LG Düsseldorf: Anbringung der CE-Kennzeichnung bei Kondomen

Ist die Anbringung der CE-Kennzeichnung auf dem Medizinprodukt selbst gem. § 9 Abs. 3 S. 2 MPG nicht erforderlich (hier: Kondome), reicht es aus, wenn diese auf der Handelsverpackung und der Gebrauchsanweisung des Produktes vorhanden ist. Eine (zusätzliche) Kennzeichnungspflicht auf der Primärverpackung des  Medizinproduktes ist nicht erforderlich. Der Umstand, dass die Vorschrift des § 9 Abs. 3 S. 4 MPG bei steril in Verkehr gebrachten Medizinprodukten eine Anbringung der CE-Kennzeichnung zusätzlich auf der Sterilverpackung fordert, zeigt, dass die Kennzeichnungspflicht auf Handelspackungen gerade nicht die Kennzeichnungspflicht auf einzelnen Stückpackungen erfasst.

LG Düsseldorf, Urteil v. 07.03.2018 – 12 O 76/17
MPG § 9 Abs. 3, UWG § 3
Andere Fundstellen: MPJ 2018, 132 mit kritischer Anm. Lücker


Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Unterlassung und Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren aufgrund vermeintlicher Wettbewerbsverstöße.

Die Klägerin vertreibt Kondome unter der Marke „Ritex“. Die Beklagte vertreibt ebenfalls Kondome, und zwar unter der Marke „Lumunu“. Die Beklagte bietet ihre Produkte dabei im Internet unter anderem auf der Handelsplattform „Amazon“ an.

Unter dem 08.03.2017 bestellte die Klägerin im Rahmen einer routinemäßigen Wettbewerbsprüfung bei der Beklagten vier verschiedene Kondomsorten (vgl. Rechnung Anl. K1).

Die gelieferte Ware wies ausschließlich auf dem Umkarton bzw. der Handelspackung eine CE-Kennzeichnung auf. Auf dem Beipackzettel und den Einzelpackungen, so genannten Siegelbriefchen, in denen die Kondome einzeln verpackt sind, befand sich keine CE-Kennzeichnung (vgl. Abb. Bl. 4 GA).

Unter anderem aufgrund vorstehenden Sachverhaltes ließ die Klägerin die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 15.03.2017 abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung unter Fristsetzung zum 22.03.2017 sowie zur Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren bis spätestens zum 31.03.2017 auffordern (Anl. K2). Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.03.2017 gab die Beklagte eine Unterlassungserklärung ab, welche sich jedoch nicht auf die unterlassene CE-Kennzeichnung auf der Einzelverpackung bezog und begründete dies damit, dass die CE-Kennzeichnung nicht auf der Stückpackung aufgeführt sein müsse (Anl. K3). Darüber hinaus zahlte die Beklagte auf die geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.973,90 EUR (Streitwert 100.000,00 EUR, 1,3 Geschäftsgebühr) einen Betrag in Höhe von 984,60 EUR.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die in § 9 Abs. 1 MPG geregelte Pflicht zur CE-Kennzeichnung auch dazu verpflichte, die CE-Kennzeichnung auf dem so genannten Siegelbriefchen anzubringen. Dies zeige bereits der Umstand, dass die CE-Kennzeichnung auf allen Einzelverpackungen großer Hersteller abgedruckt sei.

Zudem habe der Gesetzgeber dadurch, dass er für Steril-Verpackungen ausdrücklich angeordnet habe, dass das CE-Kennzeichen auf diesen anzubringen seien, klargestellt, dass für den Fall, dass es innerhalb der Handelspackung noch eine weitere Einzelpackung für das Medizinprodukt gebe, die CE-Kennzeichnung auch darauf anzubringen sei. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck des MPG, nämlich dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, Rückschlüsse auf die Herkunft und das Konformitätsbewertungsverfahren ziehen zu können. Dies insbesondere, da Kondome in der Praxis häufig lange vor der eigentlichen Benutzung aus der Handelspackung entnommen und in den Einzelpackungen transportiert würden.

