Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung des Parallelimports ihrer Wundauflagen “UrgoTül“.
Die Antragstellerin vertreibt die Wundauflagen in Großbritannien mit einem Packungsinhalt von zehn Stück. Die Antragsgegnerin vertreibt diese Wundauflagen in eigener Verpackung und einem Inhalt von fünf Wundauflagen in Deutschland. Die Vorderseite der Verpackung stimmt weitgehend identisch mit dem Original überein. Die Rückseite ist jedoch neu gestaltet und nennt die Antragsgegnerin als Parallelvertreiberin und Umverpackerin. Zudem brachte die Antragsgegnerin ihre eigene Pharmazentralnummer (PZN) als Aufkleber auf, während der QR-Code der Antragstellerin fehlte.
Das Landgericht Frankfurt wies den Antrag zurück. Die Antragsgegnerin habe die Voraussetzungen für den zulässigen Parallelimport erfüllt und könne sich auf den Erschöpfungseinwand berufen. Ein Widerspruch der Antragstellerin führe zu einer künstlichen Marktabschottung auf einem relevanten Teilmarkt in Deutschland. Die Umverpackung schädige den Ruf der Antragstellerin nicht. Die Antragsgegnerin dürfe die Marken der Antragstellerin und auch ihre eigene PZN anbringen.
Die Berufung der Antragstellerin hatte keinen Erfolg. Das Gericht wendet die im Hinblick auf Arzneimittel entwickelten Grundsätze des Europäischen Gerichtshofs für eine zulässige Umverpackung auch auf Medizinprodukte an (vgl. Urteile vom 11. Juli 1996, Bristol-Myers Squibb u. a., C‑427/93, C‑429/93 und C‑436/93, EU:C:1996:282, sowie vom 26. April 2007, Boehringer Ingelheim u. a., C‑348/04, EU:C:2007:249).
Nach dieser Rechtsprechung kann sich der Inhaber einer Marke gemäß Art. 7 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89/104 dem weiteren Vertrieb eines aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführten Arzneimittels in einem Mitgliedstaat widersetzen, wenn der Importeur es umgepackt und die Marke wieder darauf angebracht hat, es sei denn,
- es ist erwiesen, dass die Geltendmachung einer Marke durch den Markeninhaber zu dem Zweck, sich dem Vertrieb der umgepackten Ware unter der Marke zu widersetzen, zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten beitragen würde;
- es ist dargetan, dass das Umpacken den Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware nicht beeinträchtigen kann;
- auf der Verpackung ist klar angegeben, von wem die Ware umgepackt worden ist und wer deren Hersteller ist;
- das umgepackte Erzeugnis ist nicht so aufgemacht, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann; der Aufkleber darf folglich nicht schadhaft, von schlechter Qualität oder unordentlich sein;
- der Importeur unterrichtet den Markeninhaber vor dem Inverkehrbringen des umgepackten Erzeugnisses und liefert ihm auf Verlangen ein Muster dieser Ware (Urteil vom 17. Mai 2018, Junek Europ-Vertrieb GmbH gegen Lohmann & Rauscher International GmbH & Co. KG, Debrisoft, C‑642/16).
In Sachen Debrisoft brachte der Parallelimporteur einen zusätzlichen Aufkleber auf einem unbedruckten Teil der ungeöffneten Originalverpackung des in Rede stehenden Medizinprodukts an. Der Aufkleber ist klein und enthält als einzige Angaben den Namen des Parallelimporteurs sowie seine Anschrift und seine Telefonnummer, einen Strichcode und eine PZN, die dazu dient, den Warenverkehr mit Apotheken zu organisieren. Aus diesem Grunde verneinte der Europäische Gerichtshof schon das Vorliegen eines Umverpackens.
