inhaltliche Zusammenhang zwischen Produkt und Werbeaussage bei der Auslegung maßgeblich zu berücksichtigen ist. Gewinnt ein – isoliert betrachteter – neutraler Satz, der als solcher nicht zu beanstanden ist, seinen rechtswidrigen Gehalt aus dem werblichen Umfeld der Anzeige, weil dieser Zusammenhang ihm einen bestimmten Sinn gibt und zu einem entsprechenden Verständnis des Betrachters führt, ist die Aussage unzulässig, wenn das werbliche Umfeld der Anzeige in das Verbot einbezogen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 20.1.2015 – 13 U 108/14, juris Rn. 38). Dies ist hier der Fall. Der Kläger hat den einzelnen Werbeaussagen in seinem Unterlassungsantrag die Formulierung vorangestellt, „… im geschäftlichen Verkehr für eine „Dr. X. Schuheinlage“ mit folgenden Angaben zu werben“, und somit eine ausdrückliche Verbindung zwischen dem beworbenen Produkt zu jeder einzelnen Werbeaussage hergestellt. Dabei ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu berücksichtigen, nach der es sich bei der in der Kopfzeile einer Werbeanzeige enthaltene Angabe, „Wichtige Information für Arthrose-Patienten!“, um eine eigenständige, gegen § 3 Nr. 2 HWG verstoßende Werbeaussage hinsichtlich des in der Anzeige beworbenen Arzneimittels handelt (BGH, Urteil vom 7.12.2000 – I ZR 260/98 – Eusovit, juris Rn. 34 ff.).

cc) Für die Werbeaussage Nr. 3 „Korrigiert die Fußstellung zur Linderung von Fußschmerzen“ kann auf die Ausführungen zur Werbeaussage Nr. 1 Bezug genommen werden.

dd) Mit der Werbeaussage Nr. 5 „Richtet Wirbelsäule und Becken wieder aus, um Knie-, Hüft- und Rückenschmerzen zu lindern“ wird den X. Schuheinlagen wiederum zugesprochen, dass sie geeignet sind, das körperliche Wohlbefinden zu verbessern und vorhandene Schmerzen zu verringern.

c) Der Einwand der Beklagten, der Verbraucher verstehe die Werbeaussagen gerade nicht dahingehend, dass eine Schmerzlinderung „mit Sicherheit“ eintrete, ist unbeachtlich. Ein solches Verständnis ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

Zum einen ist gem. § 3 Satz 2 Nr. 2a) HWG bzw. § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 MPG die Werbung mit Angaben verboten, die entgegen dem medizinischen Kenntnisstand den Eindruck des sicheren Eintritts eines Anwendungserfolgs erweckt. Zum anderen stellt es nach § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG bzw. § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 MPG eine unzulässige irreführende Werbung dar, wenn dem beworbenen Medizinprodukt eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkung beigelegt wird, dies es nicht hat.

d) Entgegen der Ansicht der Beklagten geht es in den Werbeaussagen nicht nur lediglich um tatsächliche Unannehmlichkeiten oder bloße Alltagsbeschwerden. Die Werbeaussage, die Fußstellung zu korrigieren bzw. Wirbelsäule und Becken wieder auszurichten, spricht insbesondere die Verkehrskreise an, die aufgrund von Fehlstellungen, Verletzungen oder sonstigen Erkrankungen Schmerzen an den betroffenen Körperteilen haben. Dieser Eindruck wird verstärkt durch den Umstand, dass die X. Schuheinlagen ärztlich empfohlen sein sollen und sich Diabetiker oder Personen mit Kreislaufproblemen vor der Verwendung der Schuheinlagen mit ihrem Podologen oder Arzt beraten sollen, um eine geeignete Behandlung und Versorgung zu gewährleisten.

e) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 HWG darf nur mit solchen Wirkungen geworben werden, die entweder durch Erkenntnisse der Wissenschaft oder durch praktische Erfahrungen gerechtfertigt sind. Letzteres setzt voraus, dass solche Wirkungen bei einem größeren Personenkreis eingetreten sind; Einzelfälle genügen, auch bei offenbarem Erfolg, nicht. Erfahrung ist immer eine Zusammenfassung einer Reihe übereinstimmender Vorgänge. Sie muss auch belegbar sein; bloße Erfahrungsberichte von Ärzten, die das Mittel ohne wissenschaftliche Kontrollmethoden anwenden und (oder) den Erfolg nur intuitiv bewerten, genügen nicht (Pelchen/Anders in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 207. Aufl., § 3 HWG Rn. 11; Zimmermann, Heilmittelwerbegesetz, 2012, § 3 Rn. 4).

Studienergebnisse, die in der Werbung als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, sind grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in dem Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (BGH, Urteil vom 6.2.2013, a.a.O., juris Rn. 19). Diesen Vorgaben erfüllt der von der Beklagten in englischer Sprache vorgelegte „Final Report“ über die Studie mit dem Titel „Evaluation oft he Effectiveness of Phase 4 Orthotics to Relieve Pain and Discomfort Associated with Abnormal Pronation and/or Foot Misalignment“ aus September 2001 (Anlage B 7) nicht.

aa) Die in der englischsprachigen Fassung vorgelegte Studie ist bei der Entscheidung zu berücksichtigen, selbst wenn die Partei keine oder weitgehend unbrauchbare Übersetzungen vorgelegt hat, soweit die mit der Entscheidung befassten Richter der Sprache hinreichend mächtig sind (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 12.2.2014 – 3 U 192/13, juris Rn. 51). Dies ist hier der Fall. Zudem hat die Beklagte neben dem vollständigen fremdsprachigen Originaltext mit der Klageerwiderung vom 7.4.2015 für einzelne Abschnitte eine „Arbeitsübersetzung“ in deutscher Sprache wiedergegeben. Ein solches Vorgehen wird als ausreichend angesehen, um die fremdsprachige wissenschaftliche Studie ordnungsgemäß in einen Prozess einzuführen (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 12.7.2007 – 3 U 39/07, juris Rn. 45; OLG Bamberg, Urteil vom 12.2.2014, a.a.O.).

bb) Die Studie ist im Ergebnis nicht geeignet, eine ausreichende wissenschaftliche Grundlage für die streitgegenständlichen Werbeaussagen darzustellen.