Zudem sei auch der DIN EN ISO 4074 eine Kennzeichnungspflicht der Einzelpackungen zu entnehmen.

Darüber hinaus ist sie der Ansicht, der außergerichtlich angesetzte Streitwert i.H.v. 100.000 EUR sei angemessen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen,

Kondome anzubieten, zu vertreiben und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder durch Dritte in den Verkehr bringen zu lassen, wenn diese keine CE-Kennzeichnung unter Beifügung der Nummer der benannten Stelle auf den Einzelpackungen (Siegelbriefchen) aufweisen.

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 989,30 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die CE-Kennzeichnung auf der Handelspackung sowie der Gebrauchsanweisung sei ausreichend. Eine Kennzeichnung auf dem Siegelbriefchen sei nicht erforderlich, zumal auch die Verbraucher die Kondome der Beklagten nicht ohne die Handelspackungen oder die Gebrauchsanweisungen erhielten. Der Vergleich der Klägerin zu Steril-Verpackungen greife nicht, da es sich bei Kondomen – unstreitig – nicht um sterile Medizinprodukte handele. Einen Handelsbrauch für eine etwaige CE-Kennzeichnung auf den jeweiligen Einzelpäckchen gebe es nicht. Darüber hinaus sei der angesetzte Streitwert deutlich zu hoch, so habe das OLG Köln in einem Verfahren, in welchem es neben der CE Kennzeichnung noch um eine weiteren Wettbewerbsverstoß gegangen sei, einen Streitwert von 12.500,00 EUR für angemessen erachtet.

Wegen des weiteren Sachvortrages wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Die Klage ist zulässig; insbesondere ist die Kammer sachlich nach § 13 UWG und örtlich gemäß § 14 UWG zuständig. Der Handlungserfolg ist nach § 14 Abs. 2 S. 1 UWG auch im hiesigen Landgerichtsbezirk eingetreten, da die Klägerin ihre Produkte deutschlandweit, mithin auch in Düsseldorf, anbietet und vertreibt.

II. Die Klage ist jedoch unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung, wie unter Ziffer 1 beantragt. Dieser ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 8 Abs. 1,3, 3a UWG i.V.m. § 9 Abs. 3 MPG, da kein Verstoß gegen § 9 Abs. 3 MPG vorliegt.

a) Die Klägerin ist als Mitbewerberin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert, da sie gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG mit der Beklagten als Anbieterin gleicher Waren in einem Wettbewerbsverhältnis steht.

b) Das mit diesem Antrag gerügte Inverkehrbringen, Anbieten und Vertreiben des streitgegenständlichen Produktes durch die Beklagte ist jedoch nicht unlauter im Sinne des §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 9 Abs. 3 MPG, da die vorhandene CE-Kennzeichnung ausreichend ist.

Die von der Beklagten vertriebenen Kondome werden in Handelspackungen abgegeben, in den sich Einzelpackungen mit einzelnen Kondomen und die Gebrauchsanleitung befinden. Entgegen der Ausführung der Klägerin besteht dabei gerade keine Pflicht, auch Einzelpackungen von Kondomen mit der CE-Kennzeichnung zu bedrucken.

Nach § 9 Abs. 3 S. 1 und 2 MPG muss die CE-Kennzeichnung deutlich sichtbar, lesbar und dauerhaft auf dem Medizinprodukt und, falls vorhanden, auf der Handelspackung sowie auf der Gebrauchsanweisung angebracht werden. Eine Anbringung auf dem Medizinprodukt ist dann nicht erforderlich, wenn es zu klein oder seiner Beschaffenheit nach nicht geeignet oder zweckmäßig ist.

