LG Hamburg: Bestechung und Bestechlichkeit von Kassenärzten über “Verordnungsmanagement” bei Arzneimitteln?

Zu dieser Frage ergeht am 20.07.2011 zweiter Vorlagebeschluss des 5. Senates des BGH Az: 5 StR 115/11 zum Großen Senat für Strafsachen zur Klärung der Frage, ob der Kassenarzt Amtsträger im Sinne des § 11 StGB i. V. m. § 331 StGB oder hilfsweise Beauftragter im Sinne des § 299 StGB in Beziehung zur GKV sein kann. Vorliegender Sachverhalt handelt von der rechtswidrigen Erlangung von Arzneimittelrezepten. Demgegenüber ging es beim ersten Vorlagebeschluss des 3. Senates des BGH Az: 3 StR 458/10 vom 05.05.2011 zur gleichen Rechtsfrage um Hilfsmittelrezepte. Entscheidender Unterschied ist das unterschiedliche Genehmigungsverfahren auf Seiten der gesetzlichen Krankenkasse.

LG Hamburg, Urteil v. 09.12.2010 – 618 KLs 10/09 (nicht rechtskräftig)
Instanzen:
LG Hamburg
BGH vom 20.07.2011; 5 StR 115-11
§§ 299, 331 ff. StGB, 29 I BMV-Ä
Hinweis:

Grundsätzliche Bedeutung für rechtmäßigen Medizinprodukte- und Arzneimittelvertrieb über niedergelassene Ärzte.


Der Angeklagte B. wird wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in sieben Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Die Höhe eines Tagessatzes wird auf 300 € festgesetzt. Dem Angeklagten bleibt nachgelassen, die Geldstrafe in monatlichen Teilbeträgen von 2.250 €, fällig jeweils am Ersten eines jeden Monats, beginnend mit dem Ersten des auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monats, zu zahlen. Kommt der Angeklagte mit einem Teilbetrag länger als 14 Tage in Rückstand, so ist der geschuldete Restbetrag auf einmal fällig.

Die Angeklagte R. wird wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in sechzehn Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Die Höhe eines Tagessatzes wird auf 50 € festgesetzt. Der Angeklagten bleibt nachgelassen, die Geldstrafe in monatlichen Teilbeträgen von 375 €, fällig jeweils am Ersten eines jeden Monats, beginnend mit dem Ersten des auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monats, zu zahlen. Kommt die Angeklagte mit einem Teilbetrag länger als 14 Tage in Rückstand, so ist der geschuldete Restbetrag auf einmal fällig.

Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Die Firma X. GmbH (im Folgenden: X) betrieb spätestens seit 1997 zur Steigerung ihres Umsatzes unter dem Schlagwort „Verordnungsmanagement” (VOM) auf Grundlage so genannter „VOM-Vereinbarungen” ein System zur Bestechung von niedergelassenen Ärzten mit Geld- und Sachleistungen, deren Höhe abhängig war von Menge und Preis der im jeweiligen Quartal verschriebenen X-Medikamente. Gegen die Hauptverantwortlichen für die Ausgestaltung und Implementierung des Bestechungssystems in der Geschäftsführung von X wurden bisher keine Anklagen erhoben. Die Angeklagten im vorliegenden Verfahren sind in ihrer Bedeutung demgegenüber lediglich auf nachrangiger Stufe anzusiedeln.

Seit 1998 bestand eine „VOM-Vereinbarung” mit dem seit 1986 in Hamburg als Vertragsarzt zugelassenen Angeklagten B., wonach X dem Angeklagten B. eine Prämie in Höhe von 5 % des Herstellerabgabepreises aller im jeweiligen Quartal verordneten X-Medikamente zahlen würde. Der Angeklagte B. sollte also immer dann, wenn er Medikamente der X verschrieb, hiervon persönlich profitieren. Als Gegenleistung sollte er Medikamente der Firma X vorrangig verschreiben.

Diese Vereinbarung wurde von der Angeklagten R., die seit Januar 2000 als Pharmareferentin im Außendienst von X im Bezirk Hamburg tätig war, fortgeführt. Im angeklagten Tatzeitraum Januar 2004 bis September 2005 kam es insoweit zu sieben Scheckzahlungen über einen Gesamtbetrag in Höhe von 10.146,60 €, was der Verordnung von X-Medikamenten mit einem Herstellerabgabepreis in Höhe von über 200.000 € entsprach. 80 % der Umsätze und der daran anknüpfenden Zuwendungen entfielen auf Verordnungen, die der Angeklagte B. in seiner Eigenschaft als Vertragsarzt für gesetzlich versicherte Patienten ausstellte.

Daneben übergab die Angeklagte R. jeweils aufgrund entsprechender VOM-Vereinbarungen sieben Schecks an den gesondert verfolgten Vertragsarzt D. (insgesamt 6.878,89 €) sowie zwei Schecks über je 500 € an die in Gemeinschaft praktizierenden gesondert verfolgten Vertragsärztinnen L. und S.

Die Zahlungen an den Angeklagten B. und die andern Vertragsärzte wurden jeweils als Honorare für tatsächlich nicht gehaltene Vorträge deklariert.

Die Feststellungen der Kammer beruhen weitestgehend auf den sehr umfänglichen Geständnissen der Angeklagten.

Soweit diese die Abrede einer vorrangigen Verschreibung von X-Medikamenten in Abrede nehmen, wird dies durch die tatsächlich festzustellende Bevorzugung sowie das spätere Verlangen einer höheren Umsatzbeteiligung des Angeklagten B. – unter Hinweis auf ein entsprechendes Angebot einer Konkurrenzfirma – widerlegt.

Soweit die Angeklagten ihre Kenntnis von der rechtlichen Unzulässigkeit der inkriminierten Zuwendungen bestritten haben, werden ihre Einlassungen u.a. durch ihr konspiratives, auf Verdeckung des wirklichen Grundes der Zuwendungen gerichtetes Verhalten widerlegt.

Dem Urteilsspruch ist keine Verständigung im Sinne von § 257c StPO vorausgegangen.

II. Zur Person des jeweiligen Angeklagten hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:

1. Der jetzt 61-jährige Angeklagte B. wurde in H. (Sachsen) geboren und siedelte mit seinen Eltern 1955 nach Bremen über. Er wuchs in kleinbürgerlichen Verhältnissen auf.

Nach erfolgreichem Abschluss der mittleren Reife im Jahre 1966 begann der Angeklagte B. zunächst eine Ausbildung im mittleren Dienst der Freien Hansestadt Bremen. Aufgrund hervorragender Leistungen erhielt der Angeklagte nach zwei Jahren die Möglichkeit, in den gehobenen Dienst der Freien Hansestadt Bremen aufzusteigen. Er wurde 1970 zum Verwaltungsinspektor ernannt.

Neben der beruflichen Tätigkeit besuchte der Angeklagte B. das Abendgymnasium, welches er 1973 mit dem Abitur abschloss. Seine Abiturnote erlaubte es ihm, im unmittelbaren Anschluss ein Studium der Medizin aufzunehmen. Nach zwei Semestern an der Universität Marburg absolvierte der Angeklagte sein restliches Studium an der Universität Hamburg. Im Jahr 1980 bestand der Angeklagte das letzte medizinische Staatsexamen und wurde zudem zum Dr. med. promoviert.

Nach erfolgreichem Abschluss der Facharztausbildung ließ sich der Angeklagte B. 1986 in Altona nieder. Heute betreibt er eine der größten Praxen in Hamburg. Neben zwei Partnern arbeiten noch vier angestellte Ärzte für seine Praxis. Sein Monatseinkommen gibt der Angeklagte mit 10.000 € netto an.

Der Angeklagte B. ist seit über 30 Jahren verheiratet. Aus dieser Ehe sind drei Kinder im Alter von jetzt 28, 26 und 24 Jahren hervorgegangen. Er lebt mit seiner Familie im Hamburger Stadtteil Blankenese. Für das jüngste Kind ist der Angeklagte noch unterhaltspflichtig. Seine Ehefrau arbeitet in Teilzeit als Lehrerin.

Der Angeklagte B. ist nicht vorbestraft.

2. Die 41-jährige Angeklagte R. wurde in P. (Mecklenburg-Vorpommern) geboren und besuchte dort auch die Schule. Nach dem bestandenen Realschuldabschluss im Jahre 1985 absolvierte die Angeklagte eine Ausbildung zur Apothekenhelferin und war danach in diesem Beruf tätig. 1990 zog die Angeklagte von Parchim nach Witten (Nordrhein-Westphalen) um und arbeitete dort in einer Apotheke. Von 1991 bis 1993 bildete sich die Angeklagte zur Pharmazeutisch-technischen Assistentin weiter. Danach arbeitet sie weiter in einer Apotheke in Witten. Die Angeklagte zog 1997 nach Hamburg und arbeitete auch hier zunächst in einer Apotheke, bevor sie sich entschloss, als Pharmareferentin tätig zu werden. Seit dem 1.1.2000 arbeitet die Angeklagte im Außendienst von X. Ihr monatliches Nettoeinkommen beträgt nach ihren Angaben etwa 1.900 €, wobei das fixe Grundgehalt 1.700 € netto betragen soll.

Die Angeklagte R. ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Sie ist nicht vorbestraft.

III.1. Vortatgeschehen

Im Jahre 1998 verabredete der als Vertragsarzt zugelassene Angeklagte B. mit dem Pharmakonzern X, eine umsatzabhängige Vergütung in Höhe von 5 % des Herstellerabgabepreises der von ihm im Quartal verordneten X-Medikamente zu erhalten. Der Angeklagte B. sollte also immer dann, wenn er Medikamente von X verschrieb, hiervon persönlich profitieren. Beide „Vertragsparteien” gingen davon aus, dass der Angeklagte als Gegenleistung vorrangig Medikamente der Firma X verordnen würde. Um die Rechtswidrigkeit der Zuwendungen zu kaschieren, sollten die Zahlungen in Anknüpfung an § 7 Abs. 2 HWG als Honorar für wissenschaftliche Vorträge getarnt werden.

Diese Vorgehensweise entsprach einem von der Unternehmensleitung des Konzerns X entwickelten System, das den Mitarbeitern des Vertriebs unter dem Namen „Verordnungsmanagement” („VOM”) vorgegeben wurde. Bei der spätestens im Jahre 1997 erstmals umgesetzten Vertriebsstrategie handelte es sich um den Versuch einer flächendeckenden Bestechung von Vertragsärzten, um diese zu einer vermehrten Verschreibung von X-Medikamenten zu bewegen. Sämtliche teilnehmenden Vertragsärzte sollten eine umsatzabhängige Vergütung für die Verschreibung von X-Medikamenten erhalten. Unter anderem mit dieser Maßnahme sollte der Marktanteil der X zu Lasten ihrer Konkurrenz, etwa Y und Z, ausgebaut werden. Dabei stand es den jeweiligen Außendienstmitarbeitern grundsätzlich frei, ob und wenn ja mit welchen Vertragsärzten sie VOM-Vereinbarungen abschließen bzw. fortsetzen wollten. Ein mittelbarer Druck zum umfänglichen Einsatz von VOM-Vereinbarungen wurde jedoch von X über die dem Außendienst vorgegebenen Umsatzziele erreicht.

Unter anderem für das VOM stellte X dem Angeklagten B. das EDV-System „ DOCexpert” kostenfrei zur Verfügung. Dieses System ermöglichte es dem Angeklagten B., das jeweils geeignete X-Medikament leicht ausfindig zu machen. Immer dann, wenn ein Originalpräparat oder ein Wirkstoff aufgerufen wurde, wurde – soweit im X-Sortiment vorhanden – das entsprechende Produkt von X eingeblendet und konnte dann vom jeweiligen Arzt, hier dem Angeklagten B., ohne weiteres ausgewählt werden. Die Software bot zudem die Möglichkeit so genannter aut idem-Verordnungen, mit denen das Substitutionsrecht des Apothekers ausgeschlossen wird. Die Kammer ist allerdings davon ausgegangen, dass der Angeklagte B. von dieser Möglichkeit im Tatzeitraum keinen Gebrauch gemacht hat.

Daneben hatte DOCexpert noch einen weiteren Vorzug, der speziell die hiesige Tatbegehung betraf. Mit der Software konnte nämlich unschwer ermittelt werden, wie hoch der Umsatz gerade mit X-Medikamenten war, den der Angeklagte B. durch seine Verordnungen erzeugte. Entsprechend lasen die jeweiligen Außendienstmitarbeiter – auch die Angeklagte R. – die Daten quartalsweise aus und ließen die Daten auf Kosten von X auswerten. Das von X gelieferte Programm DOCexpert war hiernach von vornherein darauf angelegt, die umsatzabhängige Bestechung von Vertragsärzten zu ermöglichen. Nicht nur hier zeigte sich, dass für X Bestechung Programm war.

Inwiefern die Mitwettbewerber von X ebenfalls mit unlauteren Mitteln um die Verschreibungen durch Vertragsärzte buhlten, hat die Kammer nicht im Einzelnen feststellen können. Die Gewährung von Sachleistungen an Ärzte – etwa vordergründig als Seminare titulierte Urlaubsreisen bei entsprechend umfangreichen Verschreibungen – war damals jedenfalls an der Tagesordnung. Die Strafverfolgungsbehörden, denen die grundsätzliche Praxis bekannt war, sahen gleichwohl jahrelang keinen Anlass, hiergegen einzuschreiten.

Allen Beteiligten war bewusst, dass es bei Verordnungen für gesetzlich Versicherte hinsichtlich des für den Angeklagten B. vorgesehenen Profites zu folgendem – vereinfacht dargestelltem – Geldfluss kommen würde: Die Solidargemeinschaft der Versicherten entrichtet ihre Beiträge an die jeweilige Krankenkasse. Die Krankenkasse zahlt aufgrund der ärztlichen Verordnung das Entgelt für das jeweilige Medikament an die Apotheke. Die Apotheke bezahlt den Kaufpreis an X. X leitet einen Teil seines Gewinnes wiederum an den Angeklagten B. weiter. Am Ende sollte also der Angeklagte B., der als Vertragsarzt dem gesetzlichen Leitbild nach nur von den Kassenärztlichen Vereinigungen vorgegebene Leistungen erhalten sollte, hiernach zusätzliche Zuwendungen erhalten, die letztlich aus den Beiträgen der Versichertengemeinschaft stammen.

Mit ihrem Eintritt bei X zum 1.1.2000 übernahm die Angeklagte R. die bestehende Vereinbarung mit dem Angeklagten B. über das VOM und führte sie weiter durch. In Umsetzung der Vereinbarung verordnete der Angeklagte B. vorrangig Medikamente von X. Betrug der durchschnittliche Quartalsumsatz des Angeklagten B. mit X-Medikamenten im Jahr 2000 noch etwa 32.400 € (etwa 15,5 % des Gesamtverschreibungsvolumens) stieg dieser bis zum Jahr 2004 auf etwa 63.000 € (etwa 31 % des Gesamtverschreibungsvolumens) an. In den ersten drei Quartalen 2005 erreichte der durchschnittliche Quartalsumsatz fast 53.700 € (etwa 30,9 % des Gesamtverschreibungsvolumens). Der Anteil von X-Medikamenten am Gesamtverschreibungsvolumen des Angeklagten B. betrug ein Vielfaches der Anteile der Wettbewerber von X.

Beiden Angeklagten war bekannt, dass Vereinbarungen dieses Inhalts unrechtmäßig waren. Finanzielle Zuwendungen an Vertragsärzte, die dem Zweck dienen, ihre Verschreibungspraxis zu beeinflussen, waren (und sind) durch mehrere Gesetze untersagt.

Nach § 34 Abs. 1 der zur Tatzeit geltenden Berufsordnung für Hamburger Ärzte (basierend auf den §§ 4, 5 des Hamburgischen Ärztegesetzes) war es dem Angeklagten B. als Vertragsarzt ausdrücklich nicht gestattet, für die Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln von dem Hersteller oder Händler eine Vergütung oder sonstige wirtschaftliche Vergünstigungen zu fordern oder anzunehmen.

Für die Angeklagte R. ergab sich ein entsprechendes Verbot aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Das Anerbieten von umsatzabhängigen Vergünstigungen war eine gem. § 4 Nr. 1 UWG untersagte geschäftliche Handlung, die geeignet war, die Entscheidungsfreiheit von Marktteilnehmern durch unsachlichen Einfluss zu mindern (vgl. LG München, MedR 2008, 563).