Bei der von der Beklagten vorgelegten Studie handelt es sich nicht um eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie. Weder hat es eine Vergleichsgruppe gegeben, die die X. Schuheinlagen in dem Zeitraum, in dem die Studie erstellt worden ist, nicht getragen hat, noch gab es eine Vergleichsgruppe, die nicht die X. Schuheinlagen, sondern andere nicht über den behaupteten Effekt der X. Schuheinlagen zur Korrektur der Fußstellung entsprechenden Einlagen getragen haben. Insbesondere auf den Gebiet der Schmerzlinderung, in denen objektiv messbare organische Befundmöglichkeiten fehlen und der Wirksamkeitsnachweis damit allein von einer Beurteilung des subjektiven Empfindens der Probanden abhängt, bedarf es zum Nachweis der Wirksamkeit placebokontrollierter Studien (BGH, Urteil vom 15.3.2012 – I ZR 44/11 – ATROSTAR, juris Rn. 19).

Die Studie belegt nicht ausreichend, dass die behaupteten Wirkungsaussagen auf praktischen Erfahrungen beruhen. Es fehlt hier bereits an einem ausreichend großen Personenkreis, die entsprechende Wirkungen erlebt haben. Die Studie haben 105 Probanden abgeschlossen. Bei den Auswertungen fällt auf, dass die in der Studie untersuchten Bereiche, in denen Probanden Schmerzen hatten (Rücken, Hüfte, Bein, Knie, Füße, Fußgewölbe, Ballen, Knöchel und Ferse), nicht alle Probanden betrafen. So ergibt sich aus dem Anhang zur Studie „Table I“ in Bezug auf den Bereich der Ferse („Heel“), dass nicht 105 Probanden Schmerzen in diesem Bereich hatten, sondern nur 61. Im Bereich Knie („Knee“) hatten nur 68 Probanden Beschwerden. Teilweise waren bei einzelnen Probanden mit Knieproblemen (Nrn. 6, 38 und 112) die Ausgangsbeschwerden bereits so gering angegeben (unter 20), als dass eine Linderung objektiv nicht fassbar ist. Weiterhin hat sich bei den Probanden Nrn. 1, 16, 20, 28, 40, 49, 50, 68, 69, 73, 80, 84 und 121 feststellen lassen, dass zwar nach zwei Wochen eine Schmerzlinderung eingetreten ist, die Schmerzen sich nach Ablauf des Untersuchungszeitraums von vier Wochen aber wieder verschlechtert hatten.

Weiterhin haben sich bei 8 Probanden Schmerzen an den Füßen bzw. den Knöcheln bzw. an der Hüfte eingestellt, als sie die Schuheinlagen im Untersuchungszeitraum getragen haben. Nachdem diese Probanden aufgehört hatten, die Schuheinlagen zu tragen, sind diese Schmerzen wieder verschwunden.

Damit beruhen die Ergebnisse der Studie auf eingeschränkten Erfahrungen der Probanden, ohne dass es eine vertiefte wissenschaftliche Kontrolle stattgefunden hat. Eine ausreichende fachliche Absicherung kann daher nicht angenommen werden. Dies geht zu Lasten der Beklagten. Der Werbende übernimmt dadurch, dass er eine bestimmte Aussage trifft, die Verantwortung für die Richtigkeit, die er im Streitfall auch beweisen muss (BGH, Urteil vom 6.2.2013, a.a.O., juris Rn. 32). Die vorgelegte Studie genügt dem nicht, weil sie die Werbeaussagen inhaltlich nicht trägt. In einem solchen Fall liegt die Irreführung nicht darin, dass die – möglicherweise richtige – Aussage falsch ist, sondern dass sie jeglicher Grundlage entbehrt, obgleich die angesprochenen Verkehrskreise annehmen, eine solche Behauptung werde nur bei Vorliegen einer qualifizierten Grundlage aufgestellt werden (Feddersen, GRUR 2013, 127 [134]).

e) Eine Spürbarkeit i.S.d. § 3a UWG ist zu bejahen.

Das Heilmittelwerbegesetz dient dem Schutz der Verbraucher vor Fehlentscheidungen beim Arzneimittelgebrauch und vor wirtschaftlicher Übervorteilung (BGH, Urteil vom 12.12.2013 – I ZR 83/12 – Testen Sie Ihr Fachwissen, juris Rn. 11; Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 3a Rn. 1.218), so dass eine irreführende Werbung regelmäßig spürbar ist es (BGH, Urteil vom 8.1.2015 – I ZR 123/13 – Abgabe ohne Rezept, juris Rn. 16; Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 3a Rn. 1.102).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Auch soweit sich die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 708 Nr. 10 Satz 2 auf die Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil bezieht, sind jeweils §§ 711 ff. ZPO zu beachten (Ulrici in BeckOK ZPO, 20. Edition, § 708 Rn. 24). Die für den Unterlassungsausspruch anzuordnende Sicherheitsleistung bemisst sich nach dem bei einer Vollstreckung drohenden Schaden (Senat, Urteil vom 22.10.2015 – 13 U 47/15, juris Rn. 123). Den bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens drohenden Schaden schätzt der Senat für jede einzelne Werbeaussage auf 5.000 €.

Gründe, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, bestehen nicht.

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