Dass eine Anbringung auf dem Produkt selbst nicht zu erfolgen hat, weil dies nicht zweckmäßig ist, ist unstreitig. Insofern ist dem Wortlaut der Norm zu entnehmen, dass eine Kennzeichnung auf der Handelspackung und auf der Gebrauchsanweisung zu erfolgen hat. Eine Kennzeichnungspflicht der Einzelpackung hingegen, ist dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen.

Dafür, dass § 9 Abs. 3 S. 1 und 2 MPG gerade keine Verpflichtung vorsehen, die CE-Kennzeichnung auch auf den jeweiligen einzelverpackten Produkten anzubringen, spricht auch, dass in Satz 4 hinsichtlich steriler Medizinprodukte ausdrücklich angeführt wird, dass die CE-Kennzeichnung auch auf der Steril-Verpackung zu erfolgen hat. Bei diesem Produkt genügt mithin gerade nicht die Angabe auf der Handelspackung und der Gebrauchsanweisung. Der Umstand, dass die Steril-Verpackung gesondert aufgeführt wird, zeigt, dass die Kennzeichnungspflicht auf Handelspackungen gerade nicht grundsätzlich die Kennzeichnungspflicht auf einzelnen Stückpackungen umfasst.

Entgegen der Ausführungen der Klägerin ergibt sich die Pflicht zur Kennzeichnung der Einzelpackungen auch nicht aus der DIN EN ISO 4074, da es sich bei den DIN/ISO Normen lediglich um Empfehlungen handelt, die gerade keine rechtsverbindlichen Rechtsnormen darstellen. DIN/ISO Normen können zwar grundsätzlich einen Handelsbrauch begründen, jedoch ist auch ein solcher von der Klägerin nicht dargetan. Sie führt insofern allein aus, dass die größeren Kondomhersteller die CE-Kennzeichnung auch auf den Einzelverpackungen anbringen lassen.

Auch die Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Medizinproduktegesetzes, welches dazu dient den Verkehr mit Medizinprodukten zu regeln und dadurch für die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz der Patienten und Anwender zu sorgen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn dieser Sinn und Zweck wird dadurch gewahrt, dass auf der Handelspackung selbst sowie auf der Gebrauchsanweisung eine entsprechende Kennzeichnung erfolgt. Dafür, dass dies ausreichend ist, spricht auch, dass die Produkte der Beklagten auch an den Verbraucher nur in dieser Handelspackung veräußert werden und nicht einzeln.

2. Die Klägerin hat drüber hinaus auch keinen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren wie unter Ziffer 2 beantragt, da sie keinen über den bereits gezahlten Betrag in Höhe von 894,60 EUR hinausgehenden Anspruch auf Zahlung hat.

Dieser Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.

Soweit sich der außergerichtlich geltend gemachte Unterlassungsanspruch auf den Vertrieb des Produktes ohne CE-Kennzeichnung auf der Einzelverpackung bezog, war er unbegründet, wie vorstehend ausgeführt.

Berechtigt hat die Klägerin mit ihrem Abmahnschreiben hingegen die unterlassene Kennzeichnung auf dem Beipackzettel gerügt. Hierfür ist jedoch nach Überzeugung der Kammer ein Streitwert in Höhe von 12.500,00 EUR angemessen, unter Zugrundelegung einer 1,3 Geschäftsgebühr mithin eine Summe in Höhe von 894,60 EUR. Umstände, welche eine Heranziehung eines höheren Streitwertes begründen würden sind nicht ersichtlich. Das Abwehrinteresse ist durch die Heranziehung des vorstehenden Streitwertes gewahrt. Weder die Unternehmensverhältnisse noch die Intensität des Wettbewerbs, oder aber das Ausmaß der streitgegenständlichen Verletzungshandlung, wie von der Klägerin vorgetragen, rechtfertigen eine höhere Festsetzung.

Durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 894,60 EUR an die Klägerin ist der Anspruch der Klägerin durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB untergegangen.

III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.

IV. Streitwert

12.500,00 EUR.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Düsseldorf statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1,40227 Düsseldorf, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. I, S.3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.

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