Zudem war es nach § 7 des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (HWG) bereits zur Tatzeit unzulässig, zum Zwecke der „Bewerbung” von Medikamenten Zuwendungen anzubieten oder diese anzunehmen. In § 15 HWG wurden Zuwiderhandlungen als Ordnungswidrigkeit geahndet unter Androhung einer Geldbuße von bis zu 50.000 €. Eine Ausnahme von dem Verbot wurde in § 7 Abs. 2 HWG lediglich in Bezug auf Zuwendungen im Rahmen berufsbezogener wissenschaftlicher Veranstaltungen gemacht.

Schlussendlich ergab und ergibt sich auch aus den gesetzlichen Regelungen zum Vertragsarztrecht im SGB V, dass der Vertragsarzt für seine vertragsärztlichen Leistungen ausschließlich von den Kassenärztlichen Vereinigungen honoriert werden soll.

Den Angeklagten waren diese Gesetze aufgrund ihrer jahrelangen Berufserfahrung und Branchenkenntnis zumindest dem wesentlichen Inhalt nach bzw. dem Kerngedanken nach bekannt. Umsatzabhängige Zuwendungen an Vertragsärzte waren zwar nicht unüblich. Gleichwohl bestand allgemein Konsens hinsichtlich der Unzulässigkeit der geübten, häufig diskutierten Praxis. Da die Angeklagten wussten, dass X es darauf angelegt hatte, sich in unlauterer Weise einen Vorteil gegenüber Mitbewerbern zu verschaffen, hielten sie es dabei auch für möglich, dass die Zuwendungen gegen Wettbewerbsrecht verstießen. Dies wurde von beiden Angeklagten um ihres Profites willen gebilligt.

Ihnen war ferner bewusst, dass der Angeklagte B. als Vertragsarzt gesetzlich dazu verpflichtet war, durch die Verordnung von Medikamenten an der Erfüllung der den Krankenkassen gegenüber den Versicherten obliegenden Sachleistungsverbindlichkeiten mitzuwirken. Beide verstanden die Bedeutung dieser Vorgabe zutreffend dahingehend, dass der Angeklagte B. unabhängig von seiner freiberuflichen Tätigkeit für die Krankenkassen tätig wurde, indem er in ihrem Rechts- und Interessenkreis und auf ihre Kosten handelte.

Die Angeklagten wussten allerdings nicht, dass sie sich durch die Zuwendungen strafbar machten. Hierfür hatten sie noch nicht einmal Anhaltspunkte. Denn obwohl Zuwendungen an Vertragsärzte seit vielen Jahren im Gesundheitswesen üblich waren, war zur Tatzeit noch niemand auf den Gedanken gekommen, dass dies nach § 299 StGB strafbar sein könnte. Das gilt insbesondere für die Ermittlungsbehörden, die solcherlei Verhalten unter dem Blickwinkel des § 299 StGB über Jahre tolerierten.

Um die erkannte Unrechtmäßigkeit ihres Tuns zu kaschieren, vereinbarten die Angeklagten, dass die Zahlungen an den Angeklagten B. offiziell als Honorar für tatsächlich nicht gehaltene Vorträge deklariert werden sollten. Zu diesem Zweck wurden Dokumente hergestellt („Fortbildungsanträge”), in denen angebliche Teilnehmer genannt wurden. Diese Personen hatten tatsächlich nicht an Fortbildungen teilgenommen. Zum Teil handelte es sich um Personen, deren Namen man dem Telefonbuch entnommen hatte.

Alle Außendienstmitarbeiter und mithin auch die Angeklagte R. hatten einen finanziellen Vorteil davon, wenn der Umsatz von X höher war als im Vorjahr. Kein Außendienstmitarbeiter hatte jedoch einen unmittelbaren individuellen Vorteil dadurch, dass er umsatzabhängige Zahlungen oder umsatzabhängige Leistungen an einen Vertragsarzt erbrachte. Maßgeblich für die Berechnungen der Gesamthöhe von Prämien oder Boni war stets der Gesamtumsatz des Unternehmens, wobei sich der normale Außendienstmitarbeiter hinsichtlich seines Prämienanteils allerdings an dem Ergebnis seines Gebiets im Vergleich zu den übrigen Regionen messen lassen musste. Der Einfluss der angeklagten Zahlungen auf den Gesamtumsatz von X war nicht erheblich und hatte damit einen kaum messbaren Einfluss auf die Gesamthöhe der ausgezahlten Prämien und Boni. Das galt auch für die an die Angeklagte R. gezahlte Erfolgsprämie von durchschnittlich 200 € im Monat.

2. Tatgeschehen (Fälle 1–7 der Anklage)

Auch im angeklagten Tatzeitraum von Januar 2004 bis August 2005 verordnete der Angeklagte B. zur Umsetzung seiner Vereinbarung mit X seinen Patienten Medikamente des Unternehmens.

Hierbei machte er – entsprechend der Vereinbarung – keinen Unterschied zwischen Verordnungen für privat und gesetzlich versicherte Patienten. Der Anteil der privat versicherten Patienten lag im Tatzeitraum durchgehend bei etwa 15 %. Die Kammer ist zu Gunsten der Angeklagten B. und R. von einem Anteil von Privatpatienten und Selbstzahlern in Höhe von 20 % am Verordnungsvolumen X ausgegangen. Beiden Angeklagten war bewusst, dass der Anteil an privaten Verordnungen nicht höher lag.

Über das System DOCexpert wurde quartalsweise errechnet, wie viel Umsatz der Angeklagte B. mit seinen Verordnungen für X insgesamt erzeugte. Entsprechend erhielt er von der Angeklagten R. insgesamt sieben Schecks, die auf ihre Veranlassung von X als Honorar für fiktive wissenschaftliche Vorträge ausgestellt worden waren. Insgesamt erhielt der Angeklagte B. einen Betrag in Höhe von 10.146,60 €. Im Einzelnen kam es zu folgenden Scheckzahlungen:

Fall Anklage Datum Scheck Betrag in EUR Anteiliger Betrag GKV in EUR Bezeichnung der angeblich honorierten Veranstaltung:
1 12.02.2004 1.635,27 1.308,21 Veranstaltungen Ernährungsberatung bei Diabetis, erhöhtem Cholesterinwert; Leben mit Insulinspritzen beim Diabetis
2 29.04.2004 1.269,47 1.015,57 Veranstaltungen Umstellung auf Insulin B. Braun X; Umstellung auf Generikapräparate
3 26.08.2004 1.734,52 1.387,61 Veranstaltung Umstellung auf Insulin B. Braun X
4 16.12.2004 1.757,48 1.405,98 Veranstaltungen Umstellung auf Insulin B. B. X, Pen Schulung, Ernährungseinstellungen bei erhöhtem Cholesterinwert
5 11.02.2005 1.539,37 1.231,49 Veranstaltung Statine Substanzgruppen Atorvastatin/Simvastatin Pravastatin → Umstellung auf X Präparate
6 19.05.2005 1.319,37 1.055,49 Veranstaltung Statine: Vorteile, Umstellung von Atorvastatin auf Pravastatin X/Simvastatin X, Ernährungsberatung
7 18.08.2005 1.386,12 1.108,89 Veranstaltung DDD konform X Präparate, Statine, Vorteile von X Verordnungen

Tatsächlich hatten die in den Schecks genannten Veranstaltungen nicht stattgefunden. Die Bezeichnungen waren frei erfunden und dienten einzig und alleine dazu, um die als rechtswidrig erkannten Zuwendungen an den Angeklagten B. abzudecken.

Die Zahlungen an den Angeklagten B. bezweckten nicht nur den Ausgleich für die im jeweils vergangenen Quartal erzielten Verschreibungsumsätze. Zwischen den Angeklagten bestand bei jeder einzelnen Scheckübergabe Einigkeit, dass die Zuwendungen auch dazu dienten, den Angeklagten B. durch die In-Aussicht-Stellung künftiger weiterer Zuwendungen auch für die Zukunft zu motivieren, weiterhin möglichst viele X-Medikamente zu verschreiben. Die Angeklagten waren sich hiernach jeweils einig, dass die Abrede, nach der der Angeklagte B. nach Möglichkeit X-Produkte bevorzugen solle und dafür umsatzabhängige Zuwendungen erhalte, für die Zukunft bekräftigt wurde.

Im Januar 2005 trat der Angeklagte B. an die Angeklagte R. heran und verlangte eine höhere Umsatzbeteiligung für die Verschreibung von X-Medikamenten. Hintergrund war, dass ihm die Firma X1 eine Umsatzbeteiligung in Höhe von 10 % geboten hatte. Zu einer Änderung der Vereinbarung kam es allerdings nicht, da die Firma X1 – eine Tochterfirma von X – ihr Angebot in Abstimmung mit X zurückzog.

3. Tatgeschehen (Fälle 8–16 der Anklage)

Nach demselben Prinzip wie oben 2. dargestellt sorgte die Angeklagte R. für weitere Zuwendungen an andere Ärzte, mit denen sie auch entsprechende Abreden getroffen hatte. So kam es zu sieben Scheckzahlungen in Höhe von insgesamt 6.878,89 € an den gesondert verfolgten Vertragsarzt D. (Fälle 8–14 der Anklage) sowie zu zwei Scheckzahlungen über je 500 € an die in Gemeinschaft praktizierenden gesondert verfolgten Vertragsärztinnen L. und S. (Fälle 15 und 16 der Anklage). Die Kammer ist zu Gunsten der Angeklagten R. insoweit wiederum von einem Anteil von Privatpatienten und Selbstzahlern in Höhe von 20 % am Verordnungsvolumen X ausgegangen. Im Einzelnen stellen sich die Zahlungen wie folgt dar:

Fall der Anklage Datum Scheck Betrag in EUR Anteiliger GKV in EUR Bezeichnung der angeblich honorierten Veranstaltung:
8 12.02.2004 935,45 748,36 Veranstaltung Ernährungsberatung, Umstellung auf Insulin B. Braun X, Penschulung
9 27.05.2004 879,33 703,46 Veranstaltung Umstellung auf Insulin B. Braun X, Penschulung
10 26.08.2004 877,91 702,32 k. A.
11 28.10.2004 875,88 700,70 Veranstaltung Ernährungsberatung bei Cholesterinerhöhung
12 11.02.2005 1.092,42 873,93 Veranstaltung Statine, Substanzgruppen Atorvastatin/Simvastatin Pravastatin → Umstellung auf X Präparate
13 04.05.2005 1.095,03 876,02 Veranstaltung Statine, Ernährungstipps, Vorteile von X Präparaten
14 01.09.2005 1.122,87 898,29 Veranstaltung Fettstoffwechselerkrankungen
15 08.04.2004 500,00 400,00 Veranstaltungen Insulin B. Braun X Penschulung, Herzkreislaufmedikamente Umstellung auf X, Gesundheitsreform
16 17.03.2005 500,00 400,00 Veranstaltung Umstellung auf Generikapräparate X, Penschulung, Insulin B. Braun X Umstellung des Patienten

IV. Die Angeklagten haben den festgestellten Sachverhalt weitgehend eingestanden. Abweichend haben sie lediglich vorgetragen, eine vorrangige Verschreibung von X-Medikamenten sei nicht Gegenstand ihrer Vereinbarungen gewesen. Zudem haben sie bestritten, von der rechtlichen Unzulässigkeit der Zuwendungen Kenntnis gehabt zu haben.

Die Kammer hält die Einlassungen, soweit sie vom festgestellten Sachverhalt abweichen, für widerlegt.

1. Zwar mag es so gewesen sein, dass die Angeklagten ausdrücklich nicht darüber gesprochen haben, dass der Angeklagte B. X vorrangig bei Verschreibungen berücksichtigen sollte. Eine solche ausdrückliche Abrede war den Umständen nach aber auch nicht erforderlich. Beiden war in Kenntnis der Interessenlage der Beteiligten klar, dass X eben genau dieses Ziel verfolgte, sonst hätten die Zuwendungen für das Unternehmen keinen wirtschaftlichen Sinn ergeben. Die vorrangige Berücksichtigung war hiernach zumindest „augenzwinkernd” Geschäftsgrundlage der Vereinbarung.

Dafür spricht nicht nur der einvernehmliche Einsatz des Programms DOCexpert, das dafür sorgte, dass X-Medikamente bei Verschreibungen unter den geeigneten Medikamenten besonders herausgestellt wurden.

Tatsächlich zeigt der über die Jahre zu beobachtende Verlauf, dass die Produkte von X seit der ersten Abrede mit deutlich zunehmender Tendenz vom Angeklagten verordnet wurden. Auch der Umstand, dass der Angeklagte B. gegenüber der Angeklagten R. späterhin unter Hinweis auf bessere Angebote der Konkurrenz eine höhere Umsatzbeteiligung verlangte, zeigt, dass der Angeklagte die Zuwendungen nicht als einseitige Leistung des Pharmakonzerns verstand, sondern eine Beziehung zwischen seiner Verschreibungspraxis und den umsatzabhängigen Vergütungen herstellte. In der Forderung einer höheren Vergütung unter Hinweis auf alternative Angebote der Konkurrenz lag die versteckte Drohung, anstelle der – tatsächlich erfolgten – Bevorzugung des Unternehmens X bei Verschreibungen zukünftig mit der Konkurrenz zusammenzuarbeiten und infolge dessen diese vorrangig zu berücksichtigen.

2. Ferner ist die Kammer davon ausgegangen, dass den Angeklagten die Möglichkeit bewusst war, gegen Gesetze zu verstoßen, die unmittelbar oder mittelbar auch gerade den Wettbewerb mit schützen.

a) Die Kenntnis der Unrechtmäßigkeit des tatbestandsmäßigen Verhaltens folgt schon daraus, dass die Vorschriften, die die Zuwendungen verboten haben, auch zur Tatzeit schon lange Bestand hatten und die Zuwendungen durchaus an zentraler, prominenter Stelle untersagten. Die Kammer geht davon aus, dass den Angeklagten der Inhalt dieser – auch öffentlich diskutierten – Normen nicht verborgen geblieben ist.

Dafür spricht das konspirative Verhalten der Angeklagten. Der tatsächliche Grund der inkriminierten Zuwendungen wurde nach außen systematisch verschleiert, indem man Vorträge erfand. Zur Überzeugung der Kammer wollte man damit auch die Rechtswidrigkeit des Zusammenwirkens abdecken.

Die Einlassung der Angeklagten R., aus ihrer Sicht seien die Abdeckungsmaßnahmen erfolgt, weil der Ehrenkodex der Ärzte die Zuwendungen untersagte und die Ärztekammern sich dagegen ausgesprochen hätten, entlastet sie nicht. Gleiches gilt für die Behauptung des Angeklagten B., er habe sich die Abrechnungspraxis mit „unternehmensinternen Gründen” bei der Firma X erklärt. Auch unter Zugrundelegung der Einlassung der Angeklagten ist davon auszugehen, dass sie die Unrechtmäßigkeit ihres Tuns zumindest als von ihnen gebilligte Möglichkeit erfasst hatten. Beide Angeklagten haben – insoweit glaubhaft – eingeräumt, Tatsachen gekannt zu haben, in denen sich deutliche Anhaltspunkte für die Unrechtmäßigkeit fanden. Beide kannten die Haltung der Ärztekammern im Hinblick auf Verordnungsvergütungen und wussten um die systematische Herstellung und Verwendung inhaltlich unzutreffender Dokumente. Trotz dieser Anzeichen, die das gesamte Zusammenwirken als unseriös erscheinen ließen, hat keiner der Angeklagten sich bemüht, die rechtliche Zulässigkeit zu überprüfen oder überprüfen zu lassen. Angesichts des persönlichen Eindrucks, den die Kammer von den Angeklagten gewonnen hat, ist davon auszugehen, dass die Angeklagten die sich eigentlich aufdrängende Überprüfung nicht deswegen unterließen, weil sie die Anzeichen unrechtmäßigen Handelns nicht intellektuell erfasst hätten, sondern weil sie vielmehr auch für den Fall der Unrechtmäßigkeit ohnehin entschlossen waren, die vereinbarte Zuwendungspraxis fortzusetzen.

b) Das zumindest vorhandene Mitbewusstsein um die Möglichkeit eines wettbewerbsrechtswidrigen Verhaltens findet seine Grundlage in der Kenntnis der Unrechtmäßigkeit der Zuwendung und der zusätzlich bei den Angeklagten fraglos vorhandenen Kenntnis, dass X im Wettbewerb zu anderen Pharmakonzernen stand und durch vorzugsweise Verschreibungen im Wettbewerb begünstigt wurde. Die Schlussfolgerung aus dem Umstand, dass man durch rechtswidriges Verhalten den Wettbewerb beeinträchtigt, darauf, dass ein solches Verhalten auch gegen Wettbewerbsrecht verstoßen kann, erscheint nur als ein kleiner Schritt. Die Kammer ist aufgrund des persönlichen Eindrucks von den Angeklagten davon überzeugt, dass die Angeklagten die Schlussfolgerung ebenfalls als zumindest möglich angesehen und gebilligt haben.