Hier verwendete die Antragsgegnerin eine eigene Verpackung und bedeckte den QR-Code, welcher auf die Antragstellerin auf der Originalverpackung hinwies. Die Umverpackung, der aus Großbritannien importierten Wundauflagen sei zulässig. Das Widersetzen führe zu einer künstlichen Marktabschottung im Sinne des Art. 34 AEUV. Der Parallelimporteur müsse in der Lage sein, dieselbe Packungsgröße wie die Antragstellerin in Deutschland zu vertreiben. Unerheblich sei, ob der Vetrieb der Packungsgröße mit zehn Wundauflagen in Deutschland erlaubt und erstattungsfähig sei. Entscheidend sei allein, dass die Parallelimporteurin nicht von dem Markt einer Packungsgröße (mit fünf Wundauflagen) in Deutschland ausgegrenzt werden dürfe. Dies gelte insbesondere dann, wenn nur eine Packungsgröße auf dem Markt des Einfuhrstaates vorhanden oder verschreibungsüblich ist. Unerheblich sei, ob die Packungsgrößen in Deutschland faktisch (durch den Hersteller) oder durch regulatorische Umstände begründet sind.
Auch drang die Antragstellerin nicht mit ihrem Einwand durch, eine neue Verpackung sei nicht erforderlich, da die Antragsgegnerin (den Inhalt) auch habe reduzieren können. Damit verkenne die Antragstellerin die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 26. April 2007 – C-348/04, GRUR 2007, 586 Rn. 38 – Boehringer Ingelheim/Swingward II). Wenn das Umpacken wie hier erforderlich sei, ist allein zu prüfen, ob die neue Umverpackung berechtigte Interessen des Markeninhabers beeinträchtige. Eine Erforderlichkeitsprüfung der Art und Weise der Verpackung finde nicht statt (BGH, Urteil vom 14. Juni 2007, I ZR 173/04, Rn. 23 – STILNOX).
Die Art und Weise der Umverpackung beeinträchtigte auch nicht die berechtigten Interessen der Antragstellerin, insbesondere nicht den Ruf der Marke. Entscheidend sei die Sicht der Verbraucher, nicht jene der Apotheker oder Ärzte. Die Antragstellerin sei berechtigt, eine neue Verpackung herzustellen. Sie weise klar daraufhin, dass sie die UrgoTül Wundauflage parallel vertreibe und umverpacke. Für den Verkehr sei damit hinreichend deutlich, wer für den Vertrieb nach dem Umpacken verantwortlich sei. Der Parallelimporteur müsse die fehlende Zustimmung des Markeninhabers nicht auf der Verpackung angeben.
Das Anbringen der PZN stelle für sich genommen kein Veränderung im Sinne des Art. 15 Abs. 2 UMV dar (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 17. Mai 2018, Debrisoft, C‑642/16, Rn. 34 ff.). Anders wurde dies von einigen Gerichten – auch dem OLG Frankfurt – vorher gesehen (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 – I ZR 165/5 – Debrisoft, Tz. 21; OLG Frankfurt, Urteil vom 20. April 2017 – 6 U 16/17; Urteil vom 23. März 2017 – 6 U 125/16; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. Juli 2015 – I-20 U 95/14 – Debrisoft; a.A. LG Köln, Beschluss vom 26. Januar 2017 – 31 O 432/16).
Der Kern der Auseinandersetzung, ob der Parallelimporteur seine eigene PZN anbringen darf, wurde – der Debrisoft Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs folgend – zugunsten des Paralleimporteurs entschieden.
Offen bleibt, ob der Parallelimporteur die Marke des Herstellers verdecken darf. In der Debrisoft Entscheidung hatte der Europäische Gerichtshof unter anderem darauf abgestellt, dass der Aufkleber die Marke des Herstellers nicht verdeckte (keine Zulassung der Revision oder Vorlage an den EuGH durch das OLG Frankfurt in anderer Sache, bei ein Teil der Marke (im Fließtext) verdeckt wurde, Urteil vom 7. März 2019 – 6 U 37/18).