3. Die Feststellungen der Kammer zur Kenntnis der Angeklagten von der Bedeutung der dem Angeklagten B. als Vertragsarzt zukommenden Stellung ergeben sich im Wesentlichen daraus, dass beide Angeklagten schon lange in der Branche tätig waren. Daraus ist zu schließen, dass sie sich der prinzipiell angelegten Sachleistungspflicht der Krankenkassen und der bei der Erfüllung dem Vertragsarzt zukommenden Schlüsselstellung bewusst waren. Beim Angeklagten B. kommt hinzu, dass die rechtlichen Grundlagen bereits Teil seiner Facharztausbildung Allgemeinmedizin waren. Hiernach hatten die Angeklagten die Einbindung der Vertragsärzte in die medizinische Versorgung durch die Krankenkassen der Sache nach erfasst.

V.1. Die Angeklagten haben sich hiernach, soweit sich die Verabredungen und Zuwendungen auf die Verordnung von Medikamenten für gesetzlich versicherte Patienten bezogen, jeweils der Bestechlichkeit bzw. Bestechung im wirtschaftlichen Verkehr im Sinne von § 299 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB schuldig gemacht.

Die Voraussetzungen des § 299 StGB liegen insoweit im Ergebnis vor. Soweit der Angeklagte B. die Verordnungen als Vertragsarzt ausstellen sollte, hat er als Beauftragter der insoweit als geschäftliche Betriebe tätigen Krankenkassen gehandelt. Mit der Überreichung des jeweiligen Schecks ging dabei die Unrechtsvereinbarung einher, dass der Angeklagte B. die Firma X auch zukünftig bei der Verordnung von verschreibungspflichtigen Medikamenten für gesetzlich Versicherte gegenüber ihren Konkurrenzunternehmen bevorzugt berücksichtigen und dafür auch weiterhin eine Umsatzbeteiligung erhalten würde.

Diese Bestechung wurde durch die Angeklagte R. durchgeführt.

Bei der rechtlichen Würdigung hat die Kammer insbesondere die zwischen den Beteiligten des vorliegenden Sachverhalts bestehenden Leistungsbeziehungen im Dreieck in den Blick genommen. Indem die Apotheken die verordneten Arzneimittel den gesetzlich Versicherten aushändigten, leisteten sie die Arzneimittel auf vertraglicher Grundlage an die gesetzlichen Krankenkassen, die deswegen jeweils Bezieherin von Ware waren. Gleichzeitig leisteten die Krankenkassen an die Versicherten, indem sie mithilfe der Apotheken ihre Sachleistungsverbindlichkeit gegenüber dem gesetzlich versicherten Patienten erfüllten. Bei dieser Erfüllung bedienten die Krankenkassen sich auch der Mithilfe des Angeklagten B. in seiner Eigenschaft als Vertragsarzt, der zu der Hilfeleistung gesetzlich beauftragt war. Sein in diesem Zusammenhang gegenüber der Angeklagten R. abgegebenes Versprechen, Produkte des Unternehmens X vorrangig zu verordnen, war auf eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb der Pharmaunternehmen gerichtet.

Die Einordnung des Angeklagten B. als Beauftragten der Krankenkassen scheitert nicht an der Selbstständigkeit des Vertragsarztes im Verhältnis zu den Krankenkassen. Der Beauftragte im Sinne des § 299 StGB muss nicht organisatorisch oder persönlich an seinen Geschäftsherrn angebunden sein. Dies ist lediglich Voraussetzung für die Bestellung zum Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2c) StGB, weswegen vorliegend eine Ahndung der Taten nach den §§ 331 ff. StGB ausschied.

Im Einzelnen:

a) Das festgestellte Verhalten erfüllt den objektiven Tatbestand des § 299 StGB.

aa) Der Angeklagte B. war in seiner Eigenschaft als Vertragsarzt Beauftragter im Sinne des § 299 StGB.

Beauftragter ist, wer, ohne Geschäftsführer oder Angestellter zu sein, aufgrund seiner Stellung berechtigt und verpflichtet ist, für einen Betrieb zu handeln und demzufolge auf die betrieblichen Entscheidungen Einfluss zu nehmen (vgl. Heine in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 299 Rz. 8 m.w.N.).

aaa) Der Begriff des Beauftragten ist weit auszulegen. Er erfasst auch den gesetzlichen Auftrag und setzt keine „personale” Beziehung zwischen Geschäftsherrn und Beauftragtem voraus.

(1) Der Wortlaut des § 299 StGB gestattet eine entsprechend weite Auslegung. Eine Einschränkung durch Hineinlesen eines „personalen Elements der Befugniserteilung” ist nicht angezeigt.

(a) Aus dem Begriff des Auftrags für sich genommen lässt sich keine Einschränkung auf rechtsgeschäftliche Beauftragungen herleiten (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 299 Rz. 10; Heine, a.a.O., § 299 Rz. 8; Schmidt, NStZ 2010, 393, 394; a.A. Geis, wistra 2005, 369, 370; ders. wistra 2007, 362; Schmidl, wistra 2006, 286, 288; Klötzer, NStZ 2008, 12, 13; Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418, 419). Das Wort Auftrag ist in Bezug auf den Grund der Beauftragung indifferent.

Das gilt auch im Kontext des StGB, was daran erkennbar wird, dass der Sprachgebrauch des StGB etwa in § 266 StGB den gesetzlichen Auftrag kennt.

Daraus, dass § 299 StGB, anders als § 266 StGB, zu den möglichen Gründen des Auftrags keine Angaben macht, kann nicht hergeleitet werden, dass der gesetzliche Auftrag nicht unter den Tatbestand fiele (vgl. Schmidt, NStZ 2010, 393, 394; a.A. Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418, 420). Bei reiner Wortlautbetrachtung ist das Gegenteil der Fall. Wenn eine Norm – § 266 StGB – nur Aufträge aus bestimmten Gründen genügen lässt, die andere Norm dagegen auf eine solche Eingrenzung verzichtet, dann ist der letztere Tatbestand offen und erfasst vom Wortlaut her alle Gründe der Beauftragung.

Genau das entspricht auch dem Zweck der Wortwahl des Gesetzgebers. Mit der Erfassung des „Beauftragten” soll ein weit auszulegender Auffangtatbestand zur Verfügung stehen (vgl. Fischer, a.a.O., § 299 Rz. 10; Heine, a.a.O., § 299 Rz. 8; Momsen, BeckOK, § 299 StGB Rz. 11; Dannecker, GesR 2010, 281, 282; Schmidt, NStZ 2010, 393, 394).

Folgerichtig hat die Rechtsprechung das Merkmal des Beauftragten von je her weit ausgelegt. Bereits in BGHSt 2, 397, 401 wird festgestellt, dass der Beauftragtenbegriff weit zu fassen sei. Er ergreife jeden, der vermöge seiner Stellung im Betrieb berechtigt und verpflichtet sei, für den Betrieb geschäftlich zu handeln, und Einfluss auf die im Rahmen des Betriebes zu treffenden Entscheidungen besitze. Der BGH (a.a.O.) hat diese Voraussetzung auch für den Fall bejaht, dass das Beschäftigungsverhältnis nicht vertraglicher Art war.

(b) Aus dem Begriff des Auftrags lässt sich auch nicht das Erfordernis eines „personalen Elements der Befugniserteilung” herleiten.

Eine gegensätzliche Meinung wird von einem erheblichen Teil der Literatur vertreten (vgl. nur Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418, 419 f.; Geis, wistra 2005, 369, 370; ders., wistra 2007, 361, 362; Klötzer, NStZ 2008, 12 ff., Sahan, ZIS 2007, 69, 71 f. jew. m.w.N.). Hiernach setze die Beauftragung voraus, dass die Berufung, für den Betrieb tätig zu sein, von einer anderen Person im Betrieb des Geschäftsherrn abgeleitet werde (so Geis, wistra 2005, 369, 370). Nur wenn eine so verstandene personale Befugniserteilung vorliege, so die Literaturansicht, liege ein Auftrag i.S.d. § 299 StGB vor. Zur Begründung stützt man sich vornehmlich auf den Wortlaut, ohne dabei jedoch den Inhalt des Wortes Auftrag genauer zu analysieren.

Hiermit vermag die genannte Ansicht indes nicht zu überzeugen. Der Begriff des Auftrags beinhaltet keine personale Einschränkung. Im Sprachgebrauch gibt es – wie eben schon dargelegt – den gesetzlich Beauftragten oder auch den von dritter Seite Beauftragten. Deswegen wurde auch in der Vergangenheit zu Recht ganz überwiegend die These vertreten, dass etwa vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter oder Testamentsvollstrecker als Beauftragte im Sinne der Norm anzusehen sind (vgl. Heine, a.a.O., § 299 StGB, Rz. 8 m.w.N.; Dannecker, GesR 2010, 281, 284).

Entgegen teilweise vertretener Ansicht (vgl. Geis, wistra 2005, 369, 370) lässt sich auch der bisherigen Rechtsprechung zu § 299 StGB und seiner Vorläufervorschrift § 12 UWG kein personales Erfordernis entnehmen. In den Entscheidungen des RG und des BGH ist mit keinem Wort von einer solchen Voraussetzung die Rede. Dass es sich im Regelfall um zugrundeliegende Sachverhalte handelte, bei denen das personale Element vorgelegen haben mag, kann nicht dazu führen, dieses als stillschweigende Voraussetzung in die Entscheidungen hineinzulesen. Das gilt auch für die Entscheidung RGSt 68, 119. Soweit hier von der sich von einem anderen ableitenden Berufung gesprochen wird, für den Betrieb tätig zu sein, werden damit nicht die notwendigen, sondern lediglich die hinreichenden Bedingungen einer Normanwendung beschrieben. Daneben bestätigt die Entscheidung, dass sich die Beauftragteneigenschaft aus dem Gesetz ergeben kann und spricht sich auch darüber hinaus gegen eine einengende Interpretation des Beauftragtenbegriffs aus.

(2) Eine weite Auslegung des Beauftragtenbegriffs, die diesen nicht auf rechtsgeschäftliche oder rechtsgeschäftsähnliche Aufträge beschränkt, gebietet auch der Sinn des § 299 StGB.

Die Vorschrift dient dem Schutz des freien Wettbewerbs (vgl. nur Heine, a.a.O., § 299 Rz. 2 m.w.N.). Für die Frage, ob der Wettbewerb durch Korruption gefährdet ist, kommt es nicht auf die Art und Weise der Begründung des Auftragsverhältnisses an, sondern auf dessen Inhalt. § 299 StGB behandelt eine besonders korruptionsanfällige Konstellation, nämlich das Dreiecksverhältnis von Anbieter, Bezieher und Entscheider (vgl. Fischer, a.a.O., § 299 Rz. 10e; Pragal/Apfel, A&R 2007, 10, 11). Das, was die besondere, strukturelle Gefahr ausmacht und gleichzeitig auch zur Strafwürdigkeit führt, ist die Stellung des für den geschäftlichen Betrieb Handelnden, genau genommen seine Machtbefugnis. Er handelt auf Kosten des Betriebes, hat dabei Einfluss auf dessen Entscheidung über den Bezug von Leistungen und unterliegt deswegen der Gefahr, seine Position infolge Bestechung zu missbrauchen.

Die hieraus für das Schutzgut – den „lauteren” Wettbewerb – erwachsende Gefahr ist unabhängig von dem Grund der Beauftragung. Fälle, in denen keine rechtsgeschäftliehe Beauftragung vorliegt oder in denen ein „personales” Element der Beauftragung fehlt, werden häufig sogar mehr noch als andere Fälle von dem Normzweck des § 299 StGB erfasst. Wo das „Personale” fehlt, wird häufig auch die entsprechende Aufsicht fehlen. Dadurch erhöht sich die Gefahr korruptiver Wettbewerbsbeeinflussung. Das wird nicht zuletzt an der Stellung des hier interessierenden Vertragsarztes deutlich. Dieser unterliegt bei Weitem geringeren Vorgaben und Überprüfungen durch die Krankenkassen als Angestellte. Gleichzeitig trifft er für sie als „Schlüsselfigur” (vgl. BSGE 73, 271 – zitiert nach juris – Rz. 47) in der Umsetzung des Sachleistungsprinzips wichtige Entscheidungen, inhaltlich vergleichbar mit Entscheidungen eines höheren Angestellten (vgl. LG München, MedR 2008, 563). Diese Konstellation, die im System der gesetzlichen Krankenversicherung verankert ist, erscheint in besonderer Weise korruptionsanfällig. Soll der Wettbewerb auf dem Pharmamarkt effektiv geschützt werden, ist eine Erfassung durch § 299 StGB zwingend geboten.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Normzweck des § 299 StGB die Erfassung auch gesetzlicher Beauftragung erfasst. Vor dem Hintergrund des Normzwecks darf angenommen werden, dass der Gesetzgeber die Beauftragung bewusst nicht auf bestimmte Entstehungsgründe beschränkt hat.

bbb) Der Angeklagte B. war in seiner Eigenschaft als Vertragsarzt hinsichtlich der Verschreibung von Arzneimitteln gesetzlich Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen. Er war auf Grund seiner gesetzlichen Stellung berechtigt und verpflichtet, für die Krankenkassen zu handeln und dabei auf deren betriebliche Entscheidungen maßgeblichen Einfluss zu nehmen.

In der Fragestellung, ob der Vertragsarzt bei der Verschreibung von Medikamenten ausschließlich in seinem eigenen Aufgabenbereich tätig wird oder ob er zumindest daneben auch im Auftrag der jeweiligen Krankenkasse zur Erledigung deren Aufgaben berufen ist, liegt das Kernproblem der im hiesigen Fall vorzunehmenden Rechtsanwendung. Die Auslegung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt, dass der Vertragsarzt bei der Verordnung von Medikamenten zumindest auch für die Krankenkasse handelt und dabei für diese Entscheidungen trifft. Die Verordnung kann jedenfalls nicht nur als seine Entscheidung angesehen werden. Sie ist gleichzeitig zumindest auch eine Entscheidung für die Krankenkasse (vgl. OLG Braunschweig, wistra 2010, 234; Pragal/Apfel, A&R 2007, 10, 12).

(1) Die Aufgabenzuweisung innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung wird durch das SGB V geregelt. Hiernach beinhaltet die Verordnung von Medikamenten zumindest auch eine betriebliche Entscheidung der Krankenkasse.

Ohne die Verordnung kann die Krankenkasse ihre Sachleistungsverbindlichkeit gegenüber dem Versicherten nicht erfüllen (vgl. BSGE 73, 271 – zitiert nach juris – Rz. 32). Dieser Verbindlichkeit liegt das die Rechtsbeziehung zwischen Versichertem und Krankenkasse nach dem SGB V maßgeblich prägende Sachleistungsprinzip zugrunde. Hiernach erhalten die Versicherten die ihnen zustehenden Leistungen von der Krankenkasse, § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 SGB V, und zwar als Sach- und Dienstleistungen. Die Krankenkasse schuldet den Versicherten dementsprechend u.a. die Verschaffung von Medikamenten. Erst durch die ärztliche Verordnung, die das Rahmenrecht des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V ausfüllt, wird der Sachleistungsanspruch des Versicherten auf ein bestimmtes Medikament oder eine bestimmte Medikamentenart konkretisiert und erst dadurch erhält der Versicherte die Möglichkeit, die ihm nach dem Sachleistungsprinzip von der Krankenkasse geschuldeten notwendigen Arzneimittel zu erlangen. Die Verordnung ist hiernach (notwendiger) Teil der den Sachleistungsanspruch betreffenden Erfüllungshandlung. Die Erfüllung wiederum betrifft eine Verbindlichkeit der Krankenkasse. Der Vertragsarzt wird insoweit quasi als Erfüllungsgehilfe der Krankenkasse tätig. Dem steht nicht entgegen, dass das Leitbild des eigenständig tätigen Arztes umgangssprachlich nicht als Erfüllungsgehilfe der Krankenkassen beschrieben werden kann. Der Arzt ist im Gesamtbild in der Tat kein Gehilfe. Das schließt es aber nicht aus, ihn bei der Wahrnehmung einzelner Aufgaben juristisch insoweit als beauftragten Erfüllungsgehilfen zu begreifen. Der Sache nach wird eben dies durch das Bundessozialgericht (BSGE 73, 271 – zitiert nach juris – Rz. 45) bestätigt, wenn es formuliert: „Durch die Tätigkeit des Kassenarztes wird das dem Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse zustehende (Rahmen-)Recht auf ärztliche Behandlung (§ 27 SGB V) erfüllt. Der Krankenversicherungsträger muss sich die … kassenärztliche Tätigkeit im Blick auf die … Erfüllung des Krankenbehandlungsanspruchs des Versicherten kraft Gesetzes als eigene zurechnen lassen, weil der Kassenarzt sein gesetzlicher Leistungserbringer ist”. In ähnlicher Weise erklärt das BVerfG (BVerfG, NJW 2001, 1779, zitiert nach juris – Rz. 6), die Krankenkassen „bedienten” sich „zur Sicherstellung der ihnen zugewiesenen Aufgaben der … Vertragsärzte”. Mit dieser Würdigung der Stellung des Vertragsarztes ist keinesfalls eine Herabsetzung verbunden (anders aber augenscheinlich das Empfinden der deutschen Ärzteschaft, die sich gegen die Zuschreibung eines Gehilfenstatus” verwahrt, vgl. Beschlussprotokoll des 113. Deutschen Ärztetages vom 11.–14.5.2010 in Dresden, S. 91). Erfüllungsgehilfe ist jeder, der bei der Erfüllung einer Verbindlichkeit eines anderen mitwirkt (vgl. § 278 BGB). Juristisch gibt es so gesehen kaum einen Berufsstand, der nicht auch als Erfüllungsgehilfe fungierte. Hinsichtlich des Vertragsarztes jedenfalls macht das Gesetz deutlich, dass er von der Krankenkasse zur Erfüllung deren Verbindlichkeit eingesetzt wird. Die Krankenkasse trifft nach § 2 Abs. 2 SGB V die Sachleistungspflicht. Zum Zwecke der Erfüllung schließt sie nach § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB V Verträge mit den. Leistunqserbrinqern”, zu denen auch die Vertragsärzte rechnen, und die hiernach zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit der Krankenkasse eingesetzt werden. Für eine solche Betrachtung spricht im Übrigen auch die einzig denkbare Alternative zur Einordnung des Vertragsarztes als Erfüllungsgehilfe. Der Vertragsarzt kann nämlich nur dann nicht als Erfüllungsgehilfe angesehen werden, wenn er eine eigene Verbindlichkeit erfüllte. Das setzte voraus, dass er auch gerade hinsichtlich der nach dem SGB V dem Versicherten gesetzlich zustehenden Verschaffung von Arzneimitteln (zumindest mit) Schuldner wäre. Das aber entspricht weder seiner Funktion, noch ergeben sich aus dem Gesetz Hinweise auf eine dergestalt umfassende Belastung des Vertragsarztes mit Pflichten, die er alleine nicht erfüllen könnte. Vorschriften, die insoweit eine Ausnahme von dem Prinzip der die Krankenkassen treffenden Sachleistungspflicht machten, finden sich nicht. Eine nähere Aufschlüsselung des Sachleistungsanspruchs des Versicherten erfolgt in § 31 SGB V. An dieser Stelle findet sich kein Hinweis darauf, dass abweichend vom sonstigen Leitprinzip neben die Krankenkasse ein weiterer Schuldner der Sachleistung träte. Weitere Vorschriften, die sich mit dem Anspruch des Versicherten befassten, bestehen nicht. In den §§ 69 ff. SGB V wird nicht der Anspruch des Versicherten ausgestaltet, sondern das Verhältnis zwischen Krankenkasse und Vertragsarzt. Dass Krankenkasse und Vertragsärzte nach den §§ 70, 72 SGB V bei der Versorgung der Versicherten zusammenwirken, besagt aufgrund der Stellung der Normen lediglich etwas über den Umgang beider miteinander, aber nichts über die Frage, wen die Sachleistungspflichten originär treffen (a.A. Klöpfer, NStZ 2008, 12, 14; Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418, 419). Gleiches gilt im Ergebnis für § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V, wonach die vertragsärztliche Versorgung u.a. die Verordnung von Arzneimitteln umfasst. Aus der systematischen Stellung der Norm ergibt sich, dass dem Vertragsarzt an dieser Stelle der Auftrag erteilt wird, an der Erfüllung der der Krankenkasse obliegenden Verbindlichkeit mitzuwirken. Der Abschnitt, in dem die Vorschrift sich findet, behandelt die Beziehung des Arztes zur Krankenkasse, nicht aber die Ausgestaltung der Ansprüche der Versicherten und deren Schuldner. Sinn der Norm kann es daher nicht sein, einen Teilbereich der Versorgung mit Medikamenten aus dem Aufgabenkreis der Krankenkasse herauszunehmen. Dem gesetzlichen Leitbild nach bleibt es dabei, dass die Versorgung des Versicherten mit Medikamenten der Krankenkasse obliegt.

Im Ergebnis wird der Vertragsarzt mit der Verordnung von Medikamenten hiernach auch für die Krankenkasse tätig. Die Verordnung in ihrer Eigenschaft als Voraussetzung der Medikamentenabgabe betrifft den Rechts- und Interessenkreis der Krankenkasse.

Die Verordnung hat aber noch eine weitere Funktion, die ebenfalls dem Rechtskreis der Krankenkasse unterfällt. Der Vertragsarzt trifft die Auswahl unter den Medikamenten nicht nur in medizinischer Hinsicht, sondern auch – wenn auch nachrangig – unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Nach §§ 12, 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V muss er dafür Sorge tragen, dass u.a. die Versorgung mit Arzneimitteln wirtschaftlich erbracht wird. Auch die diesbezüglich zu treffende Entscheidung fällt ausschließlich in den Rechts- und Interessenkreis der Krankenkasse. Alleine diese treffen die Folgen unwirtschaftlicher Verschreibung (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2006, 13).

Die vorstehend angenommene Bedeutung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes für die PflichtensteIlung des Vertragsarztes korrespondiert mit den Entscheidungen, die der BGH zur möglichen Untreue von Vertragsärzten getroffen hat (vgl. BGHSt 49, 17, BGH wistra 2004, 422). Hiernach trifft den Vertragsarzt bei der Verordnung von Medikamenten in Bezug auf die Krankenkassen eine Vermögensbetreuungspflicht. Als Sachwalter der Kassenfinanzen sind ihm Befugnis und Verpflichtung zu wirtschaftlicher Verwaltung der Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung überantwortet (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1779 – zitiert nach juris – Rz. 60). Eine solche Pflicht ist ihrer Eigenart nach fremdnützig (vgl. OLG Braunschweig, wistra 2010, 234; a.A. Hendrik Schneider, StV 2010, 366 ff.). Die Betreuung des Vermögens der Krankenkassen kann daher auch nicht als originäre Aufgabe des Vertragsarztes begriffen werden, sondern nur als eine Aufgabenerfüllung, die im Wege des Auftrags überantwortet wird. Das Vermögen der Krankenkassen rechnet alleine zu ihrem Rechts- und Interessenkreis.

Im Ergebnis zeigt sich hiernach, dass die Verordnung eines Medikamentes vom Aufgabenkreis her zumindest auch eine betriebliche Entscheidung der Krankenkasse ist, bei der der Vertragsarzt insoweit für die Krankenkasse handelt. Soweit der Vertragsarzt damit die Geschäfte der Krankenkasse (mit) führt, ist er ihr (gesetzlich) Beauftragter (wie hier OLG Braunschweig, wistra 2010, 234; Fischer, a.a.O., § 299 Rz. 10b ff.; Heine, a.a.O., § 299 Rz. 8; Tiedemann in Leipziger Kommentar, 12. Aufl., § 299 StGB Rz. 18; Pragal/Apfel, A&R 2007, 10, 12; Böse/Mölders, MedR 2008, 587; Dannecker, GesR 2010, 281, 285; Schmidt, NStZ 2010, 393, 394; a.A. Lackner/Kühl, StGB, 25. Aufl., § 299 Rz. 2; Geis, wistra 2005, 369 ff.; Taschke, StV 2004, 422 ff.; ders. StV 2005, 406, 410; Reese, PharmR 2006, 92, 95 ff.; Schmidl, wistra 2006, 286, 288; Sahan, ZIS 2007, 69, 70 ff.; Klöpfer, NStZ 2008, 12; Beukelmann, NJW-Special 2010, 312; Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418, 419; Eggerts/Klümper, A&R 2010, 211 ff.; Hendrik Schneider, StV 2010, 366, 367; Sobotta, GesR 2010, 471 ff.; Steinhilper, MedR 2010, 499, 501 ff.; Dieners, PharmR 2010, 232; Krais, PharmR 2010, 513 ff.; Weidhaas, ZMGR 2010, 199 ff.; Mosiek, jurisPR-MedizinR 5/2010, Anm. 1). Die Verordnung erweist sich für ihn als ein fremdes Geschäft, jedenfalls in Gestalt eines „Auch-Fremden-Geschäftes”.

(2) Gegen die vorstehende Betrachtungsweise, die sich auf die gesetzliche Zuordnung von Aufgabenkreisen stützt, kann nicht eingewendet werden, dass die Beantwortung der Frage, ob das Gesetz eine Aufgabe – hier: die Medikamentenverordnung – der Krankenkasse oder dem Vertragsarzt originär zuweist oder ob letztlich nur ein Auftrag zur Erfüllung einer fremden Aufgabe erteilt wird, letztlich beliebig sei, von Zufälligkeiten in der Wortwahl abhänge und im Einzelfall Probleme in der Abgrenzung eröffne, die strafrechtlich schwer hinzunehmen seien. Denn eine solche Überlegung kann jedenfalls dann nicht greifen, wenn hinter der formell-rechtlichen Zuordnung von Aufgabenkreisen materielle Erwägungen stehen, die die Zuordnung geradezu vorbestimmen. Das ist hinsichtlich der Stellung des Vertragsarztes im Verhältnis zur Krankenkasse der Fall. Nach dem vom Gesetzgeber gewählten System der gesetzlichen Krankenversicherung entrichten die Versicherten ihre Beiträge an die Krankenkasse, um dafür grundsätzlich eine vollständige Gesundheitsfürsorge zu erhalten. Hiernach erscheint es folgerichtig, ihnen den entsprechenden – umfassenden – Gegenanspruch gegen die Krankenkasse – und nicht gegen andere Beteiligte – zu eröffnen. Ihrer Eigenart noch klarer vorbestimmt in der Zuordnung erscheint daneben die Vermögensbetreuungspflicht, die nur als originäre Aufgabe der Krankenkasse vorstellbar ist.

(3) Die von Teilen der Literatur vertretene Ansicht, nach der die Beauftragteneigenschaft des Vertragsarztes mit Blick auf seine freiberufliche Stellung abzulehnen sei (vgl. Geis, wistra 2005, 369, 370; Klöpfer, NStZ 2008, 12, 14 ff.; Sobotta, GesR 2010, 471 ff.; Dieners, PharmR 2010, 232), vermag nicht zu überzeugen. Die Freiberuflichkeit führt nicht dazu, dass Angelegenheiten der Krankenkassen, die dem Vertragsarzt überantwortet werden, zu seinen Angelegenheiten und Entscheidungen werden, in deren Vornahme der Vertragsarzt ungebunden wäre (so aber Geis, wistra 2005, 369, 370). Die Freiberuflichkeit sagt primär nur etwas darüber aus, wie der Arzt seine Aufgaben erledigt, nämlich fachlich unabhängig und eigenverantwortlich. Nicht damit gesagt ist, welche Angelegenheiten Teil seiner freiberuflichen Tätigkeit sind. Dass gerade die Verordnung von Medikamenten nicht dem ungebundeneigenverantwortlichen Bereich zuzuordnen ist, ergibt sich schon daraus, dass der Vertragsarzt insoweit auf Rechnung der Krankenkassen handelt. Insoweit wäre es verfehlt, aus dem ihm hierbei vom Gesetz belassenen Freiraum bei teleologischer Betrachtung verallgemeinernd darauf zu schließen, dass er generell von rechtlichen Bindungen zu befreien sei. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade die Weite der Freiheit, die dem Vertragsarzt bei der Verpflichtung der Krankenkassen zukommt, lässt eine effektive und damit auch strafrechtliche Eingrenzung geboten erscheinen. Dem Vertragsarzt wird ein hohes Maß an Vertrauen entgegengebracht. Deswegen erhält er weitreichende Kompetenzen und entscheidet eigenverantwortlich über die Verordnung der Medikamente. Der Vertragsarzt wird damit in eine Schlüsselstellung erhoben (BSGE 73, 271 – zitiert nach juris – Rz. 47). Mit dieser Kompetenz geht eine entsprechende Verantwortung einher. Das beschriebene Ausmaß der Verantwortung, der große Spielraum, erscheint juristisch kaum ohne Absicherung gegen Missbrauch vorstellbar (vgl. BSG, a.a.O.), zumal hinter dem Vermögen der Krankenkassen Beiträge der Solidargemeinschaft stehen, die über die Verwendung der finanziellen Mittel noch weniger Aufsicht hat als die Krankenkassen. Wäre der Vertragsarzt also bei der Verordnung von Medikamenten, wie von Vertretern der Gegenansicht zuweilen zu Unrecht behauptet, „völlig frei” (Geis, wistra 2005, 369, 370), wäre der durch eine gesetzliche Pflichtversicherung begründete Freiheitseingriff den einzelnen Versicherten nur schwerlich zuzumuten. Zudem wäre die – verfassungsrechtlich gewichtige (BVerfG, NJW 2001, 1779 – zitiert nach juris – Rz. 42) – Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung in Frage gestellt.

Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass es beim Freiberufler nicht anders liegt als bei anderen Selbstständigen auch. Auch ein Freiberufler kann beauftragt werden, und zwar ohne dass sich das übertragene fremde Geschäft zu einem eigenen Geschäft des Freiberuflers wandelt, bei dem dieser tun und lassen könnte, was er wollte. Letztendlich verbirgt sich hierhinter die Selbstverständlichkeit, dass die Klassifizierung als Freiberuf nicht geeignet ist, den Freiberufler von der Einhaltung von Normen freizustellen, die auch für alle anderen gelten.

(4) An dem dargelegten System, das auf dem sozialrechtlichen Sachleistungsprinzip aufbaut, haben sich durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, das zum 1.1.2004 in Kraft getreten ist, keine Änderungen ergeben (a.A. Geis, wistra 2007, 361, 362). Die Neufassung hat zwar die Anwendungsbreite des Kostenerstattungsprinzips erweitert, hat dabei aber zu keiner hier relevanten Änderung geführt. Das grundsätzliche System der gesetzlichen Krankenversicherung ist unverändert geblieben. Durch die Neufassung des § 13 SGB V wurde die Wahlmöglichkeit in Bezug auf das Kostenerstattungsprinzip lediglich von den freiwillig Versicherten auch auf Pflichtmitglieder erweitert. Es blieb und bleibt aber bei dem Sachleistungsgrundsatz (vgl. Helbig in Schlegel/Voelzke, SGB V, § 13 Rz. 18). Dieser alleine gilt, solange der Versicherte nicht zu Gunsten des Kostenerstattungsprinzips optiert. Für den Regelfall hat sich hiernach im Verhältnis zwischen Krankenkasse, Versichertem und Apotheker keine Änderung der Rechtsbeziehungen ergeben.

(5) Auch die Änderung der Rechtsprechung des BSG, die sich mit der rechtlichen Konstruktion der Beschaffung von Medikamenten beschäftigt (vgl. BSG, Urt. v. 17.12.2009 – B 3 KR 13/08 R, USK 2009, 125), bleibt ohne Auswirkung für die Anwendung des § 299 StGB (a.A. Manthey, GesR 2010, 601 ff.). Ohnehin dürfte die Beauftragung nach Ansicht der Kammer auch unter Zugrundelegung der Ansicht, der zufolge der Vertragsarzt als Vertreter der Krankenkasse im Sinne von § 164 BGB mit dem Apotheker einen Vertrag schließe, nicht entscheidend auf die gesetzliche Vertretung zu stützen sein. Solche Überlegungen griffen zu kurz, weil bestimmendes Wesensmerkmal der Beauftragung nicht die Vertretung im Außenverhältnis, sondern die Entscheidungsgewalt im Innenverhältnis ist. Wenn der Vertragsarzt im Außenverhältnis Willenserklärungen im Namen (und zu Lasten) der Krankenkasse abgeben könnte, beinhaltete dies lediglich eine (starke) Indizwirkung dafür, dass die zugrunde liegende Entscheidung auch im Innenverhältnis eine solche ist, die er für die Krankenkasse trifft. Entscheidend für die Zuordnung von Entscheidungen zum Betrieb der Krankenkasse einerseits oder zum Betrieb des Vertragsarztes andererseits konnte aber auch nach der früheren Rechtskonstruktion des BSG nicht der formale Aspekt der Vertretung sein, sondern die materielle Zuweisung der Aufgabenbereiche durch das Vertragsarztrecht. Und daran hat sich nichts geändert.

ccc) Die vorstehende Auslegung des Begriffs der Beauftragung, die den Vertragsarzt erfasst, hält auch einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand (vgl. Dannecker, GesR 2010, 281, 284; a.A. Hendrik Schneider, StV 2010, 366 ff.; Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418, 420).

Als verfassungsrechtliche Vorgabe ist vor allem Art. 103 Abs. 2 GG zu beachten. Hieraus folgt für die Strafgerichte, dass sie in Fällen, die vom Wortlaut einer Strafnorm nicht mehr gedeckt sind, zum Freispruch gelangen müssen. Dies gilt auch dann, wenn infolge des Bestimmtheitsgebots besonders gelagerte Einzelfälle aus dem Anwendungsbereich eines Strafgesetzes herausfallen, obwohl sie ähnlich strafwürdig erscheinen mögen wie das personalisierte Verhalten. Es ist dann Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob er die Strafbarkeitslücke bestehen lassen oder durch eine neue Regelung schließen will (st. Rspr. vgl. nur BVerfG, wistra 2010, 380 ff.; BVerfGE 92, 1, 13). Aus dem Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit folgt das Verbot jeder Rechtsanwendung, die – tatbestandsausweitend – über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht, wobei der mögliche Wortlaut als äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation aus der Sicht des Normadressaten zu bestimmen ist (vgl. BVerfG, wistra 2010, 380 – zitiert nach juris – Rz. 77).

Art. 103 Abs. 2 GG enthält zudem Bestimmungen für die Handhabung weit gefasster Tatbestände und Tatbestandselemente. Die Gerichte dürfen nicht durch eine fernliegende Interpretation oder ein Normverständnis, das keine klaren Konturen mehr erkennen lässt, dazu beitragen, bestehende Unsicherheiten über den Anwendungsbereich einer Norm zu erhöhen (vgl. BVerfG, wistra 2010, 380 – zitiert nach juris – Rz. 80).

Diese Vorgaben werden bei einer Auslegung des Begriffs des Beauftragten, die den Vertragsarzt in die Anwendung mit einbezieht, erfüllt. Die Wortlautgrenze wird eingehalten. Dass eine Person, die einen geschäftlichen Betrieb bei dessen Leistungen an Dritte unterstützt, in diesem Zusammenhang auch Entscheidungen für den geschäftlichen Betrieb vornimmt und sich dabei u.a. an dessen Vermögensinteressen auszurichten hat, als Beauftragter bezeichnet wird, ist für jeden Normadressaten bereits anhand des Wortlauts des § 299 StGB unschwer vorauszusehen. Gewisse Unklarheiten, die in der Praxis der Rechtsanwendung dazu geführt haben, dass die Norm über lange Zeit zu Unrecht nicht angewendet wurde, mögen im Sozialrecht begründet liegen. Das Verhältnis zwischen den Beteiligten ist dort im Detail in erster Linie in einer Weise bestimmt, die speziell den Bedürfnissen des Sozialrechts angepasst ist und die genauen Leistungsbeziehungen, die für die Anwendung des § 299 StGB relevant sind, häufig eher voraussetzt, als sie explizit zu regeln. Im Ergebnis kann das aber nicht dazu führen, dass die Strafbarkeit des verfahrensgegenständlichen Verhaltens nicht vorauszusehen war. Insoweit kann dahinstehen, ob das schon daraus folgt, dass der vorzunehmende Rückgriff auf außerstrafrechtliche Normen des Sozialrechts schon nicht den gleichen Bestimmtheitsanforderungen wie der strafrechtliche Tatbestand selbst unterliegt (vgl. hierzu BVerfG, wistra 2010, 380 ff.; BVerfGE 78, 205, 213). Denn jedenfalls regelt auch das Sozialrecht, wenn es unter Zuhilfenahme anerkannter Auslegungsgrundsätze interpretiert wird, die Stellung des Vertragsarztes in hinreichend bestimmter Weise. Als entscheidend dafür, dass der Vertragsarzt bei der Verschreibung von Medikamenten als Beauftragter der Krankenkassen anzusehen ist, erweist sich letztlich, dass die Verschaffung von Arzneimitteln nach dem das gesamte System der gesetzlichen Krankenversicherung grundlegend bestimmenden Sachleistungsprinzip originäre Aufgabe der Krankenkasse ist. Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass die gesetzliche Pflicht, die Krankenkasse bei der Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten zu unterstützen, schon nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch auch als gesetzlicher Auftrag bezeichnet werden kann.

Dass einzelne Normadressaten oder Strafverfolgungsorgane in der Vergangenheit die Beziehungen der Beteiligten trotz des prinzipiellen Charakters nicht zutreffend eingeordnet haben, mag zutreffen, kann aber allenfalls dazu führen, dass den Betroffenen die für das Strafrecht erforderliche Bedeutungskenntnis im Einzelfall fehlte. Hieraus kann nichts für die generelle Unvorhersehbarkeit strafrechtlicher Ahndung abgeleitet werden. Indem das Strafrecht normative und damit ausfüllungsbedürftige Tatbestandsmerkmale einsetzt, eröffnet es stets die Möglichkeit von Irrtümern auf Seiten der Normadressaten. Irrtümer aber, seien sie auch noch so verbreitet, können nicht dazu führen, den generellen Anwendungsbereich einer Norm einzuschränken. Zutreffende Rechtsfolge bei fehlender Bedeutungskenntnis ist vielmehr die Annahme eines Tatbestandsirrtums im Sinne von § 16 StGB.

Nur bei dieser Betrachtung, die Raum für die gesetzliche Implementierung von Tatbestandsmerkmalen mit einem hohen Abstraktionsgrad lässt, kann den Bedürfnissen des Wirtschaftsstrafrechts und damit der vom Rechtsstaatsgebot verlangten Effektivität der Strafverfolgung Rechnung getragen werden. Beziehungen und Regelungen im Wirtschaftsleben sind so unterschiedlich und vielschichtig, dass detailgenauere Beschreibungen unweigerlich zu langen Listen von Katalogtaten führen würden, die gleichwohl stets Gefahr liefen, einzelne Sachverhalte nicht zu erfassen und damit Strafbarkeitslücken und hiermit verbundene ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen zu schaffen. Der Gesetzgeber muss daher auch im Strafrecht in der Lage bleiben, der Vielgestaltigkeit des Lebens durch Verwendung abstrakter Tatbestandsmerkmale Herr zu werden (vgl. BVerfG, wistra 2010, 380 – zitiert nach juris – Rz. 72 f.). Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass dann, wenn der Gesetzgeber stets jeden Straftatbestand bis ins Letzte ausführen müsste, die Gefahr bestünde, dass die Gesetze zu starr und kasuistisch würden und dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden könnten. Je genauer der Gesetzgeber nämlich auf die besonderen sozialrechtlichen Verhältnisse eingegangen wäre, desto eher wäre er Gefahr gelaufen, aufgrund nicht alleine in seiner Hand liegender und kaum voraussehbarer Änderungen der Rechtsbeziehungen (vgl. § 129 Abs. 2, 5 SGB V) oder der diesbezüglichen Anschauungen (vgl. BSG, Urt. v. 17.12.2009 – B 3 KR 13/08 R) ungewollte Strafbarkeitslücken zu schaffen. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch unter dem Blickwinkel des Rechtsstaatsprinzips geboten, die Strafrechtsnorm des § 299 StGB abstrakt zu fassen und dabei auf den wesentlichen Unrechtskern zu beschränken. Dieser besteht gerade in der im vorliegenden Fall offensichtlich vorliegenden Dreieckskonstellation, in der ein beauftragter Entscheidungsträger für einen geschäftlichen Betrieb handelt und in der deswegen die Gefahr korruptiver Beeinflussung des Wettbewerbs besteht.

bb) Bei den Krankenkassen, für die der Angeklagte B. als Vertragsarzt tätig war, handelt es sich um „geschäftliche Betriebe”.

Zu Recht geht die ganz herrschende Ansicht davon aus, dass auch öffentlich-rechtliche Organisationsformen als „geschäftliche Betriebe” anzusehen sind, sofern sie nach den Grundsätzen eines Erwerbsgeschäfts arbeiten (vgl. BGH, NStZ 1994, 277; Heine, a.a.O., § 299 Rz. 6).

Dem Wortsinn nach kann auch ein öffentlich-rechtlich organisierter Betrieb Geschäfte vornehmen. Mit dem Wort „geschäftlich” wird – in Parallele zu § 11 Abs. 1 Nr. 2c) StGB („unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform”) nicht an die Organisationsform, sondern an die Betätigung des Betriebes angeknüpft.

Im vorliegenden Fall haben die Krankenkassen sich bei dem Bezug der Arzneimittel nicht anders verhalten als andere Marktteilnehmer. Unter den die Arzneimittel anbietenden Pharmaunternehmen entstand daher ein Wettbewerb. Die Krankenkassen handelten dementsprechend nach den Grundsätzen eines Erwerbsgeschäfts und sind damit als geschäftliche Betriebe anzusehen (vgl. nur Pragal, NStZ 2005, 133, 135; Klöpfer, NStZ 2008, 12, 13; vgl. auch RGSt 68, 70, 74; RG, JW 1935, 1861).

cc) Die Angeklagten haben bei jeder einzelnen Tat eine gesonderte Unrechtsvereinbarung getroffen.

Der Angeklagte B. hat im geschäftlichen Verkehr jeweils einen Vorteil dafür angenommen und sich zusätzlich versprechen lassen, dass er die Firma X bei dem Bezug von Ware durch die einzelnen Krankenkassen bevorzugt, indem er ihre Medikamente in Zukunft vorrangig verschreibt.

Im Einzelnen:

aaa) Die Unrechtsvereinbarungen der Angeklagten hatten den Bezug von Ware zum Gegenstand.

(1) Dahinstehen kann, ob auf den Bezug von Ware abgestellt werden kann, der von den Apotheken ausging. Im vorliegenden Fall war X allerdings auch insoweit bevorteilt, weil die Apotheken infolge der Verordnungen gehalten waren, die verordneten Medikamente käuflich zu erwerben. Der Wortlaut des § 299 StGB erfasst auch eine solche Art der Bevorzugung, bei der der Bezug von Ware nicht direkt durch das Unternehmen stattfindet, in dessen geschäftlichen Betrieb der Täter Beauftragter ist. Der Wortlaut der Norm stellt keine Anforderungen an das Verhältnis zwischen dem geschäftlichen Betrieb und dem Bezug der Ware. Deswegen ist § 299 StGB unabhängig davon anzuwenden, ob der geschäftliche Betrieb bei dem Bezugsvorgang Leistender oder Leistungsempfänger ist (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl. 1996, § 12 UWG a.F. Rz. 8). Wird der darin enthaltene Gedanke verallgemeinert, muss der geschäftliche Betrieb nicht Bezieher der Ware sein. Dagegen lässt sich auch nicht aus dem Normzweck heraus argumentieren. Zwar liegt das tatbestandsspezifische Unrecht gerade auch in der Ausnutzung der Machtstellung des Bestochenen. Dies erfordert aber nur im Regelfall einen Bezug gerade durch den beauftragenden Betrieb. Daneben gibt es weitere Konstellationen der Ausnutzung. Dazu gehört die hier vorliegende Konstellation, in der der Bezieher Dritter ist, die Entscheidung über den Bezug aber bei dem geschäftlichen Betrieb, für den der Beauftragte handelt, liegt. Aus dem Blickwinkel des Normzweckes – der Sicherung des freien Wettbewerbs – erscheint der Missbrauch dieser Stellung ebenso rechtsgutschädigend wie der Bezug für den Betrieb. Entscheidend ist, dass der Wettbewerb durch Zuwendungen an Entscheidungsträger beeinträchtigt wird.

Inwieweit aus dem System der Norm bzw. der Beziehung der Tatbestandsmerkmale zueinander gleichwohl Gegenteiliges abzuleiten ist und damit der verbreiteten Ansicht zu folgen ist, die eine unmittelbare Beteiligung des geschäftlichen Betriebs an dem Bezugsvorgang verlangt (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rz. 8), muss hier letztlich aber nicht entschieden werden.

(2) Denn jedenfalls bezog sich die Bevorteilung schon deswegen auf den Bezug von Ware, weil auch der öffentlich-rechtliche Erwerb der Ware durch die Krankenkassen nach dem SGB V als Bezug von Ware anzusehen ist.

(a) Auch unter Zugrundelegung der neuen Rechtsprechung des BSG, wonach kein Kaufvertrag zwischen Krankenkasse und Apotheker über das verordnete und vom Versicherten entgegengenommene Medikament zustande kommt (BSG, Urt. v. 17.12.2009 – B 3 KR 13/08 R), ist die Krankenkasse zumindest auch – und nicht etwa ausschließlich der Versicherte (so aber Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418, 420) – als Bezieherin der Medikamente anzusehen.

(aa) Ein Bezug von Ware setzt nicht die Entgegennahme von Gewahrsam voraus (a.A. Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418, 420). § 299 StGB, der wirtschaftliche Sachverhalte regelt, muss in Anlehnung an die Gepflogenheiten und Bedürfnisse des Wirtschaftsverkehrs interpretiert werden. Waren werden im Handel herkömmlicherweise auch in einer Weise bezogen, die unabhängig von einer Gewahrsamserlangung stattfindet. Insbesondere die Leistung über das Dreieck, der Abkürzung des Handelsweges dienend, entspricht typischen Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Verkehr. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Interpretation des Warenbezuges kann es hiernach entscheidend nur auf die Leistungsbeziehung ankommen. Bezieher ist, wer die in der Überlassung von Ware liegende Leistung bezieht. Folgte man dieser Interpretation des „Warenbezugs” nicht, würde bei der gewahrsamslosen Leistung zumindest ein Bezug (sonstiger) „gewerblicher Leistungen” im Sinne des § 299 StGB vorliegen.

(bb) Im Falle der Einlösung von ärztlichen Verordnungen ist die Krankenkasse zumindest auch Leistungsempfängerin.

(aaa) Das ergibt sich zunächst aus der wirtschaftlichen Betrachtung der Leistungsbeziehungen. Der Versicherte leistet hiernach Beiträge an die Krankenkasse; die Krankenkasse schuldet als Gegenleistung u.a. die Verschaffung von Medikamenten. Zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit bedient sie sich der Apotheke, bei der sie – gegen Entgelt – die Medikamente erwirbt. Bei wirtschaftlicher Betrachtung liegt hiernach eben die oben skizzierte Leistung über das Dreieck vor. Durch die Übergabe der Medikamente findet gleichzeitig ein Bezug von Ware durch die Krankenkasse und – nachgelagert – ein anschließender Bezug durch den Versicherten statt.

Nach Ansicht der Kammer ist die vorgenannte wirtschaftliche Betrachtung für die Anwendung des Tatbestands des § 299 StGB entscheidend (ebenso Pragal/Apfel, A&R 2007, 10, 11). § 299 StGB befasst sich mit den faktischen Auswirkungen auf den Wettbewerb. Dementsprechend erscheint es folgerichtig, auch die von der Vorschrift verlangten Beziehungen der Beteiligten anhand einer tatsächlichen Betrachtung zu bestimmen. Für die Auslegung des Angestellten- und des Beauftragtenbegriffs ist dies anerkannt (vgl. Fischer, a.a.O., § 299 Rz. 9, 10, 10e; Heine, a.a.O., § 299 Rz. 8; Momsen, BeckOK, § 299 StGB Rz. 10.1; Schmidl, wistra 2006, 286, 288). Selbiges muss aber auch für die Bestimmung des Waren- und Leistungsbezugs gelten.

(bbb) Die vorstehend vorgenommene Bestimmung der Leistungsbeziehungen hält im Übrigen aber auch einem Abgleich mit den einschlägigen sozialrechtlichen Normen stand.

Nach bisheriger Auffassung des BSG galt das schon deswegen, weil zwischen der Krankenkasse – nicht dem Versicherten – und dem jeweiligen Apotheker einzelne Kaufverträge über die verordneten Medikamente geschlossen wurden, die durch die Übergabe an den Versicherten erfüllt wurden (vgl. BBGE 73, 271, 278 ff.; BBGE 77, 194, 199 f.). Nach der damaligen Ansicht des BSG handelte der Vertragsarzt in entsprechender Anwendung der §§ 164 ff. BGB als Vertreter der Krankenkasse. Seine Verordnung galt als (öffentlich-rechtliches) Kaufvertragsangebot, das der Versicherte als Bote dem Apotheker überbrachte. Leistungsbeziehungen bestanden hiernach auch in sozialrechtlicher Hinsicht ausschließlich zwischen Apotheker und Krankenkasse sowie Krankenkasse und Versichertem. Bezieher der Medikamente i.S.d. § 299 StGB war alleine die Krankenkasse.

Im Ergebnis hat die sozialrechtliche Bewertung sich durch die Aufgabe der früheren Rechtsprechung nicht entscheidend geändert. Allerdings geht das BSG (Urt. v. 17.12.2009 – B 3 KR 13/08 R) nunmehr davon aus, dass die Kaufvertragsvorschriften bei der Überlassung von Medikamenten keine ergänzende Anwendung finden und auch bereits nach der im Tatzeitraum bestehenden Rechtslage nicht anzuwenden waren. Nach Auffassung des Gerichtes sind alle wesentlichen Rechtsfragen bereits durch das SGB V geregelt. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs eines Apothekers gegen eine Krankenkasse wegen der Abgabe eines vertragsärztlich verordneten Arzneimittels sei § 129 SGB V in Verbindung mit den zu dieser Vorschrift bestehenden ergänzenden Vereinbarungen nach § 129 Abs. 2 und 5 SGB V.

Auch unter dieser Prämisse bleibt es bei einer Leistungsbeziehung zwischen Apotheke und Krankenkasse. Das BSG (Urt. v. 17.12.2009, a.a.O.) hat mit der geänderten rechtlichen Qualifizierung der Vorgänge keine grundlegend neuen Rechts- und Leistungsbeziehungen verbunden. Das Gericht selbst weist in der maßgeblichen Entscheidung lediglich darauf hin, dass die Konstruktion eines für jeden Einzelfall abzuschließenden Kaufvertrags entbehrlich sei, weil sich schon aus § 129 SGB V in Verbindung mit den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 SGB V eine tragfähige Rechtsgrundlage für die Überlassung der Medikamente ergebe. Hinweise auf weitere essentielle Änderungen der Rechtsbeziehungen unter den Beteiligten gibt das Gericht nicht. Dies würde im Übrigen auch der eigenen Argumentation des Gerichts widersprechen, wonach die frühere Konstruktion nicht als falsch, sondern lediglich als „entbehrlich” angesehen wird. Das erscheint folgerichtig, wird die vom Gericht neuerdings vorgenommene Einordnung doch auf Vorschriften gestützt, die auch zuvor bereits zur Anwendung gekommen waren, nur eben früher anders als aus heutiger Sicht als ergänzungsbedürftig angesehen wurden.

Entscheidend ist daneben, dass die Nichtanwendung der Kaufvertragsvorschriften nicht dazu führt, dass zwischen Apotheke und Krankenkasse keine vertragliche Rechtsbeziehung mehr bestünde. Nach wie vor erfolgt die Überlassung von Medikamenten auf der Grundlage eines Vertrages zwischen Apotheke und Krankenkasse. Das ergibt sich aus der vom BSG verlangten Heranziehung der Rahmenverträge nach § 129 SGB V. In dem zur Tatzeit geltenden Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 SGB V in der Fassung der Schiedsentscheidung vom 5.4.2004 war in § 3 Abs. 1 zur Abgabe von Medikamenten geregelt:

„Ein Vertrag zwischen Krankenkasse und Apotheke kommt für vertragsgegenständliche Produkte durch Annahme einer ordnungsgemäßen gültigen vertragsärztlichen Verordnung zustande”.

Der Inhalt des bezeichneten (öffentlich-rechtlichen) Vertrages mag sozialrechtliche Besonderheiten aufweisen. Im Wesentlichen darf jedoch davon ausgegangen werden, dass er kaufvertragsähnlich ausgestaltet ist. Das ergibt sich nicht nur aus der kaufvertragsgleichen Interessenlage der Beteiligten. Die genannte Vereinbarung ist vielmehr vor dem Hintergrund der damals noch nicht aufgegebenen Rechtsprechung des BSG zu interpretieren, die den Leistungsaustausch zwischen Apotheke und Krankenkasse, wie bereits dargelegt, als (öffentlich-rechtlichen) Kaufvertrag qualifiziert hat. Das spricht dafür, den in der Vereinbarung angesprochenen Vertrag als zumindest kaufvertragsähnlich zu begreifen. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass die Beteiligten eine unmittelbare Leistungsbeziehung zwischen Apotheke und Krankenkasse vereinbart haben und dass der Apotheker dementsprechend mit der Übergabe des Medikamentes an den Versicherten eine gegenüber der Krankenkasse bestehende Pflicht erfüllen will.

Dies zeigt, dass die sozialrechtlichen Leistungsbeziehungen mit der wirtschaftlichen Betrachtung übereinstimmen. Dafür spricht auch, dass das BSG in seiner neuen Entscheidung (Urt. v. 17.12.2009, a.a.O.) auch insoweit an der früheren Bestimmung der Rechtsbeziehungen festhält, als es davon ausgeht, dass die Krankenkasse mit der Abgabe der verordneten Arzneimittel ihre im Verhältnis zum Versicherten bestehende Pflicht zur Krankenbehandlung nach §§ 27, 31 SGB V erfülle. Diese Annahme erscheint vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Sachleistungspflicht zwingend. Nach wie vor entspricht es dem für das SGB V essentiellen Grundsatz der Sachleistungspflicht, dass die Krankenkasse selbst die Überlassung des einzelnen Medikaments schuldet. Die Sachleistungspflicht lässt sich nicht auf das gerade von ihr zu unterscheidende Kostenerstattungsprinzip eingrenzen, wonach der Krankenkasse nur die Bezahlung der Medikamente obliegen würde.

Hiernach handelt der Apotheker mit der Abgabe der Medikamente nichts anders als der Vertragsarzt im Auftrag der Krankenkasse. Die Abgabe der Medikamente ist primär auf die Erfüllung dieses Auftrags gerichtet und damit eine Leistung an die Krankenkasse. Die Krankenkasse ist dementsprechend die Bezieherin.

Gegen diese Betrachtung streitet nicht, dass das BSG in seiner Entscheidung vom 17.12.2009 (a.a.O.) u.a. davon spricht, dass die Apotheken dem gesetzlichen System nach die Arzneimittel „an die Versicherten abgäben” und nach § 129 SGB V zu dieser „Leistung” auch verpflichtet seien. Denn ersichtlich hat sich das Gericht in dem Kontext, in dem die Äußerungen erfolgt sind, nicht mit der Leistungsbeziehung zwischen Apotheke und Krankenkasse befasst. Aus der Entscheidung selbst geht hervor, dass das Gericht insoweit eine vertragliche Beziehung mit Leistungspflichten annimmt. Das wird einerseits anhand des Verweises auf die von § 129 SGB V in Bezug genommenen Verträge deutlich, da sich aus diesen, wie oben dargelegt, ein kaufvertragsähnliches Rechtsverhältnis ableiten lässt. Zum anderen betont das Gericht selbst, dass die Apotheken „in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag der Krankenkassen” eingebunden seien und dass die Krankenkasse mit der Abgabe vertragsärztlicher verordneter Arzneimittel ihre im Verhältnis zum Versicherten bestehende Pflicht erfülle (a.a.O.). Hiernach findet die Annahme eines Dreiecksverhältnisses der Leistungsbeziehungen in der Gesamtschau ihre Bestätigung auch durch die Ausführungen des BSG.

(b) Sollte – entgegen der Ansicht der Kammer – der direkte Bezug des Medikaments dem Versicherten zuzuordnen sein, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass die Krankenkassen jedenfalls daneben Bezieher sonstiger gewerblicher Leistungen i.S.d. § 299 StGB waren. Aufgrund der einschlägigen Verträge trafen die Apotheken gegenüber der Krankenkasse unmittelbare Verpflichtungen, die sie durch die Abgabe der Medikamente an den Versicherten erfüllten.

(c) Als Bezug ist auch der im hiesigen Fall erfolgte Erwerb außerhalb eines privatrechtlichen Kaufvertrages anzusehen.

Der Wortlaut des § 299 StGB lässt eine solche Auslegung zu, da die Norm nicht vom Ankauf von Ware spricht. Mit der Verwendung des Begriffs des Bezuges lässt sie vielmehr einen weiten Spielraum dafür, auch andere Arten des Erwerbs zu erfassen.

Der Gesetzeszweck wiederum gebietet es, auch den öffentlich-rechtlichen Erwerb durch die Krankenkassen als tatbestandsmäßig anzusehen. Der öffentlich-rechtliche Erwerb nach § 129 SGB V in Verbindung mit den dort in Bezug genommenen Verträgen weist keinen entscheidenden Unterschied zum zivilrechtlichen Kauf auf. Das wird nicht zuletzt anhand der Entscheidung des BSG vom 17.12.2009 (a.a.O.) erkennbar. Nachdem das BSG zunächst lange Jahre davon ausging, dass zwischen der Krankenkasse und dem Apotheker nach den §§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V, 433 BGB (analog) ein (öffentlich-rechtlicher) Kaufvertrag über die verordneten Medikamente geschlossen wird, hat es diese Rechtsauffassung lediglich unter Hinweis darauf aufgegeben, dass das SGB V selbst ausreichende Regelungen enthalte. Eine relevante inhaltliche Änderung der Rechtsbeziehung zwischen Krankenkasse und Apotheke ist damit nicht verbunden. Entscheidend ist, dass Ware gegen Entgelt erworben wird. Denn darauf basiert ein Wettbewerb unter den Anbietern der Ware und diesen soll die Vorschrift des § 299 StGB in seiner Freiheit schützen.

bbb) Die Angeklagten haben die Unrechtsvereinbarung im geschäftlichen Verkehr getroffen. Dem steht nicht entgegen, dass Gegenstand der Unrechtsvereinbarung eine hoheitliche Tätigkeit des Angeklagten B. war, die sich auf die öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Apotheken auswirkte.

(1) Indem der Angeklagte B. versprach, Medikamente von X zu verschreiben, sagte er eine auf Grundlage öffentlich-rechtlicher Normen vorzunehmende Handlung zu. Die Ermächtigung des Vertragsarztes zur Verordnung von Medikamenten ergibt sich aus § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V. In Ausübung dieser Ermächtigung konkretisiert der Vertragsarzt den Anspruch des Versicherten gegen die Krankenkasse. Die hiermit verbundene Rechtsmacht, als „Schlüsselfigur” den Inhalt öffentlich-rechtlicher Rechte auszugestalten, ist als Beleihung mit Hoheitsrechten zu begreifen (vgl. BGHSt 49, 17 – zitiert nach juris – Rz. 5; BSGE 73, 271 – zitiert nach juris – Rz. 33/47). Verordnet der Vertragsarzt ein Medikament, handelt er hiernach hoheitlich.

Auch die Auswirkungen der Verordnung für die Krankenkasse sind zunächst öffentlich-rechtlicher Natur. Mit der Herausgabe der Arzneimittel durch die Apotheke entsteht ein Zahlungsanspruch der Apotheke gegen die Krankenkasse auf Grundlage des § 129 SGB V in Verbindung mit den dort in Bezug genommenen Verträgen. Der Vertragsarzt bestimmt mit seiner Verordnung hiernach über den Gegenstand öffentlich-rechtlicher Vertragsbeziehungen.

(2) Obgleich ein Handeln im geschäftlichen Verkehr häufig abgelehnt wird, soweit es um die Einordnung hoheitlichen Verhaltens geht (vgl. nur Fischer, a.a.O., § 299 Rz. 12; Momsen, BeckOK, § 299 StGB Rz. 12), stehen im vorliegenden Fall weder das öffentlich-rechtlich zu beurteilende Handeln des Angeklagten B. noch dessen öffentlich-rechtliche Auswirkungen der Annahme einer im geschäftlichen Verkehr getroffenen Unrechtsvereinbarung entgegen.

(a) Der Begriff des geschäftlichen Verkehrs entstammt dem früheren Wettbewerbsrecht (UWG a.F.) und kennzeichnet den Bereich, in dem wirtschaftlicher Wettbewerb herrscht (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., UWG Einl. Rz. 208 ff.). Mit der Beschränkung auf Unrechtsvereinbarungen, die im geschäftlichen Verkehr getroffen werden, nimmt das Gesetz zwei Fallgruppen aus dem Tatbestand des § 299 StGB heraus.

In erster Linie liegt die Bedeutung darin, Unrechtsvereinbarungen zwischen einem Wettbewerber und einem privaten Endverbraucher auszugrenzen (vgl. BGHSt 2, 396, 402). Das Verhältnis zum Verbraucher und damit auch die mit ihm getroffene Unrechtsvereinbarung sind nicht mehr Teil des wirtschaftlichen Verkehrs und unterfallen daher nicht dem geschäftlichen Verkehr.

Daneben hat der Begriff des geschäftlichen Verkehrs im Laufe der Zeit eine zweite Bedeutung erlangt, die sich mit der Ausklammerung bestimmter hoheitlicher Handlungsformen befasst. Anknüpfungspunkt waren weder der Wortlaut des Begriffes noch bestimmte spezifisch den Tatbestand des § 12 UWG betreffende Erwägungen. Letztlich ging es um die Abgrenzung privaten Wettbewerbsrechts von öffentlichem Recht, und damit um die generelle Auslegung des im UWG an verschiedenen Stellen verwendeten Begriffes des „geschäftlichen Verkehrs”. Soweit das Handeln der öffentlichen Hand Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Verkehr hatte, stellte sich die Frage, ob es sich am Wettbewerbsrecht oder an öffentlich-rechtlichen Normen messen lassen musste. Die Grundidee der von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzung lag darin, das private Wettbewerbsrecht immer dann für anwendbar zu erachten, wenn die öffentliche Hand quasi auf Augenhöhe mit den anderen am Wirtschaftsverkehr Beteiligten agierte, wenn sie also ohne Ausnutzung hoheitlicher Machtbefugnisse Tätigkeiten nachging, die anderen Marktteilnehmern ebenso offen standen und damit die Gleichordnung im Wettbewerb nicht einschränkte (vgl. BGHZ 66, 229; BGHZ 67, 81; BGH VersR 1976, 996). Dem öffentlichen Recht wurden hingegen Sachverhalte zugewiesen, in denen die öffentliche Hand Auswirkungen auf den Wettbewerb erzeugte, indem sie öffentlich-rechtliche Befugnisse einsetzte und damit nicht auf dem Boden der Gleichordnung zu privaten Unternehmen in Wettbewerb trat, sondern in einem Überordnungsverhältnis (vgl. BGH NJW 2006, 1804). Um die Streitigkeiten nach dieser Grundidee aufzuteilen, wurde das Tatbestandsmerkmal des „geschäftlichen Verkehrs” teleologisch reduziert: Soweit die öffentliche Hand rein hoheitlich im Überordnungsverhältnis agierte, handelte sie nicht im geschäftlichen Verkehr. Anders lag es hingegen, wenn die öffentliche Hand auf dem Boden der Gleichordnung mit anderen Marktteilnehmern handelte. Hier wurde das Merkmal des geschäftlichen Verkehrs bejaht. Wichtig für den vorliegenden Fall ist dabei der Umstand, dass das Handeln im geschäftlichen Verkehr unabhängig von der unmittelbaren Rechtsqualität des Handeins angenommen wurde. Auch dann, wenn sich die öffentliche Hand öffentlich-rechtlicher Handlungsformen bediente und etwa den Leistungsaustausch zu ihrem unmittelbaren Geschäftspartner öffentlich-rechtlich gestaltete, wurde hierin ein Handeln im geschäftlichen Verkehr gesehen. Rechtskonstruktiv wurde dies damit begründet, dass dem Handeln der öffentlichen Hand eine Doppelnatur zukäme (vgl. BGHZ 66, 229, 232; Baumbach, a.a.O., § 1 UWG Rz. 919). Im Verhältnis zu ihrem Geschäftspartner sei ihr Verhalten an öffentlich-rechtlichen Normen zu messen, in ihren Auswirkungen auf den Wettbewerb unterscheide die öffentliche Hand sich dagegen nicht von anderen Marktteilnehmern und unterliege daher wie diese dem Wettbewerbsrecht.

Festzuhalten bleibt hiernach: Der Begriff des „geschäftlichen Verkehrs” dient nicht dazu, jegliche Sachverhalte aus der Normanwendung zu nehmen, in denen ein Beteiligter öffentlich-rechtlich handelt. Nur die rein hoheitliche Tätigkeit, die sich auch in ihren Auswirkungen als Subordinationsverhältnis zu Teilnehmern des Wirtschaftslebens darstellt, ist nicht mehr Teil des geschäftlichen Verkehrs. Dieses Ergebnis leitet sich letztlich aus dem Sinn des privaten Wettbewerbsrechtes ab. Handelt die öffentliche Hand nicht wie jedermann im Wettbewerb, sondern bedient sie sich spezifisch hoheitlicher Eingriffsbefugnisse, kann das Wettbewerbsrecht nicht sedes materiae sein, weil es die zu beantwortenden Fragen nicht regelt. Genau andersherum liegt es, wenn die öffentliche Hand auf gleichgeordneter Ebene tätig wird. In diesem Fall liegen Sachverhalte vor, die auch sonst nach dem Wettbewerbsrecht beurteilt werden und deren abweichende Behandlung sachlich nicht gerechtfertigt wäre.

Die vorgenannte Auslegung ist für den Anwendungsbereich des § 299 StGB zu übernehmen (vgl. Heine, a.a.O., § 299 Rz. 9). Der Zweck der Norm gebietet es, hoheitliches Handeln der öffentlichen Hand dann als Teil des geschäftlichen Verkehrs zu erfassen, wenn die öffentliche Hand damit in gleichgeordneter Weise wie jedermann am allgemeinen Wirtschaftsverkehr teilnimmt. Unter diesen Voraussetzungen macht es für den zu schützenden freien Wettbewerb keinen Unterschied, ob sich die öffentliche Hand gegenüber ihrem direkten Geschäftspartner öffentlich-rechtlicher Handlungsformen bedient (vgl. BGHZ 66, 229; RGSt 66, 380, 385; BGHSt 10, 358, 367; Baumbach, a.a.O. UWG Einl. Rz. 245/§ 1 UWG Rz. 919 f., 926). Das wird durch den vorliegenden Fall verdeutlicht. Ob die Beschaffung von Medikamenten durch privatrechtlichen Vertrag oder, wie tatsächlich praktiziert, durch öffentlich-rechtlichen Vertrag erfolgt, wirkt sich auf den zu schützenden freien Wettbewerb unter den Pharmaunternehmen nicht aus.

Eine weitergehende Ausklammerung öffentlich-rechtlichen Verhaltens könnte allenfalls dann veranlasst sein, wenn über das Tatbestandsmerkmal des „geschäftlichen Verkehrs” zu den Amtsdelikten der §§ 331 ff. StGB abzugrenzen wäre. Das ist nach Ansicht der Kammer aber schon aufgrund der unterschiedlichen Schutzgüter der Normen nicht geboten. Die Vorschriften beschreiben jeweils unterschiedliches Unrecht, einerseits gerichtet gegen den freien Wettbewerb, andererseits gegen die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen der Allgemeinheit in diese Lauterkeit. Beides kann unabhängig voneinander vorliegen und bedarf gegebenenfalls der Klarstellung im Schuldspruch (vgl. Heine, a.a.O., § 299 Rz. 6, 32). Auch wenn man dieser Überlegung nicht folgte und stattdessen zwischen den Tatbeständen ein Exklusivitätsverhältnis annähme (so Tiedemann, Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 299 Rz. 18; Momsen, BeckOK, § 299 Rz. 7), könnte eine Abgrenzung jedenfalls nicht in Anknüpfung an die öffentlich-rechtliche Handlungsform erfolgen. Denn auch der Amtsträgerbegriff wird gerade unabhängig von der Handlungsform bestimmt, was durch § 11 Abs. 1 Nr. 2c) StGB klargestellt wird.

Hiernach bleibt festzuhalten, dass hoheitliches Handeln der öffentlichen Hand dann Teil des geschäftlichen Verkehrs ist, wenn die öffentliche Hand damit in gleichgeordneter Weise wie jedermann am allgemeinen Wirtschaftsverkehr teilnimmt.

(b) Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass weder die öffentlich-rechtliche Tätigkeit des Angeklagten B. bei der Verordnung der Arzneimittel noch die öffentlich-rechtliche Handlungsform der Krankenkasse bei dem Erwerb der Arzneimittel einer Unrechtsvereinbarung im geschäftlichen Verkehr entgegenstehen. Unabhängig von der Frage, ob der von § 299 StGB vorausgesetzte geschäftliche Verkehr die Beziehung des Bestechenden zu dem Bestochenen oder zu dessen Geschäftsherrn oder zwischen den im Wettbewerb konkurrierenden Unternehmen untereinander oder zu deren Abnehmern beschreibt, kann jedenfalls festgestellt werden, dass die Beteiligten des vorliegenden Falles im geschäftlichen Verkehr gehandelt haben. Soweit sie sich öffentlich-rechtlicher Handlungsformen bedient haben, führte dies zu keinen Auswirkungen auf den Wettbewerb, die sich gerade durch die Eigenart hoheitlichen Handelns erklären ließen. Mangels Subordinationsverhältnisses zwischen den Beteiligten handelten alle Träger öffentlicher Gewalt auf gleichgeordneter Ebene mit den übrigen Beteiligten des Wirtschaftsverkehrs. Mit Hilfe ihres Beauftragten, des Angeklagten B. in seiner Funktion als Vertragsarzt, erwarben die Krankenkassen die verordneten Arzneimittel und verhielten sich dabei nicht anders, als wenn sie die Arzneimittel im Wege privatrechtlicher Verträge gekauft hätten.

(c) Die Annahme der Tatbegehung im geschäftlichen Verkehr wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das private Wettbewerbsrecht auf die Rechtsbeziehung zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und den Apotheken seit dem 1.1.2000 gem. § 69 SGB V nicht mehr anzuwenden ist.

Das ergibt sich bereits daraus, dass die Charakterisierung der Rechtsbeziehung zwischen den Krankenkassen und den Apotheken für die Prüfung des geschäftlichen Verkehrs im vorliegenden Fall nicht relevant ist. Der Begriff des geschäftlichen Verkehrs bezieht sich auf den jeweils angegriffenen freien Wettbewerb. Dieser besteht im vorliegenden Fall unter den Pharmaunternehmen, nicht jedoch unter den Apotheken. Dementsprechend ist es ohne Belang, ob sich die Rechtsbeziehung zwischen Krankenkasse und Apotheke dem geschäftlichen Verkehr zuordnen lässt.

Hiervon unabhängig resultiert die Unerheblichkeit des § 69 SGB V auch aus einem anderen Umstand. § 69 SGB V regelt lediglich das Verhältnis des Sozialrechts zum privaten Wettbewerbsrecht (vgl. hierzu BSGE 89, 24 ff.). Auswirkungen auf die Anwendung strafrechtlicher Normen sind damit nicht verbunden. Insbesondere folgt aus dem generellen Anwendungsvorrang sozialrechtlicher Normen nicht das Erfordernis, den Begriff des „geschäftlichen Verkehrs” anders auszulegen. Die Nichtanwendung des Wettbewerbsrechts ergibt sich unabhängig von der Annahme geschäftlichen Verkehrs unmittelbar aus § 69 SGB V.

(d) Das hergeleitete Ergebnis, wonach vorliegend im geschäftlichen Verkehr gehandelt wurde, wird durch folgende Überlegung bestätigt: Konkurrenten des die Bestechung betreibenden Unternehmens X sind, wenn sie die sie treffenden Auswirkungen auf den Wettbewerb unterbinden wollen, darauf angewiesen, gegen X auf Grundlage des privaten Wettbewerbsrechts vorzugehen. Dies wird von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt (LG München, MedR 2008, 563). Unter diesem Blickwinkel muss eine Handlung im geschäftlichen Verkehr oder auch eine geschäftliche Handlung des Unternehmens X und seiner Mitarbeiterin, der Angeklagten R., bejaht werden. Das eröffnet zunächst die Annahme eines Handelns im geschäftlichen Verkehr auch i.S.d. § 299 StGB für die Angeklagte R. Wenn sich aber die Unrechtsvereinbarung schon für die eine Seite der Beteiligten als Teil des geschäftlichen Verkehrs darstellt, dann kann für die andere Seite – den Angeklagten B. – nichts anderes gelten.

ccc) Gegenstand der Unrechtsvereinbarungen zwischen den Angeklagten war jeweils eine Bevorzugung des Unternehmens X durch den Angeklagten B. Eine Bevorzugung ist gegeben, wenn im Wettbewerb Vorteile gegenüber Mitbewerbern gewährt werden. Ein solcher Vorteil lag im vorliegenden Fall in der bevorzugten Verordnung von Medikamenten des Unternehmens X.

Der Vorteil wird dadurch, dass die Apotheken bei der Einlösung der Verordnungen zur Substitution berechtigt und verpflichtet waren, lediglich gemindert, nicht aber ausgeschlossen. Nach § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a) SGB V war ein Apotheker, dem eine ärztliche Verordnung vorgelegt wird, im Falle des Vorhandenseins preisgünstigerer, wirkstoffgleicher Medikamente verpflichtet, das verordnete Medikament durch ein günstigeres zu ersetzen. Etwas anderes galt nur, wenn der Arzt die Ersetzung ausgeschlossen hatte („aut idem”-Anordnung). Hiervon hat der Angeklagte B. im vorliegenden Fall jedoch keinen Gebrauch gemacht.

Auch unter Berücksichtigung der Ersetzungsbefugnis hat X durch die generell vorrangige Verordnung eigener Produkte jedoch einen Vorteil erlangt. Dieser ergab sich alleine schon daraus, dass der jeweilige Apotheker das verordnete Medikament aus dem Hause X abzugeben hatte, wenn die Preise der Medikamente einander entsprachen. Vor allem aber kamen Medikamente von X auch gerade dann bevorzugt zum Einsatz, wenn aufgrund der medizinischen Indikation ein Wettbewerb zwischen verschiedenen zur Therapie geeigneten Medikamenten entstand, deren Wirkstoffe voneinander abwichen.

Ähnliche Auswirkungen hat der Umstand, dass Patienten erfahrungsgemäß nicht alle ärztlichen Verordnungen zur Einlösung bringen. Auch dies führt lediglich dazu, dass der in der Verordnung liegende Vorteil für X begrenzt war. Aufgehoben war er damit nicht.

b) Beide Angeklagten handelten vorsätzlich. Sie kannten nicht nur alle Umstände, die die Einbindung der Vertragsärzte in die medizinische Versorgung durch die Krankenkassen bewirken, sondern hatten darüber hinaus auch die soziale Sinnbedeutung der Stellung der Vertragsärzte als Beauftragte erfasst.

c) Die Angeklagten handelten auch rechtswidrig und schuldhaft. Ihre Schuld war nicht irrtumsbedingt ausgeschlossen. Das ist nach § 17 StGB nur der Fall, wenn dem Täter bei der Tatbegehung die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Unrechtsbewusstsein liegt bereits dann vor, wenn der Täter weiß, dass er gegen die rechtliche Ordnung verstößt, die das auch vom strafrechtlichen Tatbestand erfasste Rechtsgut schützt (vgl. nur Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 17 Rz. 6, 8 m.w.N.). Nicht erforderlich ist, dass er den Gesetzesverstoß als strafbar erachtet.

Nach den Feststellungen der Kammer lagen diese Voraussetzungen vor. Die Angeklagten hatten zumindest das bedingte Bewusstsein, gegen Gesetze zu verstoßen, die den freien Wettbewerb schützen.

d) Die Kammer ist hinsichtlich jeder einzelnen Scheckzahlung von einer eigenständigen Bestechungstat ausgegangen, so dass der Angeklagte B. wegen sieben Taten und die Angeklagte R. wegen 16 Taten zu verurteilen war. Zwar gingen in den Fällen 1 bis 7, 8 bis 14 sowie 15 und 16 die Leistungen auch auf eine mit den jeweiligen Vertragsärzten zuvor getroffene generelle (Unrechts-)Vereinbarung über deren Beteiligung an den quartalsweisen Verschreibungsumsätzen von X zurück. Jedoch verbindet die Tatbegehung in Gestalt einer solchen Unrechtsvereinbarung nur dann die späteren einzelnen Zahlungen zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit, wenn bereits die Vereinbarung selbst den zu leistenden Vorteil genau festlegt, mag er auch später in bestimmten Teilleistungen zu erbringen sein (vgl. BGH, wistra 2009, 347 – zitiert nach juris – Rz. 26; BGHSt 47, 22, 30 jew. m.w.N.). Daran fehlte es im vorliegenden Fall.

2. Eine Bestrafung der Angeklagten wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung nach den §§ 332, 334 StGB kam nicht in Betracht. Der Angeklagte B. war in seiner Eigenschaft als Vertragsarzt kein Amtsträger im Sinne vom § 11 Abs. 1 Nr. 2c) StGB. Nach dieser Norm ist Amtsträger, wer dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.

a) Zwar handelt es sich bei den gesetzlichen Krankenkassen jedenfalls um sonstige Stellen im Sinne der Norm und der Angeklagte B. hat auch im Auftrag der Krankenkasse Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen (vgl. Pragal/Apfel, A&R 2007,10, 16 ff.; Neupert, NJW 2006, 2811, 2812 ff.; vgl. auch BVerfG, NJW 1960, 185 – zitiert nach juris – Rz. 28; a.A. Geis, wistra 2007, 361, 364). Das ergibt sich bereits aus den obigen Ausführungen zu § 299 StGB. Teil der den gesetzlichen Krankenkassen als öffentliche Aufgabe übertragenen Gesundheitsfürsorge ist die Erbringung der erforderlichen Sachleistungen durch Überlassung von Arzneimitteln. Der Vertragsarzt ist von Gesetzes wegen damit beauftragt, im Rahmen dieser Sachleistung durch die Krankenkasse eine Schlüsselstellung einzunehmen und durch seine Verordnung die Erfüllung der Sachleistungsverbindlichkeit zu ermöglichen. Damit nimmt er einen Teil der Aufgaben wahr, die der öffentlichen Verwaltung in Form der Krankenkassen zugewiesen sind.

b) Nach Ansicht der Kammer sind Vertragsärzte allerdings nicht zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung „bestellt”. Eine „Bestellung zum Auftrag” erfordert eine engere Anbindung an die öffentliche Hand als der einfache „Auftrag” (vgl. BGH NStZ 2008, 87). Auf diese Weise wird die mit der höheren Strafandrohung versehene Bestechlichkeit i.S.v. § 332 StGB – teilweise – von der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr abgegrenzt (vgl. BGHSt 43, 96). Hinsichtlich der Anforderungen an die Beauftragung besteht hiernach zwischen den Normen eine Art Stufenverhältnis. Eine Bestellung kann nur anerkannt werden, wenn die betroffene Person eine vergleichbare Stellung hat wie Beamte, Richter oder Personen, die in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen (vgl. BGHSt 43, 96). Für die Vergleichbarkeit kommt es unter dem Gesichtspunkt des Normzweckes vornehmlich auf zwei Punkte an. Die betroffene Person muss zum einen hinsichtlich ihrer Stellung als Amtsträger ausreichend gewarnt sein (vgl. BGHSt 43, 96, 101 ff.; BGHSt 46, 310 – zitiert nach juris – Rz. 33). Zum anderen muss sie von der Allgemeinheit als Teil der Verwaltung, als deren „verlängerter Arm”, wahrgenommen werden. Diesen Gedanken hat der BGH für die Einordnung privatrechtlicher Organisationsformen als „sonstige Stellen” entwickelt (vgl. BGHSt 49, 214, 219; BGHSt 50, 299, 303; BGH, wistra 2007, 17; BGH, NJW 2007, 2932). Angesichts der dahinterstehenden Überlegung, nur bei einer Wahrnehmung als öffentliche Verwaltung könnten das Vertrauen der Allgemeinheit in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und damit das Schutzgut der §§ 331 ff. StGB beeinträchtigt werden (vgl. BGH NJW 2007, 2932 – zitiert nach juris – Rz. 28), kann die Außenwahrnehmung nach Ansicht der Kammer aber auch für die Interpretation der „Bestellung” nicht gänzlich außen vor bleiben. Um hiernach unter dem Blickwinkel der Warnung und Wahrnehmung eine Vergleichsbetrachtung mit typischen Formen der Amtsträgerschaft vorzunehmen, hat die Rechtsprechung verschiedene Kriterien herausgearbeitet. Vornehmlich hat sie dabei auf die Dauer der Einbindung des Betroffenen in die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung sowie darauf abgestellt, inwieweit der Betroffene in die öffentliche Verwaltung organisatorisch eingegliedert ist (vgl. BGH, NStZ 2008, 87). Die Kammer verkennt nicht, dass die Rechtsprechung hierbei im Regelfall auch die über den einzelnen Auftrag hinausgehende längerfristige Tätigkeit für die öffentliche Verwaltung alleine als Bestellung hat ausreichen lassen (vgl. BGHSt 43, 96; BGHSt 52, 290 – zitiert nach juris – Rz. 25; BGH NJW 98, 2373). So hat der BGH (NJW 98, 2373) etwa die Bestellung eines freiberuflichen Ingenieurs ausschließlich auf dessen langjährige und intensive Verbindung mit einer Stadtverwaltung gestützt. Andererseits hat der BGH für einen „zugelassenen” Dolmetscher, der wiederholt und regelmäßig in Prüfungsverfahren als Übersetzer hinzugezogen wurde, die Voraussetzungen der Bestellung abgelehnt (vgl. BGHSt 42, 230).

Zwar ist der Fall des zugelassenen Dolmetschers mit dem Fall des Vertragsarztes nur eingeschränkt vergleichbar, weil die Zulassung als Vertragsarzt den Betroffenen unmittelbar mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut. Im Ergebnis liegen aber auch hinsichtlich des Vertragsarztes die Voraussetzungen einer Bestellung nicht vor.

In der Gesamtbetrachtung wird das Leitbild des Vertragsarztes – gerade auch in der Außen- und Eigenwahrnehmung – von seiner freiberuflichen Berufsausübung geprägt. Sein gesetzlicher Auftrag, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen, wird dadurch in seiner Erscheinung so stark zurückgedrängt, dass der einzelne Vertragsarzt weder ausreichend vor einer Amtsträgerschaft gewarnt noch von der Allgemeinheit als verlängerter Arm der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen wird.

Das gilt auch in Anbetracht dessen, dass Vertragsärzte nach § 95 SGB V in einem förmlichen Verfahren zugelassen werden (a.A. Pragal/Apfel, A&R 2007, 10, 18; Neupert, NJW 2006, 2811, 2812 ff.). Auch dies führt nicht dazu, dass Warnung und Wahrnehmung auf eine Amtsträgerschaft gerichtet wären. Die Zulassung bewirkt primär lediglich, dass der Vertragsarzt Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird und daneben, dass er zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist, § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Im Vordergrund steht hiernach seine allgemeine PflichtensteIlung. Dass ihm damit einhergehend auch die Aufgabe übertragen wird, Interessen der Krankenkassen wahrzunehmen, steht nicht im Zentrum der Zulassung und kann dementsprechend auch nicht als prägend für das Gesamtbild angesehen werden (vgl. BVerfG, NJW 1960, 185 – zitiert nach juris – Rz. 29). Zwar spricht für eine Amtsträgerschaft, dass die Anbindung an die gesetzlichen Krankenkassen auf Dauer angelegt ist. Dies mag im Regelfall ausreichen, die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 2c) StGB anzunehmen. Hinsichtlich des Vertragsarztes liegt es jedoch anders, weil die vermeintliche Nähe zur öffentlichen Verwaltung, die durch eine dauerhafte Anbindung in der Regel erzeugt wird, durch eine Vielzahl von Umständen eine erhebliche Relativierung erfährt. Die Besonderheit der Stellung des Vertragsarztes liegt darin, dass er zwar gesetzlich beauftragt ist, für die Krankenkasse tätig zu werden, er aber andererseits bei dieser Aufgabenerfüllung im Verhältnis zur Krankenkasse keinerlei organisatorische oder auch nur persönliche An- oder Einbindung aufweist (vgl. BVerfG, a.a.O., Rz. 28 f.; Geis, wistra 2007, 361, 364). Die Dauer seiner Anbindung sagt daher anders als in anderen Fällen nichts über die Nähe zur öffentlichen Verwaltung aus. Der Arztberuf ist in persönlicher Hinsicht vielmehr durch weitreichende fachliche, rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit geprägt. Dem Arzt wird auch hinsichtlich der Erfüllung seines öffentlichen Auftrags ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und Entscheidungsbefugnis zugestanden. Dieser Gedanke findet sich nicht zuletzt in § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Die Norm verdeutlicht die eigenständige und gleichgeordnete Stellung des Vertragsarztes im Verhältnis zu den Krankenkassen, indem sie darauf hinweist, dass Krankenkassen und Vertragsärzte bei der Versorgung der Kranken zusammenwirken. Festzuhalten bleibt hiernach, dass der Vertragsarzt trotz seiner Beauftragung in keiner Weise in die Organisation der Krankenkassen einbezogen ist oder diesen unterstellt wäre. Er unterliegt weder ihren Weisungen noch ihrer direkten Aufsicht (vgl. BSGE 77, 194). Über seinen gesetzlichen Auftrag hinaus hat er keine direkte Anbindung an die Krankenkassen. Die damit ohnehin schon lose Verbindung wird weiter dadurch gelockert, dass der Vertragsarzt einer Vielzahl von Krankenkassen, für die er beauftragt ist, gegenübersteht. All diese Umstände belegen eine im Vergleich zu anderen Amtsträgern außerordentlich große Distanz des Vertragsarztes zur öffentlichen Verwaltung. Hinzu kommt, dass er in Konkurrenz zu anderen Vertragsärzten steht, was eine Klassifizierung als verlängerter Arm der Verwaltung zusätzlich in Frage stellt, weil andernfalls bildlich gesprochen mehrere Arme desselben (öffentlichen) „Körpers” zueinander in Wettbewerb treten und gegeneinander arbeiten würden. Weder aus seiner Sicht noch aus Sicht der Allgemeinheit stellt der Vertragsarzt sich hiernach als verlängerter Arm der Verwaltung dar, dessen Bestechlichkeit das Vertrauen der Allgemeinheit in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes beeinträchtigen könnte (in diesem Sinne auch Geis, wistra 2007, 361, 364; Klöpfer, NStZ 2008, 12, 16).

Dieser Betrachtung steht nicht entgegen, dass der BGH den Vertragsarzt gerade im Hinblick auf die Verordnung von Arzneimitteln als „Beliehenen” bezeichnet hat (vgl. BGH, StV 2004, 422). Dass der Vertragsarzt mit öffentlich-rechtlicher Rechtsmacht beliehen wird (vgl. BSGE 73, 271), beschreibt nur die eigenständige Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Die Voraussetzungen der Bestellung gehen, wie dargelegt, darüber hinaus.

3. Ob der Angeklagte B. sich im Hinblick auf die Verschreibungen von X-Medikamenten an Privatpatienten und Selbstzahler wegen Betrugs durch Unterlassen gemäß §§ 263, 13 StGB strafbar gemacht hat, weil er nicht über den Erhalt der Zuwendungen aufgeklärt hat, auf deren Auskehrung die jeweiligen Patienten einen Anspruch haben könnten (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2006, 13), musste die Kammer mangels Anklage des entsprechenden Geschehens nicht entscheiden.

VI. Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:

1. Die Kammer ist hinsichtlich der angeklagten Taten jeweils von einer (einfachen) Bestechlichkeit (Angeklagter B.) bzw. Bestechung (Angeklagte R.) im geschäftlichen Verkehr ausgegangen.

Trotz der Gewerbsmäßigkeit des festgestellten Verhaltens lagen in keinem Fall die Voraussetzungen eines besonders schweren Falles der Bestechlichkeit bzw. Bestechung im geschäftlichen Verkehr im Sinne von § 300 Satz 1 StGB vor. Von der Indizwirkung des Regelbeispiels einer gewerbsmäßigen Handlung bzw. bandenmäßigen Begehung im Sinne von § 300 Satz 2 Nr. 2 StGB war vorliegend aufgrund der besonderen Tatumstände abzusehen. Zahlungen oder Sachgeschenke von Pharmaunternehmen an Vertragsärzte waren zum damaligen Zeitpunkt augenscheinlich an der Tagesordnung und in der Branche allgemein üblich und akzeptiert, was die Hemmschwelle zur Begehung solcher Taten erheblich herabsetzte. Auch die Strafverfolgungsbehörden haben dem nicht entgegengewirkt. Die auch darauf beruhende fehlende Kenntnis der Angeklagten von der konkreten Strafbarkeit ihres Tuns mindert die von ihnen gezeigte kriminelle Energie und steht der Annahme eines besonders schweren Falls entgegen.

Der damit für beide Angeklagte eröffnete, in § 299 Abs. 1 StGB normierte Strafrahmen sieht für jeden Einzelfall Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor.

2. Innerhalb des genannten Strafrahmens hat sich die Kammer bei der konkreten Strafzumessung von folgenden Gesichtspunkten leiten lassen:

Zu Lasten der Angeklagten fiel die Höhe der Zuwendungen ins Gewicht, die auch unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags in Höhe von 20 % für Verordnungen an Privatpatienten und Selbstzahler nicht ganz unerheblich waren, und das dahinterstehende Verschreibungsvolumen.

Ferner beinhaltet die Verschleierung nach außen durch Tarnung der Zuwendungen als Vortragshonorar durchaus ein gewisses Maß an krimineller Energie. Abschwächend und zu Gunsten der Angeklagten war insoweit allerdings zu berücksichtigen, dass – auch – diese Idee letztlich von anderen entwickelt und vorgegeben wurde.

Den wenigen Strafschärfungsgesichtspunkten stand eine ungewöhnliche Vielzahl von Strafmilderungsgründen gegenüber.

Für die Angeklagten sprachen ihre fehlenden Vorstrafen, die sehr weit gehenden Geständnisse, der einige Jahre zurückliegende Tatzeitraum sowie der Umstand, dass die Angeklagten seit dem Ende der Taten im Jahre 2005 nicht wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten sind und sich somit „nachbewährt” haben.

Zu Gunsten der Angeklagten wirkte sich ferner aus, dass der Vorteil, der vom Angeklagten B. versprochen wurde, durch die Substitutionsbefugnis der Apotheker begrenzt war. Die Angeklagten haben nicht vereinbart, dass der Angeklagte B. die Medikamente von X in der Weise verordnet, dass eine Ersetzung durch preisgünstigere, wirkstoffidentische Konkurrenzprodukte ausgeschlossen war. Dadurch wurde der Wettbewerbsvorteil, den X aus der Verordnungspraxis zog, gemindert.

Mildernd wirkte sich ferner aus, dass die hier abgeurteilte Bestechungspraxis unter Pharmaunternehmen und Ärzten über Jahre hin weit verbreitet war und dass von staatlicher Seite hiergegen unter dem Blickwinkel des § 299 StGB nicht eingeschritten wurde. Nur aufgrund der Zurückhaltung der staatlichen Stellen konnte sich ein solches korruptives System etablieren. Dieses wiederum bedingte, dass die Hemmschwelle der Angeklagten herabgesetzt war. Auch unter dem Blickwinkel präventiver Überlegungen musste dies zu einer Minderung der Strafen führen. Derzeit ist davon auszugehen, dass auch schon geringen Strafen nicht die Eignung abgesprochen werden kann, weitere Rechtsgutsverletzungen zu verhindern. Denn die damit verbundene soziale Stigmatisierung dürfte insbesondere in der Ärzteschaft als besonders gravierend empfunden werden. Trotz der Häufung entsprechender Straftaten kann es aufgrund der bislang unterbliebenen Versuche, mit maßvollem Einwirken ein normgerechtes Verhalten zu erwirken, keineswegs geboten sein, zum Zwecke der Abschreckung Straferhöhungen vorzunehmen.

Zu Gunsten der Angeklagten R. war zu berücksichtigen, dass ihr durch ihren Arbeitgeber ein bereits bestehendes korruptives System vorgegeben wurde, das sie lediglich übernehmen musste. Solange die Angeklagte an ihrem Beruf festhalten wollte, hatte sie wenig Möglichkeiten, die Vorgaben zu umgehen. Insoweit war auch zu berücksichtigen, dass es aus ihrer Sicht sogar so gelegen haben mag, dass man aufgrund ähnlicher Praktiken von Konkurrenzunternehmen gar nicht anders konnte, als sich der gängigen Methoden zu bedienen, wollte man im Wettbewerb bestehen.

Für die Angeklagten sprach weiterhin, dass ihre Hemmschwelle auch dadurch herabgesetzt war, dass sie die Strafbarkeit ihres Handelns nicht erkannt haben. Dies bedingte zwar keine Aufhebung, wohl aber eine Minderung ihres Unrechtsbewusstseins.

Schließlich war zu berücksichtigen, dass die nicht mediengewohnten Angeklagten aufgrund der Vorreiterrolle des Verfahrens – soweit erkennbar, wurde erstmals vor einem deutschen Landgericht ein entsprechendes Verfahren mit dem Vorwurf der Bestechung im wirtschaftlichen Verkehr gegen einen Vertragsarzt verhandelt – ungewollt im Zentrum medialen Interesses standen. Dieser Umstand erhält nach Auffassung der Kammer dadurch besonderes Gewicht, dass die Angeklagten eher Randfiguren eines korruptiven Systems waren und dass die – bekannten – Hauptverantwortlichen bislang unbehelligt geblieben sind.

a) Unter Berücksichtigung aller dargestellten Umstände hat die Kammer folgende Einzelstrafen als tat- und schuldangemessen erachtet:

Fall der Anklage R. Tagessätze B. Tagessätze
1 60 65
2 60 65
3 60 65
4 60 65
5 60 65
6 60 65
7 60 65
8 60 (–)
9 60 (–)
10 60 (–)
11 60 (–)
12 60 (–)
13 60 (–)
14 60 (–)
15 60 (–)
16 60 (–)

Die Höhe eines Tagessatzes war hinsichtlich des Angeklagten B. jeweils auf 300 €, hinsichtlich der Angeklagten R. auf 50 € zu bemessen.

b) Aus den Einzelstrafen hat die Kammer gemäß den Grundsätzen der §§ 53, 54 StGB bei nochmaliger zusammenfassender Abwägung aller bei den Einzelstrafen berücksichtigter Umstände Gesamtstrafen gebildet.

Bei der Bemessung der Gesamtstrafe war zu Gunsten der Angeklagten insbesondere zu berücksichtigen, dass zwischen den hier abgeurteilten Taten ein sehr enger zeitlicher, örtlicher, motivatorischer und sachlicher Zusammenhang besteht. Deswegen waren die Einzelstrafen besonders straff zusammenzuziehen.

Folgende Gesamtstrafen hat die Kammer dementsprechend als tat- und schuldangemessen erachtet:

Angeklagter B.:

Eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu jeweils 300 €. Angeklagte R.:

Eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu jeweils 50 €.

VII. Die Kammer hat hinsichtlich des Angeklagten B. gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB von der Anordnung eines Verfalls gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bzw. eines Wertersatzverfalls gemäß § 73a StGB abgesehen, ebenso von einer Anwendung des § 111i StPO. Vorliegend können nicht verjährte Ansprüche der jeweils betroffenen Krankenkassen gegenüber dem Angeklagten B. auf Herausgabe des Bestecherlohns bestehen (§ 69 Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGB V i.V.m. § 667 BGB). Die mit Wirkung zum 1.1.2007 eingeführte Vorschrift des § 111i StPO war auf die vorliegenden Taten nicht rückwirkend anwendbar.

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